Die Neupacker bewegen Hamburg

Der Streik der Neupack-Beschäftigten wird immer mehr zum Symbol für eine gerechte Arbeitswelt: Rund tausend Arbeitnehmer und Unterstützer haben am Sonnabend am Hauptbahnhof für einen Tarifvertrag und faire Löhne demonstriert.

Als die deutsche Country-Legende Gunter Gabriel auftrat, kam die Sonne hinter den Winterwolken hervor. “Hey Boss, ich brauch` mehr Geld” schmetterte er am Sonnabend Mittag von der Bühne auf dem Hachmannplatz am Hamburger Hauptbahnhof vor mehr als 1.000 begeisterten Teilnehmern der Solidaritätskundgebung für die streikenden Mitarbeiter von Neupack. Sie sind seit dem 1. November im Ausstand und wollen damit den Abschluss eines bislang verweigerten Tarifvertrages erreichen. Gabriel hatte eigens für den Auftritt seinen Klinik-Aufenthalt unterbrochen.

Die Teilnehmer wurden von Jan Eulen begrüsst, Bezirksleiter der IG BE Hamburg/Harburg. Er sagte: „Ihr steht nicht allein, viele stehen Euch bei. Ihr steht aber auch für alle jene, die die Hoffnung haben, dass sich der Kampf für menschenwürdige Arbeitsbedingen und gerechte Löhne lohnt.“
Hausmann: “Die stillen Tage zum Nachdenken über eine Lösung nutzen!”
“Nehmen Sie sich über die Festtage und den Jahreswechsel die Zeit, nachzudenken um zu einer Lösung des Konflikts zu kommen! Diesen Appell richtete Peter Hausmann, Mitglied des Hauptvorstandes der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) an die Hamburger Unternehmerfamilie Krüger, in deren Eigentum die Neupack Verpackungen GmbH & Co. KG sind. Hausmann zeigte sich empört, dass eine Stadt wie Hamburg, in der der Begriff des “ehrbaren Kaufmanns” geprägt wurde, einen solchen Umgang mit den Beschäftigten erleben müsse. Hausmann sagte weiter, die IG BCE wisse, dass Unternehmen Geld verdienen müssten. Dennoch müsse es verlässliche Absprachen über die Bezahlung und die Rahmenbedingungen geben.

Becker: Neupack will, dass alles so bleibt

Auch Ralf Becker, Leiter des Landesbezirks Nord der IG BCE, griff den Anspruch des “ehrbaren Kaufmanns” auf: “Ich kenne viele Eigentümer geführte Unternehmen hier in Hamburg, die genau dieses Bild repräsentieren und fair mit ihren Beschäftigten umgehen, Tarifverträge haben, offen über Leistung, Produktivität und Teilhabe und Mitbestimmung im positiven Sinne reden. Diese Unternehmen sind wettbewerbsfähig, weil sie die Menschen in ihren Betrieben achten, respektieren und wertschätzen.” Die IG BCE habe in den Gesprächen versucht, der Familie Krüger Brücken zu bauen. Doch diese wolle, dass alles so bleibt wie es ist: Löhne, die bei 7,80 Euro beginnen, zehn Jahre ohne Entgelterhöhung und “Nasenprämien” für willfährige Mitarbeiter. Ganz besonders kritisierte Becker den Umgang mit den Beschäftigten an einem aktuellen Beispiel: “Ein Streikender ist von einem Fahrzeug angefahren worden. Der Kollege musste im Krankenhaus behandelt werden. Aber anstatt sich nach dem Befinden des Mitarbeiters zu erkundigen, erstatten sie Strafanzeige und wollen ihn aus dem Betrieb haben.”

Grund: Eigentum verpflichtet zur Verantwortung
Auch Hamburgs DGB-Vorsitzender Uwe Grund griff die Eigentümer des Unternehmens scharf an: „Offenbar glaubt die Unternehmensführung immer noch, dass sie wie in vergangenen Jahrhunderten mit ihrem Eigentum tun und lassen kann was sie will. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass diese Leute in der Gegenwart ankommen. In unserer Verfassung steht, Eigentum verpflichtet zu verantwortungsvollem Handeln. Aber genau das legen die Unternehmer nicht an den Tag. Ihr Gebaren ist an Arroganz nicht zu übertreffen. Wer seine Beschäftigten seit Ewigkeiten mit Dumpinglöhnen abspeist und sich jetzt einer fairen und dauerhaften Lösung durch einen Tarifvertrag verweigert, zeigt keinerlei unternehmerische Verantwortung.“ Bei den Gesprächen mit den Eigentümern habe es auf Seiten der Streikenden nicht an guten Argumenten und auch nicht an Kompromiss- und Verhandlungsbereitschaft gefehlt. „Wer aber guten Argumenten nicht zugänglich ist, muss eben fühlen und deswegen werden wir den Druck auf das Unternehmen erhöhen: Wir werden jetzt auch die Kunden und das Umfeld von Neupack in unseren Kampf mit einbeziehen. Wir alle haben Joghurt, Quark oder Frischkäse im Kühlschrank, dessen Verpackung von Neupack kommt. Wir sollten uns diese Produktionsketten mal genau anschauen und unsere Konsequenzen daraus ziehen.“

Günes: Willkür und Schikanen
Murat Günes, Betriebsvorsitzender bei Neupack, sagte: “Viel habt Ihr gehört, wie es bei Neupack zugeht. Viele von Euch haben das nicht für möglich gehalten. Und doch ist es wahr! Dieser Skandal hat Methode und ist nicht neu. Neu ist nur, dass wir uns wehren, weil wir uns nicht länger verarschen lassen wollen. Was Wirklichkeit ist: So geringe Löhne, dass viele von uns staatliche Hilfe oder mehrere Jobs brauchen. Willkür beim Weihnachtsgeld, Willkür bei Beförderungen. Schikanen, weil wir als stinkefaul und Penner beschimpft werden, nur weil wir im Betriebsrat sind. Seit sechs Wochen stehen wir vor den Toren, eineinhalb Monate. Und wir bleiben! Denn wir sind im Recht. Und wir wollen ja auch nur unser Recht. Dafür brauchen wir Eure Hilfe. Hier und überall. Ja, wir sind temperamentvoll. Seid Ihr es auch! Seid laut, seid aber auch lustig, denn ohne Humor hätten auch wir das alles auch nicht durchgestanden. Und wir stehen zusammen, der Zusammenhalt wird immer besser!

Rolf Becker verspricht: Ich komme Euch besuchen”
Der berühmte Schauspieler Rolf Becker rezitierte eindrucksvoll Kurt Tucholsky und Berthold Brecht und beließ es nicht bei Solidaritätsworten: “Ich komme bald vorbei und besuche Euch!”

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