Mit großem Befremden hat die SPD-Bürgerschaftsfraktion auf die aktuellen Äußerungen des Staatsrats Wersich zum sogenannten Unterschichtenproblem reagiert. „In einem Abendblatt-Interview spricht dieser von ‚fördern und fordern‘, ohne dabei ein zentrales Problem – die Langzeitarbeitslosigkeit – auch nur mit einem Wort zu erwähnen“, kommentiert der SPD Arbeitsmarktexperte Hans-Christoff Dees.
Dees hält dagegen: „Alle Experten wissen, dass Langzeitarbeitslosigkeit mit Armut einhergeht, und dass in der Langzeitarbeitslosigkeit das Kernproblem des deutschen Arbeitsmarktes liegt. Bei dem sogenannten Unterschichtenproblem geht es in Wahrheit auch um die misslungene Reintegration in Arbeit. Gerade aber diesen Bereich hat der Senat zum ‚Sparschwein des Jahrzehnts‘ auserkoren.“ Seit 2002 bis Ende 2008 werden rund 280 Millionen Euro Hamburger Fördermittel eingespart.
Dees weiter: „Die dringende Förderung der Langzeitarbeitslosen ist von Hamburger Seite längst zu Grabe getragen worden.“ Der für hilfsbedürftige Erwerbsfähige zur Verfügung stehende pro-Kopf Förderbetrag sinkt seit 2002 bis 2008 auf ein Zehntel.
„Wenn Staatsrat Wersich sich jetzt in eine besorgte Pose wirft, dann ist das höchst zweifelhaft“, so Dees. „Der Hamburger CDU-Senat zeichnet sich seit Jahren durch großes Desinteresse aus. Trotz der seit Juli detailliert vorliegenden Erkenntnisse über die Probleme mit Arbeitsgelegenheiten wurde nichts unternommen. Offensichtlich funktioniert in Hamburg das System des ‚Förderns und Forderns‘ nicht. Statt nachhaltig mit den Betroffenen an ihren Problemen, Fähigkeiten und Bedürfnissen zu arbeiten und das System zu verbessern hat der Senat aus den 1-Euro Aktivjobs eine funktionsunfähige Massenveranstaltung zu Dumpingpreisen gemacht.“
Die kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Fraktion, Dr. Andrea Hilgers, ergänzt und weist auf das Problem des fatalen Zusammenhangs von Armut und Bildungsarmut hin: „Der Senat hat leider immer noch nicht begriffen, dass jedem Kind das an frühkindlicher Bildung und Betreuung zukommen muss, was seinem individuellen Förderbedarf entspricht, unabhängig von der Lebenslage der Eltern“.
Hilgers kritisiert vor allem auch angesichts von sinkender Kita-Versorgungsgrade in Stadtteilen mit sozialen Problemlagen die Äußerung Wersichs zur Förderung von Kindern aus sozial schwachen Familien.
Hilgers: „Von 2002 bis 2005 sind für Kinder in sozial schwachen Stadtteilen real 10% Krippenbetreuung verloren gegangen, während der Versorgungsgrad in den übrigen Stadtteilen um 23% gestiegen ist. Im Hortbereich sind real 5% verloren gegangen, während der Versorgungsgrad in den übrigen Stadtteilen um 16% angestiegen ist. Im Elementarbereich ist sogar ein Drittel an Ganztagsbetreuung verloren. Hier also von Förderung zu sprechen ist zynisch. Die Kinder in diesen Stadtteilen können nicht warten, sie brauchen jetzt frühkindliche Bildung und Betreuung, sonst sind sie die Risikoschüler/innen von morgen. Sie haben nicht die Zeit, auf die Entfaltung von Elternkompetenz warten. Ihnen und ihren Eltern gebührt gleichzeitig und unmittelbar Förderung und Unterstützung.“
Hilgers Resümee: „Nicht Herrn Wersich wird das Problem noch in 10 Jahren beschäftigen. Aber die Schäden, die er und die Behörde bei diesen Kindern in den letzten Jahren angerichtet haben, die werden uns in Hamburg noch lange beschäftigen.“