Das Thema Jugendstrafvollzug wird zwar immer einmal wieder gern am Stammtisch diskutiert, ist aber in Wahrheit hoch sensibel. Prekär könnte die Situation werden, seit Strafvollzug Ländersache ist – die Gefahr, dass sich Landespolitiker populistisch profilieren wollen, ist groß. Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen meint: Jugendstrafvollzug sollte in Deutschland einheitlich bleiben – aber auf hohem Niveau!
Zum gemeinsamen Entwurf eines einheitlichen Jugendstrafvollzugsgesetzes von neun Landesjustizministerien erklärt die stellvertretende Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ), Anke Pörksen:
Mit dem gemeinsamen Entwurf für ein Jugendstrafvollzugsgesetz haben neun Landesjustizministerien jetzt versucht, einige der Nachteile der Föderalismusreform zu minimieren: Dezentrale Gesetzgebungskompetenz im Strafvollzug birgt die Gefahr eines Wettbewerbs um die schärfsten Vollzugsgesetze und vertieft die Ungleichheit insbesondere im Bereich der Resozialisierung, also bei Fragen der Vollzugsgestaltung, der Lockerungen und der Entlassungsvorbereitung.
Erste Ankündigungen und Gesetzesentwürfe, insbesondere aus Hamburg und Bayern, lassen eine Reduzierung des Strafvollzugs auf einen reinen Verwahrvollzug und ein weiteres Kürzen der für eine erfolgreiche Resozialisierung notwendigen personellen und sachlichen Mittel befürchten.
Der Jugendstrafvollzug hat bislang keine ausreichende gesetzliche Grundlage – ein verfassungswidriger Zustand, den zu beenden das Bundesverfassungsgericht im Mai 2006 (2 BvR 1673/04) den damals noch zuständigen Bundesgesetzgeber aufgefordert hat. Vorahnend schon und nicht ohne ein gewisses Misstrauen gegenüber den zukünftigen Gesetzgebern hat der zweite Senat dabei dankenswert konkrete Anforderungen an ein zu schaffendes Jugendstrafvollzugsgesetz formuliert.
Der nun nach viermonatigem Ringen von Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen vorgelegte Gesetzesentwurf legt als alleiniges Vollzugsziel fest, „die Gefangenen zu einem Leben ohne Straftaten in sozialer Verantwortung zu befähigen“.
Das ist gut, der zweite Satz des maßgeblichen § 2 aber enthält den Sündenfall: „Gleichermaßen hat der Vollzug die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen.“ Dies ist eine Selbstverständlichkeit, darf aber insbesondere im Jugendstrafvollzug nicht auf die gleiche Stufe mit dem Resozialisierungsziel gesetzt werden. Langfristige Sicherheit durch Resozialisierung muss Vorrang haben vor kurzfristigen und oft kurzsichtigen Sicherungen durch bloßes Wegschließen. Wirksame Resozialisierung funktioniert nur durch verantwortungsbewusstes, aber mitunter auch ein bisschen mutiges Vorbereiten der Gefangenen auf das Leben nach der Haft.
Der Entwurf enthält viele positive Ansätze:
– Die erzieherische Ausgestaltung des Vollzugs,
– die Einzelunterbringung der Jugendlichen während der Ruhezeit und der
regelmäßige Wohngruppenvollzug,
– die Verlängerung der Besuchszeiten,
– aber auch das ausdrückliche Vorsehen einer engen und konstruktiven
Zusammenarbeit zwischen der Anstalt und außervollzuglichen Stellen, um den Übergang vom Gefängnisalltag in ein freies Leben außerhalb des Vollzugs zu erleichtern und um – soweit erforderlich – für Kontinuität in der Betreuung zu sorgen.
Besonders lobenswert ist zudem die gesetzlich ausdrücklich vorgeschriebene Evaluation und kriminologische Forschung, die Garantie sein soll für eine sachgerechte Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Vollzugspraxis.
Der gemeinsame Entwurf aber hat auch Schattenseiten. Er ist insgesamt ein guter Schritt in die richtige Richtung. Sache der Länderparlamente ist es jetzt, an den Stellen, an denen sich konservative Verschärfungswünsche oder finanzpolitische Einsparbemühungen durchgesetzt haben, Nachbesserungen vorzunehmen. Die ASJ wird hierzu Vorschläge unterbreiten, damit Ende 2007 in möglichst vielen Ländern die Grundlage für einen möglichst rationalen Jugendstrafvollzug gelegt werden kann.
Mehr zum Thema: http://www.informationsplattform-strafvollzug.de/