Alle vier Jahre werden in Deutschland Betriebsräte gewählt. Jetzt ist es wieder soweit: Bei den bundesweiten Betriebsratswahlen von März bis Mai entscheiden sich auch die Hamburger Beschäftigten für ihre Interessenvertretungen – sei es im Hafen, in der Kita oder im Call Center.Gut die Hälfte der rund 870.000 Hamburger sozialversicherten Arbeitnehmer arbeitet in einem Betrieb mit einem Betriebsrat.
„Ein Betriebsrat ist nur so stark, wie die Beschäftigten ihn machen. Mitbestimmen heißt wählen gehen“, sagt Katja Karger, die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Hamburg (DGB). Regelmäßig beteiligen sich 70 Prozent der Wahlberechtigten in den Betrieben an den Wahlen. Der DGB Hamburg informiert die Hamburger derzeit mit Faltblättern, Plakaten und Fahrtgastfernsehen in den U-Bahnen über die Betriebsratswahlen.
Beschäftigungssicherung, Pausenregeln, Gleichbehandlung, Arbeitsschutz – Betriebsräte vertreten die Rechte der Beschäftigten im Betrieb. Sie entscheiden mit bei Einstellungen, Entlassungen oder grundlegenden Veränderungen der Betriebsorganisation. Knapp zwei Drittel aller Betriebsratsmitglieder sind in einer Gewerkschaft organisiert. „Gewerkschaften, Betriebsrat und Beschäftigte sind ein starkes Team“, so Karger. Betriebsräte seien Profis für Mitbestimmung und gute Arbeit. „Die Gewerkschaften im Deutschen Gewerkschaftsbund sind dabei ihr Partner: Sie machen Betriebsräte fit in allen wichtigen Rechts- und Wirtschaftsfragen“.
„Studien ergeben immer wieder, dass Betriebe mit einem Betriebsrat die besseren Arbeitsbedingungen haben“, so Karger. Zum Beispiel verdienten Beschäftigte in Betrieben mit Betriebsrat im Durchschnitt über zehn Prozent mehr als in Betrieben ohne Betriebsrat. Auch bei der Gleichbehandlung von Frauen und Männern macht sich diese Arbeit bemerkbar: „In Betrieben ohne Betriebsrat ist die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen um zehn Prozent höher als in jenen mit Betriebsrat“, so die Vorsitzende des DGB Hamburg, die sich selber über sieben Jahre als Betriebsrätin für sichere und gerechte Arbeitsbedingungen eingesetzt hat. Rund ein Drittel der Betriebsräte sind übrigens Frauen.
„Gute Arbeit kommt nicht von allein. Es braucht aktive Betriebsräte“, sagt Kemal Kiremitcioglu, 52 Jahre. Er ist seit 16 Jahren im Betriebsrat und seit drei Jahren stellvertretender Betriebsratsvorsitzender beim Automobilzulieferer Vibracoustic in Harburg.Vergangenes Jahr konnten er und seine Kollegen die Geschäftsleitung davon überzeugen, einen wichtigen Auftrag für den BMW 35UP nach Hamburg zu holen und nicht an das Werk in Tschechien zu vergeben. So haben sie den Standort in Hamburg für die nächsten Jahre gesichert, die Arbeitsplätze erhalten und sogar für 15 neue gesorgt.
Außerdem nimmt er in der Betriebsratsarbeit die tatsächliche Arbeitszeit und die tarifliche Arbeitszeit genau unter die Lupe. „Die Schere geht immer weiter auseinander“, bemängelt Kiremitcioglu. Auch altersgerechte Arbeitsbedingungen, um gesund in die Rente gehen zu können, seien ein wichtiges Thema für seine Arbeit. „Die Gewerkschaften arbeiten mit uns zusammen und stärken uns den Rücken. Gemeinsam erreichen wir eine bessere Interessenvertretung für unsere Belegschaft“, sagt Kiremitcioglu.
„Mitbestimmung muss sein. Wenn es uns Betriebsräte nicht gäbe, hätten wir viele kleine Königreiche in den Kitas, die tun und lassen können, was sie wollen“, sagt Marina Jachenholz, Betriebsratsvorsitzende der Elbkinder Vereinigung Hamburger Kitas. Sie setzt sich erfolgreich für den Gesundheitsschutz in Kitas ein. „Mit dem Programm `Pause für´s Ohr´ entwickeln wir zusammen mit den Beschäftigten Maßnahmen zur Lärmminderung“, so die 50-jährige Erzieherin.
Über 90 Prozent der 170 Beschäftigten des Apple Stores Jungfernstieg haben letztes Jahr bei der Gründungswahl des Betriebsrates ihre Stimme abgegeben. „Die Themen Überstunden und Arbeitszeiten sind für uns besonders wichtig“, sagt Sebastian Thiel, Betriebsratsvorsitzender im Apple Store Jungfernstieg. Er hat mit einem US-Konzern zu kämpfen, der sich schwer mit den deutschen Arbeitnehmerrechten tut. „Dabei müssen wir nicht nur mit der Geschäftsleitung über eine Betriebsvereinbarung verhandeln, sondern auch unsere Beschäftigten darüber aufklären, das Überstunden nie freiwillig sind, auch dann nicht, wenn sie es freiwillig anbieten oder der Chef freundlich darum bittet“, so der 27-jährige Service-Mitarbeiter.
Betriebsräte als ein Instrument der Partizipation stärken nicht nur die Demokratie am Arbeitsplatz, sondern sind auch ökonomisch sinnvoll. Studien belegen in Betrieben mit Betriebsrat einen Anstieg der Produktivität je nach Branche und Betriebsgröße zwischen neun Prozent und 30 Prozent.
Laut der Hans Böckler Stiftung werden 43 Prozent aller Beschäftigten in der westdeutschen Privatwirtschaft von einem Betriebsrat vertreten, im Osten sind es 36 Prozent. Bundesweit gibt es fast 186.000 Betriebsratsmitglieder in rund 28.500 Betrieben.