Erziehungscamps: Nur Effekthascherei

Innensenator Nagel glaubt offenbar selbst nicht an sein Konzept gegen Jugendgewalt, das er vor vier Wochen präsentiert hat: Nun will er sogenannte Erziehungscamps für gewalttätige Jugendliche. Makarenko lässt grüßen….

Die Äußerungen von Innensenator Nagel, der einen Monat nach der Vorstellung seines Konzeptes gegen Jugendgewalt nun Erziehungscamps für gewalttätige Jugendliche vorschlägt, kommentiert die innenpolitische Sprecherin der GAL-Bürgerschaftsfraktion Antje Möller: „Nagel glaubt offenbar selbst nicht an die Wirksamkeit seines Konzeptes gegen Jugendgewalt. Deutlicher hätte er nicht machen können, wie beliebig und effekthascherisch das Thema vom Senat behandelt wird.“

Bevor das vorgelegte Konzept umgesetzt sei, komme der Innensenator mit einer neuen Idee. „Nach jeder Einzeltat mit großem Medienecho eine neue Maßnahme aus dem Hut zu ziehen, zeugt vom Fehlen der Verlässlichkeit, die für Prävention und Fürsorge notwendig wäre“, so Möller.

SPD-Bürgermeisterkandidat Michael Naumann meint, Nagels Lagerdenken könne von Hamburgs Gewaltbilanz nicht ablenken.

SPD-Bürgermeisterkandidat Michael Naumann wörtlich:

„Zwei Monate vor der Wahl entdeckt die bedrängte CDU ein Problem, dessen Ursachen in ihrer eigenen Politik zu suchen sind: Die Jugendgewalt-Kriminalität wächst von Jahr zu Jahr. Während Roland Koch in Hessen einmal mehr in populistischer Manier Lösungen jenseits von Rechtstaatlichkeit und Vernunft propagiert, setzt Hamburgs Innensenator Udo Nagel auf so genannte „Erziehungscamps“ und „Warnschuss-Arrest“ für junge Gewalttäter.

Derlei scheinbare Patentlösungen können aber nicht ablenken von der sicherheitspolitischen Bilanz des Beust-Senats: Es ist zwar richtig, dass die Gesamtzahl der polizeilich erfassten Straftaten seit 2001 gesunken ist (z. B. aufgrund besserer Sicherungen gegen Kfz-Diebstahl). Aber die Zahl der Kriminalitätsopfer ist deutlich gestiegen (im Jahr 2006 fast 35.000, das sind 20 Prozent mehr als im Jahr 2001). Die Zahl der Gewaltopfer liegt konstant bei über 10.000 pro Jahr. Rund 42 Prozent aller tatverdächtigen gewalttätigen Straftäter sind jünger als 21 Jahre.

Den Gewaltausbrüchen auf dem Kiez hat die CDU lange tatenlos zugesehen, das von der SPD seit Langem geforderte Waffenverbot trat erst kurz vor der Wahl in Kraft. Der Skandal um die geschlossene Unterbringung in der Feuerbergstraße ist unvergessen und nicht beendet. Und von 1.330 beim „Familieninterventionsteam“ der Sozialbehörde betreuten Jugendlichen begehen 779 währenddessen 4.284 neue Straftaten, darunter fast 1.200 Gewaltdelikte.

Trotz dieser bedrohlichen Entwicklung will der Senat die Planstellen für ausgebildete Polizisten bis Ende 2009 um fast 300 auf 7.666 senken. Vier Polizeikommissariate werden – entgegen den Versprechen Ole von Beusts vor vier Jahren – geschlossen.

Kein Zweifel besteht daran, dass viele der jugendlichen Gewalttäter bildungsfernen Milieus entstammen, in denen Arbeitslosigkeit und fehlende Berufsperspektiven, Gewalterfahrungen in den eigenen Familien und mangelnde kulturelle Integration den Nährboden für rechtswidriges Verhalten bilden.

Mein Senat wird alle rechtstaatlichen Instrumente stärken, mit denen Gewalttätern das Handwerk gelegt werden kann. Das betrifft eine schnellere richterliche Behandlung – die Strafe muss der Tat auf dem Fuße folgen -, wie auch eine verbesserte Ausstattung der Polizei. Wir werden ein „Haus des Jugendrechts“ öffnen, in dem Jugendsachbearbeiter der Polizei, die Jugendstaatsanwaltschaft und die Jugendgerichtshilfe zusammengefasst werden, um schnellere Verfahren zu ermöglichen. Jugendarrest und externe Unterbringung gehören schon jetzt zum Instrumentenkasten des Rechtsstaats – man muss ihn nur anwenden.

Die soziale Spaltung gefährdet die innere Sicherheit. Die Wurzel des Übels muss mit präventiver Arbeit gepackt werden: Gewaltprävention beginnt in den Kitas und Grundschulen. Der unverhältnismäßig hohe Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund an Gewaltstraftaten ist ein unmittelbares Ergebnis fehlgeschlagener schulischer und kultureller Integration in unseren Rechtsstaat. Der Hamburger Senat wird unter sozialdemokratischer Führung ein besonderes Augenmerk auf diese Gruppe richten: Mit verstärkter Sprachförderung bis hin zu verbesserten Berufsperspektiven, aber auch mit unmittelbarer rechtstaatlicher Reaktion muss einer latenten Gewaltbereitschaft die Grundlage entzogen werden. Was die so genannten „Erziehungslager“ betrifft, so gehört die Forderung nach einer milieufernen, geschlossenen Unterbringung für schwerkriminelle Minderjährige längst zum Programm der Hamburger SPD. Im Übrigen warne ich mit der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries davor, davon auszugehen, dass Jugendkriminalität in Lagern a lá Koch mit Drill und Demütigung überwunden werden könne. Das Gegenteil ist wahrscheinlicher.“

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