GAL: Schulreformen nicht übers Knie brechen

Während CDU und SPD sich öffentlich vor allem darum streiten, wer Hamburgs Gymnasien beser schützt und weiterentwickelt, und Veränderungen möglichst noch vor der Bürgerschaftswahl eintüten wollen, spricht sich die GAL für mehr Bedachtsamkeit aus: Nichts übers Knie brechen, lieber Nägel mit Köpfen machen.

Wir dokumentieren die Rede der schulpolitischen Sprecherin der GAL-Fraktion, Christa Goetsch, in der Bürgerschaft:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

Sehr geehrte Damen und Herren,

den Streit, den Sie hier inszenieren, den Streit CDU-SPD und SPD-CDU, wer die Gymnasien und den Elternwillen besser schützt – wer welchen heiligen Schwur und welches Bekenntnis ablegt, der Streit ist doch bizarr! Die CDU wirft der SPD vor, dass sie die Menschen verunsichert. Die SPD ringt nach wie vor um eine klare Position und wirft der CDU vor, dass sie einen Lügenwahlkampf führen will. Und heute dann die beiden Anträge! Beide sind so geschrieben, dass der eine dem anderen nicht zustimmen kann. Beide gaukeln den Leuten vor, man würde sich doch gern gegenseitig die Hand geben und gemeinsam neue Bildungshäuser in Hamburg bauen – wenn der andere doch ein anständiges Bekenntnis ablegen würde.

Wenn es allerdings nur noch um Bekenntnisse und die richtige Gesinnung geht, bleiben unsere Kinder völlig auf der Strecke.

Ein Bekenntnisstreit ist vor allem gar nicht der Konflikt, der die Eltern bewegt. Hören sie doch bei den vielen Schulveranstaltung mal genau hin, was die Eltern wirklich bewegt: So hätten Sie sich, meine Damen und Herren von der CDU, am vergangenen Dienstag mal lieber die Sorgen der Eltern und Lehrer in Lurup/Osdorf anhören sollen, anstatt ihre Jubelveranstaltung im Cinemaxx zu zelebrieren. In Lurup hätten sie sogar noch mehr Publikum gehabt. Aber so musste die arme Frau Koop ganz alleine ihre Planlosigkeit verteidigen. Sie, meine Damen und Herren von der CDU, und Ihre Senatorin haben für die Stadtteilschule zwar einen Termin, aber sonst nichts vorgelegt. Keiner weiß, wie es gehen soll. Und das ist es doch, was die Eltern verunsichert. „Es ist noch kein festes Konzept da! Nutzen Sie doch einfach die Freiheit sich zusammen zu tun, “ waren sinngemäß die tröstenden Worte von Frau Koop an die aufgebrachten Eltern. Doch die haben von Reformen die Nase voll! Wenn in einer Umfrage jetzt 50% der Leute wollen, dass das gegliedert Schulsystem bleiben soll, dass sich bloß nichts verändern soll – dann wundert mich das nicht.

Die Eltern haben ganz einfach Angst, dass wieder alles nicht funktioniert und ihre Kinder alles ausbaden müssen. Dafür haben sie in den letzten Jahren zu viel erlebt: Überhastete Reformen, Handwerklich schlechte Umsetzung, fehlende Konzepte, ständiges Nachsteuern und Zurücknehmen:

* Noten

* Schulbuchgebühren

* Schulschwimmen

* Abitur nach 8 Jahren

* Hauptschule stärken und dann abschaffen

* Vergleichsarbeiten

Das Bildungshaus, das die CDU hier gebaut hat, ist ohne Dach, ohne Fenster und die Türen sind am falschen Platz – und ständig wird umgebaut. Und jetzt drohen sie schon damit, so weiter zu machen: Die Zwei-Säulen im Schnelldurchgang! Und die SPD ruft auch noch, wir wollen, dass es sogar noch schneller geht. Das ist verantwortungslos! Die Eltern wollen keine Schulformbekenntnisse – sondern eine verlässliche und sorgfältige Schulpolitik.

