Die SPD, die GAL und die Hemden von Kevin

Paul Watzlawick berichtete 1974 von Kevin, dessen Mutter ihm zwei Hemden schenkte. Um ihr eine Freude zu machen , zog er das gestreifte gleich an. Tieftraurig sagte sie darauf: „Ach – gefällt dir das karierte nicht?“ Die Situation von SPD und GAL ist der von Kevin nicht unähnlich.

Beide Parteien haben vor der Wahl Versprechen gegeben, die sich jetzt als unvereinbar herausstellen. Beide wollten die unsoziale CDU-Politik der vergangenen Jahre beenden und zumindest die schlimmsten Maßnahmen des Beust-Senats rückgängig machen. Beide haben versprochen, dass Hamburg sich unter ihrer Führung für Mindestlöhne stark machen wolle. Beide wollten z.B. Vorschul- und Studiengebühren abschaffen. Beide wollten verbindliche Volksentscheide einführen, die Genehmigung für das Kraftwerk Moorburg überprüfen, den Bau der U 4 hinterfragen, den Ausverkauf hamburgischen Vermögens stoppen. Und beide könnten das jetzt auch tatsächlich umsetzen – allerdings nur gemeinsam mit der Linkspartei.

Andererseits haben beide vor der Wahl auch versprochen, genau dies nicht tun zu wollen: „Nie mit der Linken“ hieß es bei der GAL, „Nie nie nie“ bei der SPD. Nur: Wenn es dabei bleibt, wird einer von ihnen mit der CDU koalieren müssen. Und dann bleibt von den vielen inhaltlichen Versprechungen allenfalls ein Kompromiss übrig.

Wie lässt sich das Dilemma lösen, was tut man in so einer „Doublebind-Situation“, wie Watzlawick sie nannte?

In der veröffentlichten Diskussion scheint es, als sei das „Nie“-Versprechen wichtiger. So lesen wir es täglich im Abendblatt, bei Bild und in der Welt. Wer das „Nie“ in Frage stellt, begehe Vertrauensbruch und sei somit der Schurke.

Aber stimmt das? Ist nicht mindestens genauso Schurke, wer die vielen Wählerinnen und Wähler, die auf eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen gehofft haben, jetzt im Regen stehen lässt? Kann man denen wirklich sagen, wir haben zwar eine Mehrheit gegen die Beust-Politik, aber wir wollen sie nicht nutzen? Oder, ganz konkret: Wir könnten zwar Deinem Kind zu besseren Lebenschancen verhelfen, aber wir tun es nicht, weil wir da gemeinsam mit der Linken stimmen müssten?

„Gewinner“ in dieser Situation ist der Wahlverlierer. Beust, der von den Hamburgerinnen und Hamburgern keine Legitimation bekommen hat, seine Politik fortzusetzen, wird diese Legitimation jetzt womöglich nachträglich bekommen – ob von der SPD oder der GAL ist dabei fast egal. Ihn wird es nicht stören; das hat er schon 2001 mit seiner Abenteurer-Koalition bewiesen.

2 Gedanken zu „Die SPD, die GAL und die Hemden von Kevin“

  1. Klingt gut, aber dennoch ist auch dieser Beitrag eine Variante davon, die eigene Meinung als objektiv begründete Wahrheit darzustellen, nämlich, daß jede Koalition mit der CDU zwingend ein „Verrat“ an „den Wählern“ sein müsse.

    Erstens stellt der Autor es so dar, als sei die von ihm genannte Liste das vollständige Wahlprogramm von SPD und GAL, er nennt aber nur die Übereinstimmungen. Daß z.B. entweder SPD oder GAL bei einer Zusammenarbeit ihre Position zur Elbvertiefung oder im Schulbereich „verraten“ müßten, wird nicht erwähnt..

    Zweitens wird postuliert, daß es unmöglich sei, die genannten Punkte in einer Koalition mit der CDU umzusetzen. Die diese Woche zu führenden Gespräche dienen ja gerade dem Zweck, hier auszuloten, welche Verständigungsbereitschaft besteht.

    Drittens geht der Autor wie selbstverständlich davon aus, daß die Linke in jedem Fall einfach zustimmt.

    Wie man sieht, ist dann auch dieser Beitrag, trotz der klugen Einleitung (wir wissen jetzt alle wieder etwas besser, was „Double-Bind“ bedeutet, Danke!) in seiner Konsequenz nicht weit von den erwähnten Abendblatt-, Bild- und Welt-Aktivitäten entfernt.

    Nur eben mit anderen Vorzeichen.

    Gruß,
    Michael

  2. Nachtrag:

    Die Frage, wie die Doublebind-Situation zu lösen ist, bitte ich noch nachzuliefern.

    Anm.d.Red.: Leider wissen wir das auch nicht wirklich. Nur, und da sind wir uns ja vielleicht sogar einig: Es gibt nicht nur die eine Wahrheit, die da heißt, irgendwer koaliert mit der CDU, und alles wird gut. Doublebind eben.

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