Arme Stadtteile profitieren nicht vom Aufschwung

Der konjunkturelle Aufschwung Hamburgs der letzten Zeit geht an den ärmeren Stadtteilen in Hamburg vorbei. Statt von den besseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Hamburgs zu profitieren, bleibt die Situation der ärmeren Stadtteile unverändert problematisch. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls die GAL.

Der Abstand der ärmeren Stadtteile zum Hamburger Durchschnitt wächst bei der Arbeitslosigkeit und bei der Quote der Menschen, die von Hartz IV leben. Die soziale Schere zwischen arm und reich in Hamburg geht auch während des konjunkturellen Aufschwungs weiter auseinander.

„Den Senat interessiert das untere Viertel der Stadt nicht viel. Sein auf nur sechs Stadtteile ausgelegtes Programm der „Lebenswerten Stadt“ ist angesichts der wirklichen Probleme in mindestens 18 Stadtteilen zögerlich, unentschlossen und viel zu klein“, so Claudius Lieven, stadtentwicklungs­politischer Sprecher der GAL Bürgerschaftsfraktion.

Der Senat wollte in den Jahren 2007 und 2008 zusammen zehn Millionen Euro in die Stadtteile Altona-Altstadt, Billstedt, Barmek-Nord, Lohbrügge, Steilshoop und Wilhelmsburg investieren und damit jeweils eines der Probleme in jedem Stadtteil angehen.

Die GAL fordert mit ihrem Programm „Viertel vor“ eine große und konzentrierte Offensive für die benachteiligten Stadtteile Hamburgs – mit 5.000 öffentlich geförderten, gemeinnützigen Jobs, besserer Bildung und Beteiligung sowie umfassendendem Quartiersmanagement.

Die Analyse der GAL belegt, dass es insgesamt in mindestens 18 Stadtteilen kritische soziale Lagen gibt, nicht nur in den sechs Stadtteilen der „Lebenswerten Stadt“. Diese Stadtteile sind Altona-Altstadt, Allermöhe, Billstedt, Dulsberg, Hamm-Süd, Harburg, Hausbruch, Horn, Jenfeld, Lohbrügge, Lurup, Neugraben-Fischbek, Osdorf, Rothenburgsort, Steilshoop, St. Pauli, Veddel, Wilhelmsburg.

Für die Stadtteile Billbrook, Kleiner Grasbrook und Klostertor gilt im Prinzip das Gleiche. Da diese jedoch nur wenig über 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner haben und z.B. nicht über Schulstandorte verfügen, sollten diese im Zusammenhang mit den angrenzenden Stadteilen (Wilhelmsburg, Billstedt, Rothenburgsort) betrachtet werden.

In den aufgeführten Stadtteilen muss Hamburg dringend konzentriert sozialpolitisch eingreifen und viel mehr tun, um die soziale Schere zu schließen. Denn gerade dort sind Kinder und Erwachsene auf eine gut funktionierende soziale Infrastruktur angewiesen. Sie brauchen frei zugängliche Kindergärten, die besten Schulen und die größten Anstrengungen bei der Schaffung von Jobs, um die über Jahre aufgebauten Defizite auszugleichen.

„Unsere Analyse zeigt, dass die Hälfte der 55.000 Kinder aus armen Familien in 18 von 104 Hamburger Stadtteilen leben. Das ist Folge einer verfestigten Arbeitslosigkeit und von Löhnen, die nicht aus der Armut heraus führen. Deshalb ist es falsch, dass der Senat in diesen Stadtteilen nicht gezielt Beschäftigung fördert“, sagt die arbeitsmarktpolitische Sprecherin Gudrun Köncke.

Die GAL-Bürgerschaftsfraktion hat aus verschiedenen Bürgerschaftsanfragen (18/4671; 18/6667; 18/7318; 18/7075; 18/7437; 18/7438), der Stadtteildatenbank und Statistiken der Bundesagentur für Arbeit öffentlich zugängliche Daten für zwölf soziodemografische Parameter analysiert, um die Verteilung der Lebenschancen in der Stadt fassbar zu machen. Von der Zahl der Kinder mit besonderem Sprachförderbedarf, über den Anteil an Schulabbrechern im Stadtteil bis zur Arbeitslosenquote, der durchschnittlichen Wohnraumgröße und dem Anteil an Hartz IV- Bedarfsgemeinschaften wurden Faktoren untersucht, die Benachteiligung kennzeichnen.

