„Die AfD hat ein Problem mit der Demokratie, nicht die Projekte gegen Rechts“



Rede von Wolfgang Rose (SPD) in der Hamburgischen Bürgerschaft am 14. Oktober zum Antrag der AfD-Fraktion, eine “FDGO-Klausel” bei Zuwendungen an Projekte gegen Rechtsextremismus einzuführen.

Hier der Text zum Download oder im Wortlaut:

“Anrede,

die AfD-Fraktion in unserer Bürgerschaft sorgt sich mit diesem Antrag um die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Bei der Pegida-Demonstration in Dresden am Montag wurde ein Galgen präsentiert, versehen mit den eindeutigen Hinweisschildern „Reserviert für Angela Merkel“ und „Reserviert für Sigmar Gabriel“. Seit Monaten werden aus dem Pegida-Sumpf heraus täglich bösartige Hassbotschaften gegen Flüchtlinge, gegen die sog. „Lügenpresse“ und gegen demokratisch engagierte Mitbürger/innen und Politiker/innen abgesondert, oft garniert mit offenen Gewalt- und Mordphantasien. Flüchtlingsunterkünfte werden angegriffen und in Brand gesteckt. Auf dem letzten AfD-Parteitag haben hohe Funktionäre der AfD stolz verkündet: „Wir sind die Pegida-Partei.“ – Meine Damen und Herren, wenn jemand Probleme mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hat, dann ist das die AfD in diesem Land und auch in dieser Stadt.

Der Hamburger Senat hat keine Nachhilfe in der Förderung und Verteidigung der Demokratie nötig, schon gar nicht von der AfD. Selbstverständlich achten die Behörden darauf, dass niemand mit staatlichen Geldern gefördert wird, der die Demokratie und die im Grundgesetz formulierten Grund- und Menschenrechte beseitigen will. Alle Zuwendungsempfänger werden ausdrücklich auf ihre Verpflichtung auf die demokratischen Grundrechte hingewiesen. Auch in Sachsen und auf Bundesebene hat sich die CDU überzeugen lassen, dass dies ein besserer Weg zur Demokratieförderung ist, als Pauschalverdacht und Erklärungszwang.

Und selbstverständlich geht der Rechtsstaat aktiv gegen gewalttätige Extremisten vor, so wie aktuell zum Beispiel gegen jene Hausbesetzer, die Polizisten mit Heizkörpern bewarfen und dabei schwere Verletzungen in Kauf nahmen. Da hat Hamburg wirklich keinen Nachholbedarf von der AfD – ganz im Gegenteil, meine Damen und Herren.

Damit wäre zu diesem Antrag eigentlich schon alles gesagt. Selbstverständlich werden wir ihn ablehnen. Doch ich will noch einige Anmerkungen machen zur Funktion dieses Antrages und zu den Zwecken, die die AfD damit verfolgt.

Der erste Zweck ist die Diskreditierung des zivilgesellschaftlichen Engagements gegen rechts, und zwar in Gänze. Dies geht aus dem Einleitungstext und besonders aus den vorangegangenen Anfragen der AfD zum „Ohlsdorfer Friedensfest“ klar hervor. Das Ohlsdorfer Friedensfest findet seit sieben Jahren jährlich zum Gedenken an den sogenannten „Hamburger Feuersturm“ auf dem Ohlsdorfer Friedhof statt, zum Gedenken an die Opfer des faschistischen Krieges, zur Mahnung für den Frieden heute, und – wie es im diesjährigen Einladungstext wörtlich und in aller Klarheit heißt- , „zur Würdigung der heute bestehenden demokratischen Werte, insbesondere der Anerkennung der Würde des Menschen“. Es wurde ins Leben gerufen als Reaktion auf den Versuch von Neonazis, das Gedenken an die Bombenopfer in ihrem Sinne zu missbrauchen, und es ist damit erfolgreich gelungen, den Nazis diesen Ort und diese Symbolik aus der Hand zu nehmen, meine Damen und Herren.

Das Fest wird getragen von vielen, ganz verschiedenen Organisationen, unter ihnen an vorderster Stelle vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge mit seinem Ehrenpräsi-denten Senator a.D. Reinhard Soltau und seiner Landesvorsitzenden und ehemaligen Abgeordneten Karen Koop, von mehreren umliegenden Kirchengemeinden, von der Gewerkschaft ver.di und auch von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, der VVN. Und die langjährige Teilnahme der VVN nimmt die AfD nun zum Anlass, um das Friedensfest und alle an ihm beteiligten Organisationen diskreditieren zu wollen. In ihrem Antrag schreibt die AfD in Bezug auf die VVN und deren antifaschistische Arbeit wörtlich: „Eine Förderung solcher Organisationen stellt gleichsam den Versuch dar, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben.“

Diese Formulierung ist nicht nur infam, sie ist auch sehr bezeichnend und verräterisch. Infam ist es, Auschwitz-Überlebende wie Esther Bejarano, die Ehrenvorsitzende der VVN und Trägerin des Großen Bundesverdienstkreuzes, derart in den Dreck zu ziehen. Das ist eine ungeheure Entgleisung und Verhöhnung eines Holocaust-Opfers. Entweder ist das der AfD nicht bewusst oder es ist infame Absicht. Beides ist unerträglich und dieses Hauses unwürdig, meine Damen und Herren.

Aber darüber hinaus ist diese Formulierung bezeichnend und verräterisch für die zweite Funktion solcher Anträge: Wenn die Opfer von faschistischer Verfolgung und Massenmord und ihre engagierten Nachkommen genau solche Teufel sind wie die Nazis selbst, dann können diese ja gar nicht so schlimm sein, so lautet die indirekte und eigentliche Botschaft solcher Aussagen. Diese Relativierung und Verharmlosung des Rechtsextremismus durch die AfD ist ebenso unerträglich, meine Damen und Herren.

Drittens und letztens dienen solche Diskreditierungsversuche den Rechtspopulisten von der AfD dazu, sich selbst als verfolgte Unschuld zu stilisieren: Seht her, diejenigen, die uns kritisieren, sind doch selbst viel schlimmer, so soll es scheinen; oder zumindest – wie der rot-grüne Senat – sind sie einseitig und tun nichts gegen linke Extremisten. Das alles sind ungeeignete Versuche, sich selbst als Opfer und Märtyrer darzustellen.

In diesem Antrag geht es der AfD nicht wirklich um die Sache, sondern es sollen rechtspo-pulistische Stimmungen angeheizt werden – genauso wie mit ihren Äußerungen über die Millionenschwemme von Flüchtlingen, wie mit ihrer maßlosen Polemik gegen Muslime, wie mit ihrer manipulierten Dramatisierung von Kriminalität, besonders bei Asylbewerbern. Diese kalkulierte Stimmungsmache brauchen wir in Hamburg nicht – und wollen sie auch nicht. Wer so mit dem Finger auf andere zeigt, hat selbst am meisten damit zu tun, seine Bindung an die demokratischen Grundwerte und Menschenrechte unter Beweis zu stellen.

Danke für die Aufmersamkeit.”

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