Nach jahrelangem Hickhack ist es so weit: Glasflaschen sollen auf dem St.Pauli-Kiez verboten werden. Innensenator Ahlhaus (CDU) hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der das Mitführen und den Verkauf von Glasflaschen an Kiosken und Imbissen in großen Teilen St. Paulis verbietet. Insbesondere die SPD ghatte dies seit Jahren gefordert, um die vielen Gewalttaten rund um die Reeperbahn einzudämmen.
Auch Ahlhaus gab jetzt als Begründung an, damit solle die Zahl der Straftaten, die mit Glasflaschen verübt werden, reduziert werden. Die Regelung soll zunächst vier Jahre lang von Freitagabend bis Montagmorgen sowie in den Nächten vor und nach Feiertagen jeweils von 22 bis 6 Uhr gelten. Wer dagegen mehrfach verstößt, kann mit bis zu 5000 Euro Geldstrafe rechnen.
Die SPD-Fraktion Hamburg-Mitte dokumentiert nicht völlig hämefrei das Versagen des Innensenators
Die Zahl der Körperverletzungen mit Glasflaschen ist in den vergangenen Jahren rasant angestiegen. Deshalb hatte die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte auf Inititiave der SPD mehrfach das Verbot von Glasflaschen auf dem Kiez gefordert, war aber bisher stets am Widerstand des Innensenators gescheitert. Deshalb dokumentiert die SPD jetzt das Versagen der Innenbehörde im Kampf für ein Glasflaschenverbot:
Bereits im Dezember 2007 hat die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte auf Initiative der SPD sich für ein Flaschenverbot auf dem Kiez ausgesprochen. In dem damaligen Beschluss hieß es u.a.: „So dürfte der Appell an den Einzelhandel freiwillig auf den Verkauf von Alkohol zu verzichten weitestgehend ohne Wirkung bleiben. Das alternativ für die Zeit nach Mai 2008 diskutierte völlige Verbot des Alkoholkonsums unter freiem Himmel schießt dagegen übers Ziel hinaus.“
Damals antwortete die Innenbehörde mit Rückendeckung des Innensenators: „Im Ergebnis ist die Behörde für Inneres zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Reduzierung von Glasflaschen vorrangig durch niedrigschwellige Maßnahmen verfolgt werden sollte. Hierzu gehört auch die mit verschiedenen Verbänden getroffene Vereinbarung, Glasfalschen soweit wie irgend möglich aus dem Verkaufssortiment der Geschäfte im Bereich St. Pauli zu entfernen…“
Von Anfang an stellte sich aus Sicht der SPD-Fraktion und der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte die Frage, warum der Handel freiwillig darauf verzichten sollte, wenn er zugleich einen erheblichen Teil seiner Einnahmen durch den Verkauf von solchen Glasflaschen erzielt. Tatsächlich hat das Verhalten und vorgehen der Innenbehörde eine Lösung verschleppt.
Damals wich bereits die Einschätzung der Gesetzeslage durch die Bezirksversammlung von der der Innenbehörde ab. Die Bezirksversammlung war bereits der Rechtsauffassung, es sei möglich „im Wege einer Gefahrenverordnung nach § 1 Absatz 1 des SOG ein Verbot für den Verkauf von Glasfalschen in den Nächten von Donnerstag/Freitag bis Samstag/Sonntag jeweils ab 22 Uhr in Kraft zu setzen.“ Zugleich forderte die Bezirksversammlung: „Das Verbot ist zeitnah zum 1. Januar 2008 in Kraft zu setzen. Gastronomiebetriebe sind insoweit zu verpflichten, sicher zu stellen, dass Glasflaschen nur im Rahmen genehmigter Außengastronomie in den öffentlichen Raum gelangen.“
Dagegen hielt die Innenbehörde im Januar 2008 noch ein solches Vorgehen für nicht möglich. Es heißt in der Antwort: „Ein Verbot des Verkaufs von Glasflaschen ist in der Behörde für Inneres im Zusammenhang mit der Waffenverbotsverordnung geprüft worden. (…) Ein Verbot des Glasflaschenverkaufs ist als Eingriff in Art. 2 (1) und 12 Grundgesetz zu werten und bedarf entsprechender Grundlagen hinsichtlich der Zuordnung von Verantwortlichkeiten, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit.“
Inzwischen – 15 Monate später – ohne das eine einzige der von der Innenbehörde angedachten Maßnahmen Früchte getragen hat, hat die Innenbehörde ich die Rechtsauffassung der Bezirksversammlung zu eigen gemacht und strebt ihrerseits ein Glasflaschenverbot an. Mit einer fundierteren Prüfung seitens der Innenbehörde hätte man auch bereits im Dezember 2007 zu einer vernünftigen Lösung – nämlich der vom Bezirk Mitte vorgeschlagenen – kommen können. Jetzt folgt der Innensenator dem Weg der Bezirksversammlung Mitte, tut aber so als wäre er niemals vorher mit der Forderung aus Mitte konfrontiert worden.
Der SPD Fraktionsvorsitzende Hansjörg Schmidt kommentiert das nun durch die Innenbehörde geplante Flaschenverbot auf der Reeperbahn aufgrund der Vorgeschichte kurz und knapp mit den Worten: „Das fordern wir seit langem. Hätte der Innensenator schon damals auf uns gehört, hätte es weniger Verletzte gegeben. Seine späte Einsicht kann zumindest künftige Opferzahlen reduzieren.“
LINKE : Kein Flaschenverbot auf der Reeperbahn
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion Christiane Schneider kritisiert das geplante Flaschenverbot auf der Reeperbahn: „Ich halte das Verbot für unverhältnismäßig, es liefert einen zusätzlichen Anlass für verdachtsunabhängige Kontrollen. Gewalt lässt sich ohne Ursachenforschung und daran anschließende zielgerichtete Maßnahmen nicht wirkungsvoll und nachhaltig eindämmen.