Als sozial kritisch wurden Stadtteile bewertet, in denen nicht nur materielle Armut messbar ist, sondern in denen viele der sozialen Probleme zusammen kommen. Dazu wurden die Werte der zwölf Parameter für alle Stadtteile in eine Rangfolge gebracht und der daraus resultierende durchschnittliche Rangwert berechnet (ähnlich einer Durchschnittsnote). Die sich daraus ergebende Rangfolge veranschaulicht die soziale Lage in den Hamburger Stadtteilen.

Besonderes Augenmerk legt die Analyse auf die soziale Lage von Kindern und Jugendlichen, hierfür sind Faktoren wie der Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss pro Stadtteil, die Anzahl der Kinder mit besonderem sprachlichen oder pädagogischen Förderbedarf, der Anteil arbeitsloser Jugendlicher oder der Anteil ALG II-abhängiger Kinder ausgewertet worden. Die Analyse zeigt, dass bestimmte Probleme eng zusammenhängen. „Arbeitslosigkeit und Armut der Eltern gehen mit hohem Förderbedarf und hohen Schulabbrecherquoten Hand in Hand“, so Lieven.

Kinderarmut: Die Analyse zeigte, dass in elf Stadtteilen (Horn, Hamm-Mitte, Harburg-Kerngebiet, Rothenburgsort, Wilhelmsburg, Billstedt, Jenfeld, Veddel, Dulsberg, Kleiner Grasbrook), mehr als ein Drittel aller Kinder von ALG II, (209 Euro pro Monat) abhängig ist. Allein in Billstedt sind dies 5.141 Kinder.

Beschäftigung: In 13 Stadtteilen (St.Pauli, Harburg-Kerngebiet, Klostertor, Steilshoop, Hausbruch, Horn, Dulsberg, Billstedt, Jenfeld, Wilhelmsburg, Billbrook, Veddel, Kleiner Grasbrook) sind mehr als 30 Prozent der Bevölkerung von ALG I und/oder ALGII abhängig. In diesen Stadtteilen liegt der kumulierte ALGI und ALG II Wert über dem Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. „Mindestens diese dreizehn Stadtteile sind bereits gekippt“, so Lieven.

Schulabbrecher und besonderer Förderbedarf: In zehn Stadtteilen (Niendorf, Wilhelmsburg, Rothenburgsort, Veddel, Billstedt, St.Pauli, Lohbrügge, Hamm-Mitte, Barmbek-Süd, Altona Altstadt, Neugraben-Fischbek) beträgt der Anteil der Schüler, die die Schule ohne Abschluss verlassen, mehr als 20 Prozent. Von den insgesamt 1526 Kindern, für die ein besonderer sprachlicher oder pädagogischer Förderbedarf festgestellt wurde, leben 881 (57%) in nur 15 Stadtteilen (Harburg, Neugraben-Fischbek, Steilshoop, Altona-Altstadt, Allermöhe, Farmsen-Berne, Bramfeld, Wandsbek, Heimfeld, Bergedorf, Rahlstedt, Jenfeld, Horn, Billstedt, Wilhelmsburg).

Die GAL bewertet die soziale Lage in den Stadtteilen Osdorf, Lohbrügge und Allermöhe ebenfalls als kritisch, obgleich sie im Ranking der zwölf Parameter nicht unter den ersten 18 liegen, dafür liegen hier die jugendspezifischen Indikatoren so hoch, dass eine Intervention angezeigt ist.

Insgesamt muss festgestellt werden, dass für Hamburg eine differenziertere Analyse auf der Basis der Ortsteile und mit weiteren Parametern erforderlich ist, da besonders große Stadtteile (z.B. Rahlstedt = 85.644 Einwohner, Bramfeld 60.565 Einwohner) als ganzer Stadtteil nur unzureichend aufgeschlüsselt werden und für Dimensionen wie die gesundheitliche Lage keine Daten verfügbar waren. Dies war für die GAL mit „Bordmitteln“ jedoch nicht leistbar.

Die Behörde für Soziales und Familie hat dies, obgleich es ihr möglich wäre, im kürzlich vorgestellten Lebenslagenberichtet nicht geleistet, sondern sich mit der Aufschlüsselung eines Teils der hier analysierten Parameter auf Bezirksebene begnügt.

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