Warteschleifen nach dem Turbo-Abitur

Zwei Klassenstufen gleichzeitig werden Ende des nächsten Schuljahres 2010 das Abitur ablegen und die Schule verlassen. Grund ist die vom ersten Beust-Senat unter Federführung von Senator Lange (FDP) beschlossene Verkürzung der Schulzeit an Hamburgs Gymnasien. Für die SchülerInnen gibt es weder genügend Studien- noch Ausbildungsplätze.

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion fordert jetzt in einem Antrag energische Anstrengungen vom Senat, damit Hamburgs Schülerinnen und Schülern nach dem Turbo-Abitur nicht auf der Straße stehen. Der Schul-Experte der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Ties Rabe: „Obwohl seit 2003 bekannt ist, dass 2010 doppelt so viele Abiturienten Hamburgs Gymnasien verlassen werden, hat der Senat kaum Vorkehrungen getroffen. In dieser Ausnahmesituation müssen dringend mehr Studienplätze, mehr Ausbildungsplätze und Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen werden. Mit unserem Antrag wollen wir entsprechende Maßnahmen auf den Weg bringen.“

Nach Einschätzung der SPD wird die Zahl der Abiturientinnen und Abiturienten an Hamburgs Gymnasien im nächsten Sommer von bislang rund 6.300 (6.357 im Jahr 2008) um mehr als 6.000 auf 12.100 bis 12.800 Schüler ansteigen. Für den Ansturm von über 6.000 zusätzlichen Schülern fehlen jedoch Studienplätze, Ausbildungsplätze und Ausbildungsmöglichkeiten. Zudem folgen in den nächsten Jahren zahlreiche andere Bundesländer dem Hamburger Beispiel, so dass sich die Situation nicht entspannen wird. Bereits 2011 folgt der doppelte Abiturjahrgang aus Niedersachsen. Und nicht nur Hamburgs Abiturientinnen und Abiturienten, insbesondere auch Schüler mit Haupt- und Realschulabschluss werden die Leidtragenden sein.

Ties Rabe: „34 Prozent der Hamburger Abiturienten beginnen sofort nach der Schulzeit ein Studium in Hamburg. Das bedeutet gegenüber dem Jahr 2008 wenigstens 1.950 zusätzliche Studienplatzbewerber im Jahr 2010. Tatsächlich sehen die Planungen des Senats seit 2007 gerade einmal 211 zusätzliche Studienplätze vor. Wir fordern deshalb zum Wintersemester 2010/2011 2.000 zusätzliche Studienplätze an den staatlichen Hamburger Hochschulen. Die Mehrkosten von ca. 50 Mio. Euro für vier Jahre können durch Mittel des Hochschulpakts und Komplementärmittel der Behörde für Wissenschaft und Forschung finanziert werden. Wegen weiterer Doppeljahrgänge aus den anderen Bundesländern sollten auch in den Folgejahren mehr Studienplätze angeboten werden.“

Die SPD will darüber hinaus prüfen lassen, ob die beiden Abiturprüfungen am achtstufigen Gymnasium (G8) und am neunstufigen Gymnasium (G9) bzw. an der neunjährigen Gesamtschule auseinander gezogen werden können. Das G9-Abitur könnte so vorgezogen werden, dass die Schülerinnen und Schüler bereits zum Sommersemester 2010 mit dem Studium beginnen können. Ties Rabe: „Der Ansturm zum Wintersemester könnte so deutlich verringert werden.“ Im Falle eines Vorziehens des G9-Abiturs müssen bereits zum Sommersemester 2010 zusätzliche Studienplatzkapazitäten an den staatlichen Hamburger Hochschulen geschaffen werden.

Einen Engpass befürchtet die SPD-Fraktion auch auf dem Ausbildungsmarkt. Die Wirtschaftskrise verstärkt diese Probleme. Der Verdrängungswettbewerb wird vor allem Jugendliche mit schwachem Realschulabschluss treffen. Ties Rabe: „Wir wollen, dass der Senat gemeinsam mit dem „Aktionsbündnis für Bildung und Beschäftigung Hamburg“ eine Kampagne für mehr Ausbildungsplätze startet. Dabei sollen vor allem Betriebe, die bisher nicht ausgebildet haben, angesprochen werden. Das Aktionsbündnis soll zudem für den „Ausbildungsbonus“ werben, ein Förderprogramm der Bundesregierung, das mit 450 Mio. Euro Fördermitteln bis 2010 mehr als 100.000 zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen soll. Auch die „Arbeitsstiftung Hamburg“, die mit 94 Schulen und 75 Unternehmen kooperiert und Hauptschülern Ausbildungsplätze vermittelt, soll ausgebaut werden.“ Zudem sollte das „Hamburger Ausbildungsprogramm“ für Jugendliche mit schlechten Startchancen bis 2011 verlängert und deutlich aufgestockt werden. Weiterhin sollte das „Sofortprogramm Ausbildung“ für Jugendliche, die im aktuellen Ausbildungsjahr keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, auch für das Jahr 2010 mit bis zu 1000 Plätzen aufgelegt werden.

Als dritte Säule sollten mehr Angebote in der beruflichen Bildung geschaffen werden. Hier fordert die SPD, 200 zusätzliche Plätze in den vollqualifizierenden Berufsfachschulen zu schaffen und ergänzend zum bestehenden Angebot zweijähriger Assistenzberufe weitere vierjährige Bildungsgänge einzuführen, die einen Assistenzberuf mit der allgemeinen Hochschulreife verbinden. Darüber hinaus sollte die Anzahl der Ausbildungsplätze der Fachschulen für Erzieherinnen und Erzieher deutlich erhöht werden, um den schnell aufwachsenden Bedarf abdecken zu können. Auch die Kapazitäten für den Bachelor-Studiengang „Bildung und Erziehung in der Kindheit“ an der „Hochschule für Angewandte Wissenschaften“ (HAW) sind deutlich auszubauen.

Ties Rabe: „Die sogenannte „G8-Reform“ mit der Verkürzung der Schulzeit an den Gymnasien war bislang ein typisches Beispiel für viele Hamburger Schulreformen. Nach dem Motto „Learning by doing“ wurde eine fixe Idee ohne ausreichende Planung und Vorbereitung an Schülerinnen und Schüler ausprobiert. Es darf nicht sein, dass der erste Jahrgang dieser Schülerinnen und Schüler jetzt nach acht Jahren „Probierzeit“ seinem Schicksal überlassen wird. Der Senat muss sich seiner Verantwortung stellen und handeln. Unser Antrag zeigt, dass es dafür noch genügend Möglichkeiten gibt.“

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