DGB legt Rentenreport Hamburg vor – Absage ans Arbeiten bis 70

Der Deutsche Gewerkschaftsbund Nord (DGB Nord) fordert von den Parteien Konzepte zur Sicherung der gesetzlichen Rentenversicherung und eine nachhaltige Absage an das Arbeiten bis 70. Der aktuelle DGB-Rentenreport für Hamburg zeigt: Vor allem für kommende Rentnergenerationen in der Hansestadt wird die Situation dramatisch, wenn jetzt nicht gehandelt wird.

Schon heute liegen die Durchschnittsrenten in Hamburg bei nur 1118 Euro für Männer und 710 Euro für Frauen. Neurentner und Neurentnerinnen erhalten zum Teil deutlich weniger. Das heißt: Wenn das Rentenniveau weiter sinkt, sind immer mehr Rentnerinnen und Rentner von Altersarmut bedroht. Prekäre Beschäftigung muss in tariflich bezahlte, sichere Arbeit überführt werden, denn: Wer etwa 45 Jahre bei einem Arbeitgeber ausschließlich im Minijob arbeitet, erwirbt einen Rentenanspruch von nur 164 Euro.

Uwe Polkaehn, Vorsitzender des DGB Nord: „Weil die Löhne im Keller sind und die Arbeitgeber massenhaft tariflich gesicherte Beschäftigungsverhältnisse durch prekäre Arbeit ersetzen, reichen die Einkommen und auch die Rente vielfach nicht zum Leben. Immer mehr Beschäftigte arbeiten länger, weil sie müssen – und nicht, weil sie wollen. Wer freiwillige flexible Regelungen für den Ruhestand schaffen will, muss sich um die Gesundheit am Arbeitsplatz und solidarisch finanzierte Sozialsysteme kümmern. Die Mehrheit der Beschäftigten beklagt seit Jahren, immer mehr in der gleichen Zeit leisten zu müssen. Die Digitalisierung erhöht diesen Druck noch. Deshalb erwarten wir Konzepte und Lösungen von den Politikern – und nicht nur warme Worte.“

Katja Karger, Vorsitzende des DGB Hamburg: „Ein Kurswechsel in der Rentenpolitik gehört ganz nach oben auf der To-do-Liste der kommenden Bundesregierung. Schon jetzt steigt die Zahl der Menschen in Hamburg, die nur eine Grundsicherung im Alter bekommen. Und die vielen prekär Beschäftigten von heute kommen erst noch in Rente. Über 100.000 Menschen in Hamburg haben aktuell ausschließlich einen Minijob, dazu kommen die vielen befristet und Teilzeitbeschäftigten. Aber selbst wer heute über einen Vollzeitjob mit einem Durchschnittsverdienst verfügt, ist vor einer Mini-Rente nicht sicher, sollte das Rentenniveau gesenkt werden. Gerade in einer teuren Stadt wie Hamburg mit seinen hohen Mieten und Lebenshaltungskosten sind das düstere Zukunftsaussichten. Deswegen muss der Rentensinkflug gestoppt werden.“

Zentrale Ergebnisse des Rentenreports Hamburg:

Rentensinkflug seit 2000:
Rentenniveau für Neurentner und -rentnerinnen so niedrig wie noch nie
Im Jahr 2015 betrug die durchschnittliche Altersrente für Hamburger Rentner 1118 Euro und für Rentnerinnen 710 Euro. Bei Hamburger Neurentnerinnen und Neurentnern, die 2015 erstmals Rente bezogen, betrug die durchschnittliche Rente bei Männern nur noch 985 Euro und bei Frauen knapp 700 Euro. Real, also unter Berücksichtigung des Kaufkraftverlustes, ist dies bei Neurentnern ein Verlust von 206 Euro. Neurentnerinnen steht hingegen im Jahr 2015 real etwa genauso viel zur Verfügung wie im Jahr 2000.

Erwerbsminderungsrente im Sinkflug – im Verlauf dramatisch
Erwerbsgeminderte Rentner und Rentnerinnen müssen mit besonders wenig auskommen. In Hamburg betrugen die Erwerbsminderungsrenten für Männer 2015 durchschnittlich 660 Euro, für Frauen 701 Euro. Rentner, die 2015 erstmals eine Erwerbsminderungsrente bezogen, erhielten nur noch 598 Euro, Rentnerinnen 628 Euro. Die Rentenzahlungen für Neurentnerinnen und Neurentner mit Erwerbsminderungsrente sanken damit im Vergleich zum Jahr 2000 erheblich – real sind das bei Männern 277 Euro und bei Frauen 151 Euro weniger.

Renteneintrittsalter steigt – aber Rente ab 67 führt zu sinkendem Rentenniveau
Das durchschnittliche Renteneintrittsalter in Hamburg steigt. 2015 lag es bei Frauen bei 64,9 Jahren, bei Männern bei 64,2 Jahren. 2015 arbeiteten Hamburger Frauen fast drei Jahre und Männer fast 4,5 Jahre länger als vor 15 Jahren. Die Einführung der Rente ab 67 bedeutet für viele eine Rentenkürzung, wenn sie früher aus dem Berufsleben ausscheiden. Dies können sich viele Beschäftigte nicht mehr leisten, zumal parallel dazu auch noch das Rentenniveau gesenkt wird. Gleichzeitig sind die Beschäftigungsquoten Älterer gering. In Hamburg waren 2015 nur 8,6 Prozent aller 65-Jährigen bis zur Regelaltersgrenze sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Immer mehr Menschen in der Grundsicherung
Immer mehr Hamburgerinnen und Hamburger kommen heute schon nicht mit ihrer Rente über die Runden. 2015 bezogen in Hamburg 40.087 Menschen Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Für 23.894 Menschen reichte die Altersrente nicht zum Leben. 16.193 Hamburgerinnen und Hamburger können mit ihrer Erwerbsminderungsrente ihr Leben nicht finanzieren.

