Sportpolitik: Chronik des Scheiterns

Hamburgs Sportler sind zwar Spitze, aber die Sportpolitik des Senats hat allenfalls Kreisklassenniveau: Bei allen sportlichen Großereignissen der kommenden Jahre sind die Hanseaten nur am Fernsehschirm dabei. Die SPD mahnte deshalb in der aktuellen Stunde der Bürgerschaft eine Konzeption für den Sportstandort Hamburg an, die LINKE prangerte insbesondere die unterschiedliche Sportförderung in den wohlhabenden und den ärmeren Stadtteilen an.

Die SPD-Abgeordnete Juliane Timmermann hat dem Senat eine „Chronik des Scheiterns in der Sportpolitik“ vorgeworfen. Hamburg drohe in der härter werdenden Konkurrenz der Sportstandorte zurück zu fallen. Bei der Bewerbung Hamburgs um die Universiade habe der Senat gekniffen, bei der Bewerbung um die Schwimm-WM sei er gescheitert. Die Zukunft des Tennis-Turniers am Rothenbaum sei ungewiss, andere Großveranstaltungen wie die Judo-WM, der Judo-World-Cup, das „Basketball-Final-Four“ oder die Beachvolleyball Europaserie würden an anderen Standorten stattfinden. Der SPD-Abgeordnete Sören Schumacher forderte eine Umorientierung zugunsten des Breitensports und sprach sich unter anderem für eine Ausweitung der Nutzungszeiten von Sport- und Schwimmhallen aus.

Timmermann mahnte eine umfassende Konzeption für den Sportstandort Hamburg an. „Niemand weiß, was der Senat will und wie die Sportstadt Hamburg sich in der immer stärkeren Konkurrenz behaupten will. Die Handelskammer spricht von Ziellosigkeit in der Sportpolitik, die Hamburg Marketing Gesellschaft bedauert zu Recht, Hamburg werde als Sportstadt nicht wahrgenommen“, sagte die SPD-Abgeordnete. Die Cyclassics gebe es seit 15 Jahren, den Marathon seit 24 Jahren und den Triathlon seit acht Jahren. „Auch diese erfolgreichen Großveranstaltungen brauchen eine Perspektive, eine Weiterentwicklung“, forderte Timmermann.

Wo die Sportpolitik Erfolge erzielt hat – etwa beim Sportentwicklungsplan, der Rettung der Lehrschwimmbecken oder der Sanierung von Sportstätten – habe sich der Senat auf die Unterstützung aller Bürgerschaftsfraktionen stützen können. Wo der Senat auf sich allein gestellt sei, sehe es finster aus. Die Gedankenspiele zur Einführung einer Sportsteuer verunsicherten in regelmäßigen Abständen die Vereine, der Umzug der Behörde sei mit erheblichen Mehrkosten verbunden.

Der SPD-Abgeordnete Sören Schumacher bemängelte, der Senat fördere Events auf Kosten des Breitensports. So verkaufe der Senat etwa Triathlon-Wettbewerbe als Veranstaltungen des Breitensports, obwohl allen Fachleuten klar ist, dass es sich hier um Individualsport handelt, der mit organisiertem Vereinssport selten etwas zu tun habe. Um die Konkurrenzfähigkeit des Sportstandorts Hamburg zu stärken, müsste mehr in die Sanierung von Sportanlagen investiert werden. Schumacher mahnte eine konsequente Arbeit bei der Sportentwicklungsplanung an. So habe München Jahrzehnte gebraucht, um eine erfolgreiche Planung abzuschließen. Hamburg habe schon viel zu viel Zeit verloren.

Dr. Joachim Bischoff (LINKE) drückte seine Verwunderung, darüber aus, dass die CDU sich angesichts der traurigen Bilanz freiwillig am Thema Sport versucht: „Ich erinnere an die im Jahre 2003 gescheiterte Olymbiabewerbung, an das Verfliegen der Universiade-Träume und an die Abfuhr bei der Bewerbung um die Schwimm-Weltmeisterschaft 2013. Und was mich empört: dieser Senat – wenn schon keine grundsätzliche sportpolitische Umsteuerung erfolgt – nicht einmal bereit ist, aus Niederlagen zu lernen. Wie ein störrisches Kind kündigt die Kultur- und Sportsenatorin quasi noch am Tage des Scheiterns der Bewerbung um die Schwimm-Weltmeisterschaft an, sich gleich wieder für die Ausrichtung der nächsten anstellen zu wollen.“

Selbst wenn der angekündigte Bewerbungsmarathon Erfolg haben sollte, bringen uns diese Sportereignisse weiter? Gibt es im Interesse des Hamburger Sports nicht viel wichtigere Themen? Bischoff führte u.a. die Situation der Lehrschwimmbecken und etlicher Turnhallen an.

„Mich ärgert am meisten, dass sich auch im Bereich Sport bis heute die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen gut ausgestatteten und benachteiligten Quartieren widerspiegelt. Oder wie würden Sie erklären, dass laut Erhebung einer von mir nur selten zitierten Boulevardzeitung vom März 2009 (BILD vom 27.3.2009) Grundschüler und Grundschülerinnen in Volksdorf zu 78 bis 100 % das Schwimmen erlernen, während an Billstedts und Wilhelmsburgs Schulen bis zu 95 % den begehrten „Freischwimmer“ nicht bis zum Ende der vierten Klasse erlangen? Hier, in diesen Stadtteilen wäre der Einsatz vorhandener Mittel wichtig.“

„Dass die angebliche Sportstadt Hamburg „auf einem guten Weg“ sei, vermag ich nicht zu erkennen. Der Senat hält unverdrossen an seiner Bevorzugung des Spitzenleistungs- und Eventsports fest, fördert Projekte wie die Kombibahn in Horn und den Ausbau von Pferdeboxen und Parkplätzen für das Spring- und Dressur-Derby in Flottbek. Gleichzeitig baut der Senat die Platzwartstellen ab, schließt die kostenträchtige Vergabe von Sportanlagen nicht mehr aus, verspielt die ehemals führende Rolle im Breiten- und vor allem Schwimmsport und zeigt sich in Sachen Neubau und Sanierung bestehender Anlagen außerordentlich zimperlich. Um die Bilanz nicht ganz so grausig stehen zu lassen, möchte ich am Ende zumindest noch einmal betonen, dass immerhin der Ende Juli erfolgte Startschuss für einen Hamburger Sportentwicklungsplan eine gute Sache ist.“

Bischoff forderte den Senat abschließend auf: „Endlich mehr für den Hamburger Sport zu tun und insbesondere die Menschen, die ihm aus finanziellen oder anderen Gründen noch fern stehen (müssen).“

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