Deshalb sagen wir den Eltern und den Schulen: Wir brauchen mindestens zwei Jahre Vorlaufzeit und der ganze Prozess dauert länger als eine Legislatur. Das gilt für „9 macht klug“ genauso wie für das Zwei-Säulen-Modell. Wir brauchen diese Zeit, um eine regionale Schulentwicklung ins Leben zu rufen. Wir brauchen die Zeit, um die Eltern, SchülerInnen und Lehrer, den Stadtteil zu beteiligen! Wir brauchen die Zeit, um die Lehrer und die Schulen auf die neuen Aufgaben vorzubereiten. Was wir nicht brauchen, ist ein Prozess, bei dem ein Plan der CDU in zwei Monaten durch sämtliche Gremien, Schulen und durch die Bürgerschaft geboxt wird!

Erinnern sie sich doch an den Schulentwicklungsplan 2005! Da wurde von oben ein Schulschliessungsplan durchgedrückt – ohne wirkliche Beteiligung von Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen. Mich würde nicht wundern, wenn bei der nächsten Anmelderunde nicht 50% sondern 60% der Eltern ihre Kinder aufs Gymnasium anmelden. Nicht weil sie alle vom Gymnasium und den Chancen ihrer Kinder überzeugt sind – aber weil sie in der ganzen Unsicherheit das Gymnasium als die einzig sicher Zone wahrnehmen. So kann es doch nicht weitergehen!

Die Eltern und die Schulen haben verdient, dass es statt Bekenntnissen mehr fachliche Auseinandersetzung gibt. Dass man statt der Heiligsprechung des Elternwillens lieber eine breite Beteiligung der Eltern vorbereitet. Die Hamburger Elternkammer hat ihre Bereitschaft dazu längst erklärt und inzwischen ja selbst nach dem Elternwillen gefragt. Und sie hat die Eltern nicht gefragt, was wollt ihr im bestehenden System, sondern: Wie sollte das Schulsystem in der Zukunft aussehen? Das Ergebnis war klar: Die Eltern fürchten sich am allermeisten davor, dass ein Umbau der Schulen wieder stümperhaft umgesetzt wird! Dennoch – und das ist sehr bemerkenswert: Eine deutliche Mehrheit der Eltern will, dass ihre Kinder länger gemeinsam lernen!

Das war kein Bekenntnis für oder gegen eine Schule – sondern die Sorge um die Schulbildung und die Chancen der Kinder. Mit gutem Grund: Es gibt keinen einzigen pädagogischen oder wissenschaftlichen Grund für eine frühe Trennung nach der vierten Klasse. Wohl gibt es einige, die glauben, dass politisch nicht mehr als die zwei Säulen drin ist. Da bin ich ganz anderer Meinung. Es hat sich in den letzten Jahren so viel bewegt. Ständig gewinnt „9 macht klug – die Schule für alle“ neue Unterstützer. Diese Woche haben die Unternehmerverbände Hamburg und Schleswig-Holstein sich für längeres gemeinsames Lernen der SchülerInnen bis mindestes zur 6. Klasse ausgesprochen.

Wir brauchen eine Schule für alle, weil sie sozial gerechter ist und weil es keine Theorie der zwei Begabungen gibt, für die man zwei Schulformen bräuchte! Wir brauchen eine Gemeinschaftsschule, weil niemand schon bei zehnjährigen Kindern vorhersagen kann, ob sie eher handwerklich oder wissenschaftsorientiert lernen werden. Heute sind doch bis zu 40% der Schulempfehlungen – aufs Gymnasium oder auf andere Schulen – falsch. Da muss doch endlich was passieren! Es muss doch endlich Schluss sein damit, dass so viele Kinder immer wieder Angst haben müssen, aussortiert zu werden. Wir wissen doch längst um die Vorteile, wenn die Kinder zusammenbleiben. Dass die SchülerInnen in gemischten Gruppen viel besser voneinander und miteinander lernen. So wie die kleine Schwester viel besser von ihrer großen Schwester lernt als von der Mutter, so lernt der schwächere Schüler viel besser von dem Stärkeren. Und der Stärkere lernt dazu, wenn er dem Schwächeren alles noch einmal erklärt. Wir wollen eine Schule für Hamburg, in der alle Talente Platz haben und niemand aussortiert oder zurückgelassen wird. Wir wollen eine neue Hamburger Schule für alle Kinder, die leistungsstark und sozial gerecht ist! Und wir wollen diese neue Schule sorgfältig vorbereiten. Und wir wollen sie unter breiter Beteiligung von Eltern, SchülerInnen und Lehrer entwickeln!

Dazu kann ich mich dann gerne bekennen!

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.