Training für die „Stimme der Vernunft“

Die Frage bewegt: Wie gewinnt man die Sympathisanten rechtspopulistischer Ideen und Parteien für Mitbestimmung und Demokratie erfolgreich zurück? Allein bei der letzten Bundestagswahl waren das sechs Millionen Wähler. Drei Tage lang diskutierten gut 120 Betriebsräte, Vertrauensleute, Bildungsreferenten sowie weitere aktive Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter bei der Arbeitstagung  Bildung 2019 der IG BCE in Bad Münder über diese Frage.

Im Mittelpunkt stand ein sogenanntes Basistraining, das die Teilnehmer und Teilnehmerinnen mit Mitteln des Improvisationstheaters für die Überzeugungsarbeit im betrieblichen Alltag fit machen sollte.

Dabei ging es auch schon mal laut zu. Schließlich wurde geprobt, wie sich die „Stimme der Vernunft“ endlich wieder Gehör verschaffen kann, um im Betrieb, im Stadtteil oder am Stammtisch die politische Lufthoheit zurück zu erobern. Vier Workshops standen auf dem Programm: Umgang mit Aggressionen, kreatives Handeln, Diskussionen auf Augenhöhe und Geschichten erzählen, die gemeinsame Werte erlebbar machen.

Zur Einstimmung auf die Tagung hatte Petra Reinbold-Knape, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der IG BCE, am Mittwoch an die Kollegen appelliert, „als waschechte Demokraten Haltung zu zeigen“ und nicht den Rechtspopulisten die öffentliche Meinung zu überlassen. Aufgabe sei es, sich mit dem notwendigen Rüstzeug auszustatten, um den Gedanken der Demokratie verteidigen zu können. Sie erinnerte an die gemeinsamen Werte der Gewerkschaften – Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität – und zitierte den Bundespräsidenten, der kürzlich in einer Rede „vor einer Zersetzung der Vernunft als Anfang der Zersetzung der Demokratie“ gewarnt hatte. Den Rechtspopulisten warf sie vor, als „große Vereinfacher“ zu agieren. „Warum hat es Wahrheit in diesen Tagen so schwer?“

Susan Neiman, Direktorin des Einstein Forums in Potsdam, empfahl als Gastrednerin den Gewerkschaftern  Europa zu loben: „Loben Sie das Erreichte!“ Dazu gehörten auch die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte, die die Gewerkschaften in Deutschland erstritten hätten. „Wenn ich in Amerika vom Bildungsurlaub rede, ernte ich ein Lächeln.“ Denn in ihrem Heimatland gebe es noch nicht einmal ein Recht auf Urlaub.

Seit Längerem wirbt die Philosophin dafür, gemeinsame Werte, wie Würde und Solidarität, neu zu definieren, zu ihnen zu stehen und sie nicht als Schall und Rauch abzutun. Es gebe moralische Bedürfnisse, die man befriedigen sollte, bevor es Fundamentalisten tun.

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