Gegenüber der WELT hat sich der Bürgermeister als Architekturkritiker geriert. Das geplante gläserne Gebäude auf dem Domplatz sei sehr schön, sagt er, und das würden die Menschen dann später schon einsehen. Und weiter: „Neue Architektur erweckt Widersprüche. Denken Sie beispielsweise an die Entwicklung des Centre Pompidou in Paris. Gegen seine gewagte futuristische Architektur im klassischen Markt-Viertel hat es anfänglich große Widerstände gegeben. Inzwischen wird diese Kombination aus Standort und Design durchweg positiv gesehen.“ Stimmt – aber das war vor 35 Jahren, und an einem seinerzeit wenig repräsentativen Standort. Und es war das Centre Pompidou, und kein aufgemotztes Autohaus.
Der Bürgermeister setzt aber auch gleich noch die Parlamentarier unter Druck: Sollte eine Fraktion dagegen sein, werde es das Bürgerschaftsforum nicht geben. Er erwarte eine Einigung der Fraktionen darüber, ob Parlamentsteile in den Glaswürfel am Domplatz umziehen oder nicht. Am Nutzungskonzept und an der Architektur will von Beust aber nichts mehr ändern.
Wie berichtet, kritisieren SPD und Grüne das 40 Millionen Euro teure Projekt. Sie wollen nicht in das multifunktionale Gebäude einziehen, das neben dem Bürgerschaftsforum auch ein Literaturzentrum, die Zentralbibliothek und ein Archäologiemuseum enthalten soll.
Derzeit finden im Stadtentwicklungsausschuß Sachverständigenanhörungen statt, obgleich der Senat den Bau des Glaspalasts längst beschlossen hat, ohne allerdings bisher die Haushaltsmittel dafür zu haben. Bisher hat sich keiner der befragten externen Sachverständigen irgendwie positiv zu dem Entwurf geäußert. Im Gegenteil: Das Wortprotokoll der Anhörung, das hh-heute.de vorliegt, strotzt von beißender Fachkritik.
Von Beust glaubt nicht, daß das Bürgerschaftsforum gegen den Willen der Fraktionen durchzusetzen ist: „Wenn eine Fraktion nicht will, dann muß das Projekt ohne diesen Umzug verwirklicht werden“, sagt er der WELT. Das wäre zwar bedauerlich, da die Räume im Rathaus knapp werden und es bei Anhörungen schon jetzt teilweise Platzprobleme gibt. Aber die Entscheidung für den Umzug müßte einvernehmlich fallen. „Sonst muß sich der Investor um andere Nutzer oder Mieter bemühen. Die würde er für diesen hervorragenden Standort mit Sicherheit finden.“
Das Grundprinzip der Nutzung hält der Bürgermeister für richtig: „Dort eine architektonische Perle zu schaffen, wo die Hamburger Öffentlichen Bücherhallen ihr Zentrum finden und sich Literaten präsentieren können, paßt genau zu diesem Standort. Das Grundprinzip der Nutzung ist durchdacht und völlig in Ordnung.“ Dass es gerade eine für viele Millionen neu errichtete Zentralbibliothek am Hühnerposten und damit ebenfalls in zentraler Lage gibt, ficht den Bürgermeister offenbar nicht an.