Das war der Regierungsfraktion offenbar zuviel: Während bzw. nach der Rede des GAL-Abgeordneten Jens Kerstan zur organisierten Kriminalität, den Osmanis, Ex-Senator Mettbachs und der Rolle, die Senat und Bürgermeister dabei spielen zog die CDU aus. Der Ältestenrat tagte, dann ging die Sitzung doch weiter. Wie schon Herbert Wehner wusste: „Wer auszieht, muss auch wieder reinkommen!“ Kerstans komplette Rede können Sie hier
Jens Kerstan (GAL) in der Bürgerschaft:
In der Endphase der unseligen Koalition der CDU mit der Schill-Partei schien die CDU endgültig zu begreifen, mit welchen Personen sie es da zu tun hatte. Und Sie, Herr Bürgermeister, mussten am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, wenn man sich mit so unappetitlichen Gestalten einlässt. Sie haben damals Konsequenzen gezogen und eigentlich sollte man meinen, dass Sie aus dieser Geschichte gelernt haben.
Doch heute – drei Jahre später – reibt man sich verwundert die Augen. Da tauchen im Umfeld des Senates die gleichen, eigentlich schon abgeschriebenen Gestalten auf: Herr Mario Mettbach, Bürgermeister a.D., Statthalter Schills. Und siehe da, er ist immer noch eine unangenehme Gesellschaft mit äußerst kompromittierenden Kontakten. Eines wird deutlich: Sie haben damals keinen Schlussstrich gezogen, Herr Bürgermeister. In den letzten Wochen hat Sie Ihre Vergangenheit, die Sie so gerne vergessen wollen, wieder eingeholt.
Aus unerfindlichem Grund wurde Jahre nach dem Ende der Koalition Herr Mettbach in den Aufsichtsrat der Port Authority berufen, und wenig später gab ihm Senator Uldall auch noch einen lukrativen Auftrag der Stadt. Wie konnte es passieren, dass Herr Mettbach einen Vertrag bekam als Beauftragter der Stadt, der Logistikflächen im Umland besorgen soll? Beauftragter für eine Tätigkeit, die bereits an anderen Stellen von verschiedenen Personen in der Verwaltung ausgeübt wird. Weshalb das zuständige Amt in der Wirtschaftsbehörde in seiner Stellungnahme diese Beauftragung des Herrn Mettbach auch für überflüssig erklärte.
Warum gerade Herr Mettbach? Ist er wirklich die Person mit einnehmendem Auftreten, um ein guter Botschafter Hamburgs im Umland zu sein? Dieser Mann, der niemals Senator hätte werden dürfen – geschweige denn Bürgermeister; dessen peinliche Auftritte hier in der Bürgerschaft vielen von uns noch schmerzlich in Erinnerung sind. Ein Mann, bei dessen Abgang ganz Hamburg froh war, als es ihn und seine Parteifreunde los war. Ausgerechnet dieser Mann – sagt Wirtschaftsenator Uldall – ist seine Traumbesetzung. Herr Uldall, wer soll Ihnen das glauben?
Für die Öffentlichkeit scheint dagegen die Sache klar zu sein: Schwarzer Filz muss der Grund sein. Da musste ein alter Koalitionspartner versorgt werden, für welche Dienste auch immer. Die Sache liegt so klar auf der Hand, dass sie eigentlich gar keinen Neuigkeitswert hat. Es ist nur ein weiteres Glied in einer Kette von schwarzen Filz-Fällen der letzten Jahre. Ein Trauerspiel für eine CDU, die angetreten ist, um mit dem Filz in dieser Stadt aufzuräumen.
Als wenn das nicht schon genug wäre, hat Herr Mettbach auch noch äußerst windige Geschäftskontakte. Das macht diese Angelegenheit so brisant. Herr Mettbach war als Lobbyist für ein Projekt, das der Familie Osmani nutzt, unterwegs, jener Familie Osmani, die schon seit vielen Jahren im Visier der Ermittler im Landeskriminalamt ist, und die auch in Dossiers des Bundesnachrichtendienstes auftaucht unter dem dringenden Verdacht, Teil der organisierten Kriminalität in Hamburg und anderswo zu sein.
Herr Uldall behauptet, zum Zeitpunkt der Beauftragung von Herrn Mettbach noch nie den Namen Osmani gehört zu haben. Das sagt eine ganze Menge aus über die Qualifikation von Herrn Uldall als Wirtschaftssenator. Aber glauben wir ihm einmal, dass zumindest er nichts von Herrn Mettbachs Kontakten zu den Osmanis wusste.
Sie dagegen, Herr Bürgermeister, Sie haben von diesen Kontakten gewusst. Nachdem Herr Mettbach den halben Senat abgeklappert hatte, um für ein Osmani-Projekt zu werben, war er auch bei Ihnen. Zur Vorbereitung dieses Treffens schrieb Ihnen die Verwaltung auf, dass die Osmanis unseriöse Geschäftspartner seien.
Wenige Tage später erzählte Ihnen Herr Senator Uldall – das berichtete er im Sonder-Wirtschaftsausschuss – dass er Herrn Mettbach einen Auftrag der Stadt geben wollte oder bereits gegeben hatte. Warum haben Sie da nicht eingegriffen und die Beauftragung verhindert oder rückgängig gemacht? Hat Sie diese Verbindung gar nicht gestört?
