An großen Worten mangelt es ihm nicht: „UN-Konvention erzwingt Wende in der Schulpolitik“, tönt SPD-Bildungsexperte Ties Rabe. Hintergrund: Behinderte Kinder haben seit gestern das Recht zum Besuch einer Regelschule, weil gestern in Deutschland das „UN-Abkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ in Kraft getreten ist. Was Rabe offenbar übersieht: Die Integrationbehinderter Kinder hat bereits Schulsenatorin Raab (SPD) verwirklicht, der Rest steht im neuen Schulgesetz.
Schulexperte Rabe geht das alles nicht weit genug: „Das Völkerrechtsabkommen hat erhebliche Auswirkungen auf die Hamburger Schulpolitik. Es besteht seit gestern für alle behinderten Kinder in Hamburg ein Rechtsanspruch, eine allgemeine Hamburger Schule zu besuchen.“ Rabe forderte den Senat auf, Schulgesetz und Schulorganisation umgehend auf die neuen rechtlichen Verhältnisse einzustellen: „Die UN-Konvention wurde bereits 2006 unterzeichnet, Hamburg hatte lange genug Zeit, sich darauf einzustellen.“ Für die SPD kündigte er einen eigenen Vorstoß an.
Ties Rabe: „Schulsenatorin Goetsch wollte den Ausbau der Integration auf die nächste Legislaturperiode verschieben. Das geht jetzt nicht mehr. Das UN-Abkommen gibt behinderten Kindern einen klaren Rechtsanspruch zum Besuch einer allgemeinen Regelschule. Erste Klagen von Eltern werden bereits vorbereitet. Statt die Eltern auf den langen Weg durch die Gerichte zu schicken, muss die Schulbehörde jetzt handeln. Rabe weiter: „Schulorganisation und derzeitige Planungen verstoßen klar gegen die UN-Konvention.“
Gestern hatte die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung Karin Evers-Meyer in einem Interview mit dem Deutschlandfunk die rechtlichen Auswirkungen erklärt: „Durch die Unterzeichnung der UN-Konvention hat Deutschland sich verpflichtet, jedem behinderten Kind den Besuch von Regelschulen zu ermöglichen. Die UN-Konvention vermittelt nun erstmals diesen Rechtsanspruch. Wir müssen unser Schulsystem so ändern, dass es auch für behinderte Kinder offen steht.“
Rabe: „Hamburg war einst Vorreiter bei der Öffnung der allgemeinen Regelschulen für behinderte Kinder. Doch seit Jahren geht es in diesem Bereich nicht mehr vorwärts. Noch immer gehen 6.521 Kinder (Schuljahr 2008/09) in Hamburg auf 39 Sonderschulen, das sind 4,7 Prozent der rund 141.000 Schüler der Klassen 1 bis 10.“ Zum Vergleich: Im Schuljahr 2007/08 besuchten mit 6.725 der 142.238 Schüler der Klassen 1-10 ebenfalls rund 4,7 Prozent eine Sonderschule. Demgegenüber nehmen insgesamt 67 allgemeine Regelschulen behinderte Kinder in 271 Integrationsklassen und Kinder mit Lernschwierigkeiten in 326 Integrativen Regelklassen auf. Insgesamt besuchen damit rund 2.500 Kinder mit Förderbedarf die allgemeinen Regelschulen.
Genauere Zahlen will Ties Rabe jetzt mit einer Kleinen Anfrage in Erfahrung bringen: „Vermutlich gehen knapp zwei Drittel aller Kinder mit Förderbedarf in Hamburg auf Sonderschulen. Das ist ein klarer Verstoß gegen Buchstabe und Geist der UNO-Konvention.“
Rabe weiter: „Die Hamburger Erfahrungen in den Integrations- und Integrativen Regelklassen zeigen, dass Kinder mit Behinderungen an normalen Schulen wesentlich besser lernen und die anderen Kinder dadurch überhaupt nicht beeinträchtigt werden.“
Die SPD will jetzt mit einem eigenen Programm die Umsetzung der UN-Konvention in Hamburg voranbringen. Ties Rabe: „Wir fordern
1. den Rechtsanspruch auf den Besuch einer allgemeinen Regelschule umgehend im Hamburger Schulgesetz zu verankern
2. die Integrationsangebote von 47 auf 100 Hamburger Grundschulen in den nächsten zwei Jahren zu verdoppeln
3. im gleichen Zuge die bestehenden Sprachheil- und Förderschulen auslaufen zu lassen
4. die dadurch an den Sprachheil- und Förderschulen freiwerdenden Lehrer an den Grundschulen sowie den REBUS-Beratungsstellen einzusetzen
5. den zügigen Umbau des Hamburger Schulsystems.
Der jetzt vorbereitete Entwurf für ein neues Schulgesetz reicht nach Meinung des SPD-Abgeordneten nicht aus. Darin heißt es: „Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben das Recht, allgemeine Schulen zu besuchen, und sie haben einen Anspruch auf integrative sonderpädagogische Förderung. Sie werden in Regelklassen unterrichtet, soweit nicht aus inhaltlichen oder organisatorischen Gründen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel eine gesonderte Förderung in Lerngruppen mit sonderpädagogisch ausgerichtetem Unterricht erforderlich und zweckmäßig oder von den Sorgeberechtigten gewünscht ist.“
Rabe: „Diese Einschränkung gehört gestrichen. Es muss heißen: „Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben das Recht, allgemeine Schulen zu besuchen, und sie haben einen Anspruch auf integrative sonderpädagogische Förderung. Sie werden in Regelklassen unterrichtet. Ausnahmen darf es nur in schwersten Fällen geben.“