Es gibt verhältnismäßigere und sinnvollere Maßnahmen, die zur Entspannung der Situation auf der Reeperbahn beitragen können. Jugendliche nannten im Rahmen von Jugend im Parlament das Gedränge auf den nördlichen Gehweg der Reeperbahn als eine Ursache für die aggressive Stimmung. Sie machten den Alternativvorschlag, die stadtauswärts führenden Spuren der Reeperbahn für Autos zu sperren, um mehr Platz schaffen und damit die Aggressivität zu senken. Solche Vorschläge werden zwar angehört, aber leider nicht ernsthaft in Betracht gezogen.“
GAL: Keine Flaschen auf dem Kiez
Möller und Müller: „Initiative unvermeidbar und folgerichtig – Pappbecher statt Glasflasche“
Die GAL-Bürgerschaftsfraktion hat ein Flaschenverbot auf dem Kiez als unvermeidbar und folgerichtig bezeichnet. Die Selbstverpflichtung der Geschäfte, freiwillig auf Glasflaschen zu verzichten, sei an eine Grenze gestoßen, weil sich nicht alle daran beteiligten, sagte die innenpolitische Sprecherin der GAL-Bürgerschaftsfraktion, Antje Möller, am Montag in Reaktion auf eine von der Innenbehörde vorgestellte Initiative. Dadurch sei auch der durch die Selbstverpflichtung bislang erreichte Rückgang der Überfälle mit Glasflaschen gefährdet.
„Der Schwenk zu einem Verkaufs- und Mitführverbot von Glasflaschen fordert von der Kiez-Gastronomie zwar einige Umstellungen, ist aber zur Vermeidung von Gewalttaten in den Wochenendnächten notwendig.“ Wichtig ist für Möller, dass das Glasflaschenverbot den Spaß am Reeperbahnbummel nicht verdirbt: „Wer mit einer Glasflasche angetroffen wird, dem soll nicht als erstes der Bußgeldbescheid entgegengestreckt werden, sondern der Pappbecher zum Umfüllen. Erst bei Uneinsichtigkeit sollen Bußgelder verhängt werden“, sagte Möller.
Farid Müller, justizpolitischer Sprecher der Fraktion, sagte: „Weil auf dem Kiez Glasflaschen weiter als Waffe missbraucht werden, müssen wir handeln. Ich werde mich aber dafür einsetzen, dass die Bürger St. Paulis von dieser Regelung in Ihrem Alltag nicht beeinträchtigt werden.“
SPD-Bürgerschaftsfraktion
„Mehr als überfällig“: Nach einem Jahr Zögern und Zaudern kommt nun das Glasflaschenverbot für den Kiez
Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat die heutigen Ankündigungen zum Glasflaschenverbot auf St. Pauli als „mehr als überfällig“ bezeichnet. „Die Selbstverpflichtung war von Anfang an eine Farce. Dass Senator Ahlhaus diese heute immer noch lobt, ist kaum nachzuvollziehen. Hätte er sich an seine eigenen Zusagen gehalten, könnte das Verbot schon seit fast einem Jahr greifen. Stattdessen hat er sich über so viele Monate von einigen Lobbyisten hinhalten lassen“, so die SPD-Innen- und Stadtentwicklungsexperten Andreas Dressel und Andy Grote, die das Abwarten des Innensenators angesichts der dramatisch hohen Verletzungsgefahr mit Glasflaschen auf dem Kiez als „geradezu grobfahrlässig“ kritisierten.
Anfragen und Recherchen der SPD-Fraktion hatten bereits im letzten Herbst herausgearbeitet, dass bei gefährlichen und schweren Körperverletzungen auf St. Pauli zu einem Drittel Glasflaschen eingesetzt werden. „Ahlhaus hat viel zu lange auf eine Selbstverpflichtung gesetzt, die weitestgehend wirkungslos ist. Und er hat sich viel zu lange nicht getraut, klar Position zu beziehen und entsprechend zu handeln“, sagte Grote. „Die Zeit der letzten Chancen war eigentlich schon im letzten Jahr abgelaufen.“ Dressel betonte, dass Senator Ahlhaus im letzten Jahr – teilweise noch als Innenstaatsrat – ein schnelleres Durchgreifen angekündigt habe: „Das alles war kein Ruhmesblatt für den Innensenator, dem die Kiez-Sicherheit angeblich immer so am Herzen liegt.“
Die SPD-Fraktion hatte den Senat schon im letzten Jahr mehrfach aufgefordert, den Verkauf von Glasflaschen auf St. Pauli im kritischen Zeitfenster (an Wochenenden zwischen 20.00 Uhr und 8.00 Uhr) zur Gefahrenabwehr per Verordnung zu verbieten.
Für so etwas werden die Politiker also bezahlt. Wo soll das noch hinführen? Anstatt für solche Idioten die Strafen zu verschärfen, kommt ein sinnloses Verbot. Wer gewalttätig sein möchte, wird nicht auf eine Glasflasche angewiesen sein… irgendwann werden mitgebrachte Butterbrote verboten.