Anlässlich des 60jährigen Jubiläums der Hamburger Arbeitsgerichtsbarkeit dankt der DGB Hamburg den derzeit 374 ehrenamtlichen Arbeitsrichtern in Hamburg, die von den Hamburger Gewerkschaften vorgeschlagen und vom Justizsenator berufen werden. Sie begleiten Arbeitsgerichtsprozesse, beurteilen die vorgetragenen Argumente aus Arbeitnehmersicht und können Einfluss auf den Prozessverlauf nehmen.
„Mit ihrem Blick aus der Praxis des Arbeitslebens leisten sie einen wichtigen Beitrag für die gerechte Urteilsfindung“, sagt Erhard Pumm, Vorsitzender des DGB Hamburg. „Viele ehrenamtliche Richter sind schon viele Jahre im Einsatz und sehr erfahren – sie investieren viel Zeit in eine gute Sache.“
Auch an die Bedeutung des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes erinnert der DGB Hamburg an diesem runden Geburtstag: Während bundesweit die Zahl der Arbeitsgerichtsfälle zurückgeht, blieb sie beim DGB Rechtsschutz GmbH für Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein konstant. In Hamburg betreut der DGB Rechtsschutz es jährlich knapp 2000 Arbeitsgerichtsfälle.
„Die Ursachen für den allgemeinen Rückgang von Arbeitsgerichtsfällen sind im Abbau der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse zu finden, liegen aber auch in der wachsenden Angst vor Auseinandersetzungen mit den Vorgesetzten begründet“, erläutert Peter Klenter, Teamleiter der DGB Rechtsschutz GmbH Hamburg. „Dass es bei der rechtlichen Vertretung von Gewerkschaftsmitgliedern im Norden gleichbleibende Zahlen gibt, zeigt den Wert und die Qualität gewerkschaftlichen Rechtsschutzes. Und gewiss sind
Gewerkschaftsmitglieder auch sensibilisierter für unrechtmäßige Arbeitsbedingungen sowie bereiter, für ihr Recht zu kämpfen, weil sie wissen, dass Gewerkschaften ihnen zur Seite stehen.“
In den vergangenen Jahren lasse sich eine auffällige Veränderung beobachten, so Peter Klenter: „Während die Arbeitnehmer früher im Arbeitsverhältnis etwas verändern wollten und vors Gericht zogen, geht der Trend zunehmend zu nachträglichen Klagen im Anschluss eines beendeten Arbeitsverhältnisses. Das ist ein Indiz dafür, dass Arbeitnehmer heute angesichts der großen Arbeitslosigkeit und Konkurrenz eher resignieren und sagen: In dieser Firma kann ich nichts mehr verändern, aber dann versuche ich mir wenigstens
anschließend eine Kompensation zu holen für die vielen unbezahlten Überstunden oder erlittenen Ungerechtigkeiten.“
Nach wie vor seien es vor allem Kündigungsschutzklagen, die die Arbeitsgerichte beschäftigen, so der Hamburger Chef der DGB-Rechtsschutz-GmbH. „Das Kündigungsschutzgesetz ist quasi das Grundgesetz für Arbeitnehmer“, betont Peter Klenter. „Ohne ordentlichen Kündigungsschutz sind auch alle anderen Arbeitnehmerrechte nicht viel wert, weil man sie sich nicht durchzusetzen traut aus Angst vor dem Rausschmiss. Deshalb ist die derzeitige Debatte um die weitere Aushöhlung des Kündigungsschutzes fatal* – sie verunsichert die Arbeitnehmer weiter und wird absehbar nicht zu mehr Arbeitsplätzen führen, sondern eher zu vermehrten Kündigungen.“
* Die große Koalition plant die Ausdehnung der Probezeit
ohne Kündigungsschutz auf zwei Jahre:
Während eine Kündigung ohne Begründung zum Monatsende bisher nur während der sechsmonatigen Probezeit möglich war, bestünde diese Möglichkeit bei Umsetzung der Koalitionspläne dann 24 Monate lang. Vor dem Hintergrund, dass 50 Prozent der arbeitgeberseitigen Kündigungen in den ersten zwei Jahren ausgesprochen werden, könnte es passieren, dass es unter diesen „erleichterten Bedingungen“ deutlich mehr werden. In Hamburg treten jährlich rund 70 000 ehemals Arbeitslose einen neuen Job an, sie würden künftig zunächst schutzlos gestellt sein.
Erhard Pumm: „So werden Beschäftigte weiter verunsichert und die Konkurrenzen unter Kollegen verschärft: Wer befürchten muss, jederzeit kündbar zu sein, wird eher zu einem willfährigen Mitarbeiter, der sich nach oben duckt und zur Seite hin abgrenzt oder gar tritt. Doch in einem so gestörten Betriebsklima leiden nicht nur die menschlichen Beziehungen, sondern auch die Arbeits-Ergebnisse.“ Zudem werde auch durch diese Maßnahme der Konsum gebremst: „Mit der Angst um seinen Job im Rücken spart man sein Geld lieber,
als dass man’s ausgibt.“