Organisierte Kriminalität gibt es schon lange in Hamburg. Und auch die Versuche, das damit verdiente Geld in den legalen Wirtschaftskreislauf einzuspeisen. Zum Glück haben sich auch Abwehrmechanismen entwickelt. Ein ehrbarer Kaufmann in Hamburg würde nie Geschäfte machen mit Personen, die auch nur vage im Verdacht stehen, Kontakte zum organisierten Verbrechen haben. Der Präsident des FC St. Pauli weigerte sich sogar als sein Verein fast pleite war, das dringend benötigte neue Stadion finanzieren zu lassen, weil die Investoren im Verdacht standen, zu enge Kontakte zu den Osmanis zu haben. In Hamburg hält man sich von anrüchigen Kreisen fern. Warum gilt dieses Prinzip nicht auch für den von Ihnen geführten Senat? Können Sie uns das einmal erklären, Herr von Beust?
Aber vielleicht war es auch gar nicht der unter Ihnen übliche schwarze Filz, warum Sie es an der dringend notwendigen Abgrenzung zu den Mettbachs und den Osmanis fehlen ließen. Vielleicht war es auch ganz anders. Damals, nach dem Rauswurf Schills, fragte niemand mehr nach Kontakten von Mitgliedern Ihres Senates zu den Osmanis und darüber waren Sie froh. Denn wie wir in den letzten Wochen lernen mussten, kommt da eine ganze Menge zusammen. Wie gut, dass Sie über diese unschönen Geschichten den Mantel des Schweigens breiten konnten. Und plötzlich taucht Mettbach wieder auf und wirbt für Projekte der Osmanis in der ganzen Stadt. Und er gibt keine Ruhe, macht den halben Senat wild. Wenn das so weiter gegangen wäre, hätte man die brisanten alten Geschichten nicht mehr unter der Decke halten können. Also musste ein Vertrag her, damit Mettbach damit aufhört. Der Auftrag der Stadt – sozusagen Schweigegeld.
Es kann aber auch sein, dass Sie die Sache wirklich nicht bemerkenswert fanden. Da haben Sie schon ganz andere Sachen toleriert, Herr Bürgermeister. Einen Anwalt, dessen Kollegen in der gemeinsamen Anwaltskanzlei Verdächtige aus dem Umfeld der organisierten Kriminalität verteidigen, den haben Sie zum Staatsrat in der Innenbehörde gemacht. Als obersten Verbrechensbekämpfer sozusagen. Derselbe Staatsrat, dem, als er noch Anwalt war, nach Mafia-Manier ins Bein geschossen wurde – im Milieu die letzte Warnung. Und der sich bei den polizeilichen Ermittlungen, so erzählen Polizeibeamte hinter vorgehaltener Hand, seltsam unkooperativ gezeigt hatte. Und Sie haben auch tatenlos zugesehen, wie dieser Staatsrat zusammen mit Schill den Leiter der Abteilung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität entlässt und diese Abteilung jahrelang ohne Führung blieb. Ja, wenn Sie all das geduldet haben, dann ist ein Mettbach, der Lobbyarbeit für Immobiliengeschäfte der Osmanis macht, wirklich nur ein kleiner Fisch.
Wie es wirklich war, können nur Sie uns sagen, Herr Bürgermeister. Aber Sie sagen nichts.
Was Sie anscheinend nicht begreifen wollen ist, dass es hier nicht mehr allein um Vetternwirtschaft und Filz geht. Es geht darum, ob wir gerade dabei sind, eine Grenze zu überschreiten. Eine Grenze, die bisher in dieser Republik noch nirgendwo überschritten wurde. Es steht in Frage, ob es in Ihrem Senat zu jedem Zeitpunkt die gebotene klare Abgrenzung zum Umfeld der organisierten Kriminalität gegeben hat. Ob Personen aus dem Umfeld der organisierten Kriminalität Kontakte bis in die höchsten Regierungskreise gehabt haben. Und das fragt nicht nur die Opposition. Der Leiter des Landeskriminalamtes hat seinen Posten hingeworfen, nachdem Herr Wellinghausen von Ihnen zum Innenstaatsrat berufen wurde. Und der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei hat sich gestern im Hamburger Abendblatt mit einer grundsätzlichen Kritik an Ihren Entscheidungen geäußert, die kaum zu überbieten ist. Man kann über jeden einzelnen Vorwurf streiten – Vorwürfe, die zum Teil auch wirklich vage sind. Aber die Vielzahl der Puzzleteile ergibt doch ein erschreckendes Bild. Es ist ein Verdacht entstanden, der so schnell wie möglich entkräftet gehört. Darum verstehe ich Ihr hartnäckiges Schweigen nicht, Herr Bürgermeister. Wenn man zu Unrecht beschuldigt wird, dann wehrt man sich doch. Gerade bei einem so schwerwiegenden Vorwurf. Ein Vorwurf, der mittlerweile durch die gesamte überregionale Presse in Deutschland geistert. Doch Sie, Herr Bürgermeister, haben es vorgezogen, über Wochen und Monate zu schweigen. Ist Ihnen nicht klar, was für ein Eindruck Sie mit Ihrem Schweigen erwecken?
Meine Damen und Herren, es gibt viele offene Fragen und zu wenig Antworten. Antworten, die nur Sie geben können, Herr von Beust. Die Zeit, in der Sie glaubten, schweigen zu können, die muss jetzt endlich ein Ende haben.
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