Im Fall des „Messerstechers vom Jungfernstieg“ räumt der Senat massive Versäumnisse und Fehleinschätzungen ein. Das ergibt sich aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion.
Mit Blick auf die Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage hat die SPD-Bürgerschaftsfraktion das Handeln der Behörden im Fall des mutmaßlichen Messerstechers Elias A. scharf kritisiert. „Das Senatskonzept gegen Jugendgewalt hat erkennbar nicht gegriffen. Auch in diesem Fall eines gewalttätigen Jugendlichen tun sich Abgründe auf“, sagte SPD-Innenexperte Andreas Dressel.
Die SPD-Jugendexpertin Carola Veit verwies darauf, dass sich der Tatverdächtige in Obhut des Familieninterventions-Teams (FIT) der Sozialbehörde befand. „Das FIT soll sich besonders um kriminell auffällige Jugendliche kümmern. Offensichtlich hat die Kommunikation des Familieninterventionsteams der Sozialbehörde mit den anderen Behörden nicht funktioniert.“ Die SPD hat unterdessen eine weitere kleine Anfrage eingereicht.
Die Auswertung der Senatsantwort ergibt im Einzelnen:
Justizversagen: Vier der fünf Beschuldigten sollen bereits Mitte August 2009 gemeinsam eine gefährliche Körperverletzung und eine versuchte räuberische Erpressung begangen haben. Der Termin für die Hauptverhandlung steht bis heute – acht Monate nach Anklage und über neun Monate nach der Tat – nicht fest. Im Gegenteil: Wegen einer weiteren gefährlichen Körperverletzung, die Elias A. vorgeworfen wird, hat das Gericht drei Monate (!) nach Anklageerhebung beschlossen, die Verfahren zu verbinden.
Die Beschleunigungsversuche im Bereich der Justiz in diesem Fall sind blanker Hohn: Erst am 31. März 2010 bittet die Staatsanwaltschaft gegenüber dem Gericht um zeitnahe Terminierung des Gerichtsverfahrens – für die Anklage aus dem September 2009. Eigentlich soll die täterorientierte Sachbearbeitung bei PROTÄKT ja bewirken, dass Verfahren bei Intensivtätern herausgenommen und beschleunigt bearbeitet werden – hier wurde nach Schema F verfahren mit einem tragischen, tödlichen Ende. Die mit dem PROTÄKT-Konzept gewollte Manndeckung durch die Justiz erkennbar nicht gegriffen. Dressel: „In der Justiz wurde bei Elias nach Schema F verfahren, obwohl gerade hier durch ein schnelles Verfahren ein Stopp-Signal notwendig gewesen wäre. Was nützen hochtrabende Beschleunigungsprojekte der Justizbehörde wie PROTÄKT und PriJus, wenn sie im Fall der Fälle nicht greifen?“
Fallkonferenz verschleppt: Erst sieben Monate nachdem die Polizei Elias als Intensivtäter einstuft (August 2009), wurde eine Fallkonferenz mit allen Beteiligten einberufen (Ende März 2010). Erst zur Fallkonferenz im März 2010 wurden alle Informationen der beteiligten Stellen zusammengeführt. Und trotzdem nur Prüfaufträge beschlossen. Die nächste Fallkonferenz wurde erst für Ende Mai 2010 terminiert – zwei Monate nach der ohnehin viel zu späten ersten Fallkonferenz. Dressel: „Das ist alles viel zu langsam für eine sich so dramatisch entwickelnde kriminelle Karriere.“
Unterrichtsbefreiung fürs Nichtstun – Ausbildungsplatz nicht angetreten, und keiner erfährt es: Erst zur Fallkonferenz im März 2010 erfahren die zuständigen Stellen, dass Elias den angebotenen Ausbildungsplatz nicht angetreten hatte, sondern quasi eine Unterrichtsbefreiung erhalten hatte. Dass ein Minderjähriger Praktikum und Schule schmeißt und einen Ausbildungsplatz nicht antritt, ohne dass die Behörden davon etwas mitbekommen, scheint kaum akzeptabel.