Frans Timmermans, Erster Vizepräsident der EU-Kommission, suchte am 14. Juli in Berlin den Dialog mit deutschen Gewerkschaften und Arbeitgebern zum EU-Programm „Better Regulation“. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach machte klar: Bürokratieabbau darf nicht zum Vorwand werden, um Arbeitsschutz, Sozial-, Umwelt- oder Verbraucherschutzstandards abzubauen.
Das Programm für „Bessere Rechtsetzung“ („Better Regulation“) solle die Akzeptanz der Menschen für Entscheidungen der EU erhöhen – so erklärte Timmermans das Ziel des Better-Regulation-Ansatzes bei der Veranstaltung „Bessere Rechtsetzung: Dialog mit Wirtschaft und Gewerkschaften“, zu der die Europäischen Bewegung Deutschland (EBD) eingeladen hatte. „Wir dürfen unsere Standards nicht niedriger machen“, griff Timmermans Bedenken gegenüber dem EU-Programm auf. Beim Arbeitsschutz werde Better Regulation nicht zum Abbau von Standards führen.
Buntenbach: Bürokratieabbau darf nicht Vorwand sein, um Arbeitnehmer- und Verbraucherrechte zu blockieren
„Natürlich sind auch wir Gewerkschaften für gute Rechtssetzung. Natürlich unterstützen wir auch Versuche, die Gesetzgebung effizienter und moderner zu machen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. „Wir schauen aber genauer hin, wenn wir sehen, dass Bürokratieabbau als Vorwand genutzt wird, um zum Beispiel Regelungen in den Bereichen Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutz auf den Prüfstand zu stellen oder weitere Rechtssetzung in diesen Bereichen zu blockieren. Wenn also Bürokratieabbau nicht mehr der eigentliche Zweck ist, sondern das Mittel, um bestimmte Standards oder Regelungen anzugreifen.“
REFIT-Programm: Sorge, dass wichtige soziale Standards angegriffen werden
Zum so genannten REFIT-Programm der EU-Kommission, mit dem seit 2012 der gesamte Bestand der EU-Rechtsetzung überprüft und „Fitness-Checks“ unterzogen wird, sagte Buntenbach: „Wir sehen hier mit großer Sorge, dass über dieses Programm wichtige soziale Standards und Errungenschaften angegriffen werden.“ Dabei geht es durchaus bereits jetzt auch um Arbeitsschutz-Standards.
Programme haben Einfluss auf Arbeitsschutz
Im Zusammenhang mit dem REFIT-Programm und den Plänen zum Bürokratieabbau müsse auch die geplante Evaluation des gesamten Bestands an Richtlinien im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gesehen werden, so Buntenbach. „Mit der Evaluation dieser 24 Richtlinien gerät die Modernisierung und damit auch Verbesserung der Rechtsetzung ins Stocken.“ Dabei, so Buntebach weiter, „liegen große Herausforderungen vor uns“.
Drei Beispiele, die zeigen, dass die EU-Vorhaben zum Bürokratieabbau Einfluss auf den Arbeitsschutz haben:
Krebserkrankungen: Die EU-Kommission verschleppt, mit Hinweis auf die REFIT-Überprüfung, die seit 10 Jahren angedachte Reform der veralteten Krebsrichtlinie, die vor arbeitsbedingten Krebserkrankungen schützen soll.
Muskel-Skelett-Erkrankungen: Trotz Handlungsbedarf (allein in Deutschland geht jeder zehnte Krankheitstag von Beschäftigten auf ein Rückenleiden zurück) passiert auch in puncto Verbesserung und Modernisierung der EU-Richtlinie zum Heben und Tragen von Lasten nichts.
Mutterschutz: Sieben Jahre hat die Kommission ihren eigenen Vorschlag für eine bessere Mutterschutz-Richtlinie auf Eis gelegt, seit mehr als zwei Jahren mit der Begründung, es müssten erst „Bürokratie-Fitnesschecks“ durchgeführt werden. Jetzt hat die Kommission den Vorschlag komplett zurückgezogen.