Katja Karger: gegen Niedriglohn in Hamburg helfen nur Tarifverträge
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist nach wie vor gut, der Fachkräftebedarf steigt. Dennoch hat Deutschland einen der größten Niedriglohnsektoren in Europa. Lt. einer DIW-Studie sind inzwischen – unter Berücksichtigung der Teilzeit- und Nebenjobs – bundesweit mehr als 9 Millionen Menschen davon betroffen. Der Bruttolohn von 10,80 Euro ist die nach internationalen Standards in Deutschland geltende Grenze für Niedriglohn.
„Besonders dramatisch ist, dass es inzwischen deutschlandweit mehr als 4 Millionen Menschen gibt, die in einem Vollzeitjob arbeiten, deren Lohn aber nicht ausreicht, um ein auskömmliches Leben zu führen“, so DGB Vorsitzende Katja Karger. In Hamburg waren 2017 im Jahresdurchschnitt 90.734 Menschen in Vollzeit beschäftigt zu Stundenlöhnen von weniger als 10,80 Euro. Das waren 14 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten.
Besonders hoch ist der Anteil bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ohne Berufsabschluss (39 %), mit Migrationshintergrund (38 %) und bei Frauen (17 %), wie die beigefügte Tabelle zeigt.
So viel Prozent der jeweiligen Vollzeitbeschäftigten in Freie und Hansestadt Hamburg erhalten nur Niedriglohn:
Beschäftigte in Vollzeit (VZ) | VZ-Beschäftigte mit Niedriglohn | VZ-Beschäftigte mit Niedriglohn in % | |
INSGESAMT | 648358 | 90734 | 14 % |
Männer | 414686 | 51081 | 13 % |
Frauen | 233672 | 39653 | 17 % |
mit Berufsabschluss | 528071 | 51800 | 10 % |
ohne Berufsabschluss | 45064 | 17506 | 39 % |
Ausländer | 65970 | 23710 | 38 % |
Quelle: Statistik der BA, 2019
Niedriglöhne verstärken soziale Ängste und Unsicherheiten. Sie erschweren die wichtige Vorsorge für das Rentenalter. Zentrale Punkte sind deshalb, den gesetzlichen Mindestlohn perspektivisch auf ein existenzsicherndes Niveau anzuheben und die Tarifbindung zu stärken. Schließlich liegt das Einkommen mit Tarifvertrag bei einer Vollzeitstelle im Schnitt rund 500 – 800 EUR pro Monat höher. Nur noch 45 % der Beschäftigten bekommen laut Statistikamt Nord in Hamburg eine mit den Gewerkschaften ausgehandelte tarifliche Entlohnung.
Beschäftigte sind hier auch selbst gefragt: Mithilfe ihrer Gewerkschaft können sie sich eine Tarifbindung erstreiten. „Vom Himmel fällt der Tarifvertrag nicht. Er muss immer wieder von Gewerkschaftsmitgliedern erstritten und verteidigt werden.“ betont Katja Karger.
Aber auch die Politik ist gefragt: Stärkung der Tarifbindung heißt nämlich auch, Tarifverträge deutlich leichter allgemeinverbindlich erklären zu können, damit sie ausnahmslos in der gesamten Branche gelten und der Konkurrenzkampf über Lohndumping ein Ende hat. Zudem gilt es, Tariftreueregelungen verbindlich in öffentliche Ausschreibungen aufzunehmen. Karger: „Millionen Euro fließen im Auftrag der Stadt jährlich in öffentliche Dienstleistungen, Produkte oder Baumaßnahmen. Hier auf Tariftreue zu achten, ist ein wichtiges Instrument gegen Niedriglöhne und wirkt außerdem dem Kaufkraftverlust entgegen.“