Gesetzliches Rentenniveau – tickende Zeitbombe für immer mehr Menschen
Bis 2030 sinkt das Rentenniveau politisch gewollt auf ca. 43 Prozent. Infolgedessen sind immer mehr Ältere von Altersarmut bedroht. Die Zeitbombe wird zunehmend schneller ticken, wenn es nicht zu einem Kurswechsel in der Rentenpolitik kommt.

Kurswechsel jetzt! Stärkung der gesetzlichen Rente!
Unsere Forderungen:

Arbeitsmarkt in Ordnung bringen
Rente und Arbeitsmarkt stehen in unmittelbarem Zusammenhang. Wer im Erwerbsleben von Armut betroffen ist, ist regelmäßig auch im Alter arm. Dringend erforderlich ist deshalb die Bekämpfung von Erwerbsarmut durch die weitere Eindämmung des Niedriglohnsektors, von prekärer Beschäftigung, Minijobs und unsicheren Leiharbeitsverhältnissen. Ein geordneter Arbeitsmarkt sichert auch das System der gesetzlichen Rente. Nötig sind mehr Tarifverträge, auch in Hamburg.

Rentensinkflug stoppen
Das gesetzliche Rentenniveau befindet sich im Sinkflug. Wenn sich nichts ändert, wird es von ehemals 57,6 Prozent im Jahr 1980 auf unter 43 Prozent im Jahr 2030 sinken. Dies würde für viele Beschäftigte ein Abrutschen in die Altersarmut bedeuten. Wir fordern deshalb: Kurzfristig muss das Rentenniveau bei rund 48 Prozent stabilisiert werden, langfristig muss es deutlich steigen. Im Gegenzug sollte der gesetzliche Rentenbeitrag in kleinen Schritten über mehrere Jahre erhöht werden. Schon heute wäre gesetzlich festgelegt ein Beitragssatz von 22 Prozent möglich. Ein Kurswechsel ist dringend nötig.

Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente abschaffen
Die Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente sind abzuschaffen, damit die Betroffenen nicht dauerhaft von Armut bedroht sind. Wer eine Erwerbsminderungsrente in Anspruch nimmt, tut dies nicht freiwillig, sondern aufgrund massiver gesundheitlicher Einschränkungen. Die hohen Abzüge in diesem Bereich sind hochgradig unsozial und müssen dringend überarbeitet werden.

Rente nach Mindestentgeltpunkten wiederbeleben
Im Gegensatz zur solidarischen Lebensleistungsrente würde die „Rente nach Mindestentgeltpunkten“ deutlich mehr Versicherte erreichen und auch zu höheren Erträgen führen. Das Instrument als solches ist bereits bekannt, gilt aktuell jedoch nur für Zeiten bis zum Jahr 1991. Der DGB fordert die Wiederbelebung dieses Instruments.

Schrittweise Entwicklung zu einer Erwerbstätigenversicherung
Die gesetzliche Rentenversicherung muss langfristig zu einer Erwerbstätigenversicherung weiterentwickelt werden. Jede Erwerbsarbeit muss abgesichert sein. Gleichzeitig wurde dies den Versichertenkreis vergrößern und so auch die gesetzliche Rente stärken. Unmittelbar müssen Selbstständige ohne Absicherung einbezogen werden. Klar ist auch, dass bei diesem Prozess niemand schlechter gestellt werden darf.

Keine höheren Altersgrenzen, sondern flexible und abgesicherte Übergange in die Rente schaffen
Eine höhere Lebenserwartung heißt nicht, dass alle länger arbeiten können. Schon heute sind die Beschäftigungsquoten Älterer äußerst gering. Wir brauchen deshalb passgenaue Möglichkeiten für einen flexiblen und sozial abgesicherten Übergang in die Rente. Höhere Altersgrenzen bedeuten oft nur eine Rentenkürzung.

Griff in die Rentenkasse beenden
Versicherungsfremde Leistungen müssen endlich wieder sachgerecht über den Bundeshaushalt statt von Beitragszahler- und zahlerinnen finanziert werden. Die Mütterrente als gesamtgesellschaftliche Leistung muss deshalb aus Steuermitteln finanziert werden.

Gesundheitsschutz ernst nehmen
Damit Beschäftigte das gesetzliche Rentenalter gesund erreichen, sind Anstrengungen auch im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes erforderlich. Hamburg gehört zu den vorbildlichen Bundesländern mit gut ausgebauten Strukturen. Ein wichtiger Schwerpunkt für die Zukunft sollten die psychischen Belastungen und ihre Folgen sein. Hier sind spezielle Angebote für alle Altersgruppen zu entwickeln; außerdem sind sowohl die Arbeitsschutzbehörden und Rentenversicherungsträger als auch die Betriebe gefordert. Die Umsetzung einer „Anti-Stress-Verordnung“ ist in diesem Zusammenhang nur ein Stichwort; vom Land Hamburg wird ein solcher Vorschlag intensiv unterstützt.

Frauen stärken
Frauen erhalten nach wie vor eine deutlich geringere Rente als Männer; dies gilt für alle Bundesländer und ist eine Folge ihrer niedrigeren Erwerbsbeteiligung durch Teilzeit und Niedriglohnsektor sowie der schlechteren Bezahlung im gleichen Job. Ein Rechtsanspruch auf die Rückkehr zur Vollbeschäftigung ist deshalb dringend notwendig, um sowohl das Einkommen als auch die spätere Rente spürbar zu stärken.

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