Bankenunion auf schwachen Füßen

Die Bankenunion soll den europäischen Finanzsektor sicherer machen. Die geplanten Sicherungsfonds sind allerdings deutlich zu klein.

Im Juni 2012 einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU auf die Einrichtung einer Bankenunion, im April 2014 hat das Europäische Parlament zugestimmt. Ausschlaggebend waren die Erfahrungen mit der Finanzkrise: Nach dem Lehman-Crash sahen sich viele Regierungen genötigt, Banken mit Steuergeld zu retten. Dadurch stieg die Gefahr von Staatsbankrotten, was über den Wertverlust von Staatsanleihen wiederum die Bilanzen der Banken belastete. Diesen Teufelskreis solle die Bankenunion durchbrechen, schreiben Fabian Lindner, Nicolas Soemer und Thomas Theobald. Die IMK-Forscher bezweifeln allerdings, dass das gelingt. Ihrer Analyse zufolge ist das beschlossene Konzept zwar „ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, denn es gebe nun klarere und einheitliche Regeln zur Abwicklung von Kreditinstituten. Dass nie wieder Steuerzahler für Bankenrettungen einstehen müssen, sei allerdings kaum zu erwarten. Die geplanten Fonds seien nicht ausreichend ausgestattet, zudem werde gegen das Problem zu großer Banken nicht genug unternommen.

Die Bankenunion werde aus drei Komponenten bestehen, erläutern die Ökonomen. Zum einen ist ein einheitlicher Aufsichtsmechanismus geplant. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird nach derzeitigem Stand 128 „bedeutende“ Banken der Euroländer überwachen, deren Bilanzsumme oder grenzübergreifende Aktivitäten ein bestimmtes Maß überschreiten. Die Aufsicht durch die EZB soll dazu beitragen, Schieflagen frühzeitig zu erkennen und Unsicherheiten zu vermeiden, die durch unterschiedliche nationale Rechtsrahmen entstehen können. Im Oktober 2013 wurde bereits eine umfassende Überprüfung der Bankbilanzen gestartet, um einen reibungslosen Einstieg in die Bankenunion zu gewährleisten.

Ein einheitlicher Abwicklungsmechanismus soll der EZB oder nationalen Überwachungsbehörden Eingriffe ermöglichen, wenn Banken in Schwierigkeiten geraten. Die Aufpasser können überschuldete Institute beispielsweise zwingen, Geschäftsbereiche zu veräußern. Oder sie können anordnen, dass Anteilseigner oder Gläubiger sich an einer Rekapitalisierung beteiligen. Falls diese Instrumente nicht ausreichen, soll ein Abwicklungsfonds bereitstehen, dessen Vermögen die Banken selbst aufbringen müssen. Dafür sollen sie abhängig von ihrer Größe und ihrem Geschäftsrisiko Abgaben leisten. Bis 2023 soll der Fonds ein Gesamtvolumen von 55 Milliarden Euro erreichen.

Eine einheitliche Einlagensicherung haben die EU-Staaten bereits 1994 eingeführt. Im Rahmen der Bankenunion sind auch weiterhin nationale Fonds vorgesehen, um Summen bis 100.000 Euro pro Kunde und Institut abzusichern. Dafür sollen bis 2024 über Bankenabgaben Mittel in Höhe von 0,8 Prozent der versicherten Einlagen zusammenkommen.

Die IMK-Wissenschaftler sehen das beschlossene Konzept in mehrfacher Hinsicht kritisch. Besonders die derzeit laufende Bewertung von Bankbilanzen könnte sich nach ihrer Einschätzung als „offene Flanke“ erweisen. Klarheit über Altlasten sei eine zentrale Voraussetzung für das Gelingen der Bankenunion. Die Bestandsaufnahme dürfe also auf keinen Fall politisch weichgespült werden. Für den Fall, dass Schieflagen offenbar werden, wäre mit zusätzlichem Finanzierungsbedarf zu rechnen. Das IMK empfiehlt daher, einen zusätzlichen Sonderfonds für Altlasten durch eine gesamteuropäische Bankenabgabe zu finanzieren. Die Höhe der Abgabe sollte größenabhängig und so bemessen sein, dass Großbanken langfristig Vermögenswerte veräußern und damit schrumpfen müssen. Das systemische Risiko durch Banken, die „too big to fail“ sind, könne so begrenzt werden. In diesem Zusammenhang wären zudem effektive Grenzen für Schulden und für die Geschäftstätigkeit sinnvoll.

Am Abwicklungsmechanismus kritisieren Lindner, Soemer und Theobald vor allem das Volumen des geplanten Fonds. Schon die Krise einer einzigen Großbank könnte die vorgesehenen 55 Milliarden Euro aufzehren: Die maximal mögliche Hilfe in Höhe von 5 Prozent der Bilanzsumme würde allein bei der Deutschen Bank 74 Milliarden Euro betragen. Und dabei seien die Folgewirkungen noch gar nicht eingerechnet, warnen die Autoren. Auch ein Vergleich mit den Vorschriften für amerikanische Banken deute auf eine zu geringe Ausstattung hin: Abwicklungsfonds und Einlagensicherungsfonds zusammen entsprächen in Europa nur 1,8 Prozent der versicherten Gelder, in den USA seien es dagegen 2 Prozent.

Auch was die Befugnisse der Überwacher bei Schieflagen angeht, stünden die USA besser da: Die amerikanischen Behörden hätten bei bestimmten Problemlagen ausdrücklich das Recht, Dividenden oder Managergehälter zu kürzen oder Zahlungen an Gläubiger zu stoppen. Eine vergleichbare Konkretisierung der Eingriffsrechte fehle bislang im Regelwerk der Bankenunion.

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