Stimmung machen mit Umfragen

Beliebt, gern gelesen und noch lieber manipuliert: Umfragen per Mausklick. Wie fragwürdig die Ergebnisse sind, lässt sich manchmal nachvollziehen. Hier ein Versuch.

Das Abendblatt fragte Freitag: Sind Sie für die Schulreform, oder sind sie dagegen? Heute ist zu lesen: 4325 Leser haben angeblich abgestimmt, 71 % mit Nein, 29 % mit Ja.

4325 Leser – oder 4325 Klicks? Jeder halbwegs informierte Internetnutzer weiß inzwischen, wie man bei Umfragen mehrfach abstimmen kann: Cookies löschen, Seite neu laden, und schon kann man ein weiteres mal dafür oder dagegen sein. Ob es also 4000 Leser sind oder in Wahrheit nur 400 oder gar nur 40 besonders engagierte Leser mit viel Zeit, kann niemand erkennen.

Hinzu kommt, dass der Zeitpunkt, zu dem das Ergebnis für die Druckausgabe entnommen wird, nicht bekannt ist: Verständlich, denn danach hätte ja vielleicht niemand mehr Spaß an der Online-Spielerei. Aber die hier betrachtete Schulumfrage zeigt, dass dadurch jedweder Manipulation Tür und Tor geöffnet wird. Man schaue sich nur den Screenshot von kurz nach Mitternacht (hier als PDF) an – da waren es dann über 10.000 Klicks, davon gut zwei Drittel für die Schulreform.

Wir haben – in weit kleinerem Umfang – hier auf hh-heute.de einst ähnliche Erfahrungen gesammelt. Damals durfte man bei uns über die Frage abstimmen, ob Dorothee Stapelfeldt oder Matthias Petersen nächster Bürgermeisterkandidat der SPD werden solle. Und auch da schon rauschten „virtuelle Vorortzüge“ mit Befürwortern der einen oder anderen Seite ins Umfrageergebnis; je nachdem, wer gerade seinen internetbegabten Aktivisten am Gerät hatte. Seither machen wir keine Umfragen mehr – jedenfalls keine, bei der mit organisierten Klickern zu rechnen ist.

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