Beust und die Lebenswerte Stadt: Halbherzig

In der Bürgerschaft hat die GAL dem Bürgermeister halbherziges Handeln bei der Hilfe für benachteiligte Stadtteile vorgeworfen. Außerdem habe er öffentlich falsche Zahlen behauptet.

Claudius Lieven, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der GAL-Fraktion: „Leider ist das soziale Gefälle in Hamburg eine Tatsache. Bis vor kurzem haben Herr von Beust und sein Senat selbst davon geredet und 2007 unter viel Getöse ein Feuerwehrprogramm namens Lebenswerte Stadt gestartet – als der Druck der Öffentlichkeit zu groß wurde. Kürzlich wurden hektisch noch mal 10 Millionen zusätzlich versprochen. Gleichzeitig erklärte von Beust, die soziale Spaltung gäbe es nicht.“

Am Dienstag dieser Woche hat Bürgermeister von Beust zudem behauptet, die CDU gäbe genauso viel Geld für die soziale Stadtentwicklung aus wie Rot-Grün. Tatsache ist: Zum heutigen Stand erreicht der jetzige Senat kaum 40 Prozent.

Noch im Februar 2006 hatte von Beust selbst gesagt: „Es gibt drei bis fünf Stadtteile, die gekippt sind und genauso viele, die zu kippen drohen“. Seine Sozialsenatorin Schnieber-Jastram räumte im September 2006 ein, dass es dreizehn Stadtteile mit besonderen sozialen Problemlagen gäbe. Fakt ist: Es gibt 18 Stadtteile, denen es genauso schlecht geht, wie jenen sechs Stadtteilen, die die CDU für ihr Schmalspurprogramm „Lebenswerte Stadt“ (LSH) ausgewählt hat. In diesen Stadtteilen leben mehr als ein Viertel der Hamburger Bevölkerung und fast ein Drittel der Kinder und Jugendlichen Hamburgs. Die Hälfte aller Kinder, die in Hamburg auf ALG II angewiesen sind, lebt dort – über 27.000. Allein in dem bevölkerungsreichen Stadtteil Billstedt leben über 5.000 Kinder in Armut.

Lieven: „Diese Zahlen sind dramatisch, vor allem weil in den armen Stadtteilen ein großer Teil der Jugend unserer Stadt lebt. Armut führt zu Chancenlosigkeit und Chancenlosigkeit führt zu Armut. Das vertieft die soziale Spaltung, gefährdet den sozialen Frieden und nicht zuletzt unsere Volkswirtschaft. Wir können es uns also nicht leisten, die Potenziale der jungen Menschen unserer Stadt zu vergeuden und müssen den herrschenden Teufelskreis der Armut dringend aufbrechen. Zu diesem Thema hat der Senat in seiner „Talentstadt“ praktisch gar nichts zu vermelden.“

Hinzu kommt: Während die Arbeitslosigkeit insgesamt zurückgegangen ist, ist auch 2007 der Anteil der Menschen weiter gewachsen, die von Arbeitslosengeld II abhängig sind. Bei den Alleinerziehenden sind es 50 Prozent. Auch die Armut in den benachteiligten Stadtteilen hat zugenommen. Ein Viertel der Kinder sind in Hamburg davon betroffen. Der Bildungserfolg der jungen Menschen wird jedoch zu einem sehr großen Teil davon bestimmt, in welchem Umfeld sie aufwachsen. In den reichen Teilen dieser Stadt erreichen fast 60 Prozent der Schüler die Hochschulreife, nur 3 Prozent verlassen die Schule ohne Abschluss – ein Verhältnis von 1 zu 20. In den armen Teilen der Stadt erreichen 19 Prozent die Hochschulreife, 17 Prozent verlassen die Schule ohne Abschluss – ein Verhältnis von nahezu 1 zu 1.

Nach Angaben des Senats würden nach der angekündigten Aufstockung etwa 30 Millionen Euro in die soziale Stadtentwicklung investiert – genauso viel wie von Rot-Grün. Tatsächlich hat Rot-Grün im Jahr 2001 73,2 Millionen Euro für die soziale Stadtentwicklung ausgegeben (vgl. DRS 16-6402). Inklusive LSH erreicht die CDU nicht einmal ein Drittel davon. Mit dem neuerlichen Aufstocken kaum 40 Prozent.

Lieven: „Die CDU erzählt immer wieder eifrig das Märchen vom 100-Millionen-Programm. Wenn man ehrlich wäre, ist es aber nur ein 18-Millionen-Programm.“ Zum Stichtag 31.12.2007 wurden für das ganze Programm LSH 7.535.850 Euro ausgegeben. Bis Ende 2008 insgesamt 18.074.36 Euro. Zuvor wurden jedoch aus dem Bereich über 100 Millionen herausgeholt: 44,4 Millionen bei der Beschäftigungsförderung, 32,1 Millionen bei der Stadtteilentwicklung, 18,7 Millionen bei den Lehrerstellen und 9,6 Millionen bei der Sprachförderung.

Eine ähnliche Lücke klafft bei der Zahl der initiierten Projekte. 94 Projekte hat die CDU in ihren sechs Fördergebieten gestartet. Allein im Bereich der „arbeitsmarktpolitischen Projekte in Gebieten der sozialen Stadtteilentwicklung“ wurden von Rot-Grün genauso viele Projekte gefördert wie in der ganzen LSH-Initiative. Hinzu kamen weitere 200 Projekte, die in der Regie von SteB und Baubehörde KB, UB in den 28 STEP und 19 Sanierungsgebieten gelaufen sind.

Lieven: „Das Programm des Senats in seinen briefmarkengroßen Fördergebieten ist mickrig. Eine ganze Reihe von Brennpunkten wurde völlig vernachlässigt. Jenfeld, Lurup, Neugraben Fischbek, Rothenburgsort, Allermöhe – da läuft fast nichts. Erst jetzt, ein Jahr nach Start des Programms und zwei Jahre nach Start der Vorbereitungen kommt die CDU darauf, dass sie mehr Geld für mehr Projekte in mehr Gebieten braucht. Besser späte Einsicht als keine? Wir sind gespannt, wie lange Herrn von Beust noch darauf beharren wird, eine soziale Spaltung gäbe es in Hamburg nicht.“

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