Ein Denkmal für die Deserteure

Mit einem interfraktionellen Antrag will die Bürgerschaft ein Deserteursdenkmal für Hamburg schaffen: Den Opfern nationalsozialistischer Militärjustiz müsse endlich angemessen gedacht werden.

„Ich freue mich sehr, dass sich die gesamte Bürgerschaft einig ist, den Opfern der nationalsozialistischen Militärjustiz in Hamburg ein Denkmal zu setzen. Dieses klare Signal bringen wir heute mit dem interfraktionellen Antrag auf den Weg“, so SPD-Fraktionsvize und Fachsprecherin Kultur, Gabi Dobusch, in der heutigen Bürgerschaftsdebatte. „Wir wollen die Thematik der Deserteure und anderer Opfer der NS-Militärjustiz nicht isoliert betrachten, sondern stellen sie in einen Kontext mit der Entwicklung alternativer medialer Formen des Erinnerns und Gedenkens – ganz im Sinne einer Weiterarbeit an dem Gesamtprojekt Aufarbeitung der NS-Zeit.“

Dobusch weiter: „Der neu zu gründende Beirat ist gefordert, klug – und in Abwägung aller Erkenntnisse – angemessene Kriterien für eine Ausschreibung dieses Projektes zu entwickeln. Dabei sollte unbedingt auch das so genannte ,76er Denkmal‘ am Dammtorbahnhof mit in die Überlegungen einbezogen werden. Nichtsdestotrotz haben wir uns bewusst dafür entschieden, auf starre Festlegungen bezüglich Art und Umfang des Denkmals zu verzichten, um den jetzt startenden Entwicklungsprozess nicht zu beschneiden.“

In seiner Bürgerschaftsrede zu der geplanten Ehrung von Opfern der NS-Militärjustiz sagte Norbert Hackbusch, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft: „Es gibt über 150 Kriegs- und Kriegerdenkmale in dieser Stadt. Aber kein Denkmal für Deserteure und andere Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz. Kein Denkmal für die zum Teil sehr mutigen Menschen, die sich diesem menschenverachtenden System entgegengestellt haben.“

Auf Initiative der LINKEN hatte sich der Kulturausschuss zuvor darauf geeinigt, die Ehrung der so genannten Wehrkraftzersetzer mit der Einrichtung eines Beirates vorzubereiten. Ein entsprechender fraktionsübergreifender Antrag wurde in der Bürgerschaft debattiert.

In seiner Rede erinnerte Hackbusch daran, dass Hamburg ein Zentrum der NS-Militärjustiz war und Hunderte von Menschen in unserer Stadt wegen unerlaubten Entfernens von der Truppe inhaftiert und getötet worden sind – unter ihnen der Schriftsteller Wolfgang Borchert, dessen Tod kurz nach dem Krieg eine Folge seiner Haft war.

Nach dem Krieg sei die Diskriminierung der Deserteure und ihrer Familien mitunter noch jahrzehntelang weiter gegangen, sagte Hackbusch. „Im Unterschied zu den Hinterbliebenen der Gefallenen erhielten die die Witwen und Waisen der Deserteure keine Kriegsopferversorgung zugesprochen“, sagte Hackbusch. „Erst im Jahre 2002 hob der Deutsche Bundestag alle wegen Fahnenflucht und Zersetzung der Wehrkraft ergangenen Urteile auf.“

Hackbusch teilte die Auffassung des Kulturausschusses, keinen weiteren Gedenkstein aufstellen zu wollen, sondern vielmehr eine „ansprechende Form des Gedenkens“ zu entwickeln. Dazu habe es in der Expertenanhörung schon „kräftige erste Vorschläge“ gegeben.

Hackbusch sprach sich außerdem für den Standort Dammtor aus, dort wo jetzt das 76er-Denkmal, kurz ‚Kriegsklotz’ genannt, steht. „Meine Auffassung dazu ist deutlich: Der Kriegsklotz ist eine Schande für diese Stadt“, sagte Hackbusch in der Bürgerschaft. „Dieser Platz darf so nicht weiter bestehen. Die Errichtung eines Deserteursdenkmals wäre eine gute Gelegenheit, zwei Aufgaben auf einmal zu lösen. So haben es alle Experten gesehen. So sehe ich es.“

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.