SPD: Maßnahmen für mehr Wohnungen in Hamburg

SPD-Stadtentwicklungsexperte Andy Grote hat die Krise im Hamburger Wohnungsbau als „Resultat einer Kette politischer Fehlentscheidungen in den vergangenen neun Jahren“ bezeichnet. Die CDU-Senate hätten den Wohnungsbau vernachlässigt und trügen damit eine Mitschuld an den gestiegenen Mieten in Hamburg. Es sei der GAL nicht gelungen, die für diese Entwicklung ausschlaggebenden Fehler der Vorgängersenate zu korrigieren.

So sei es insbesondere nicht gelungen, dem selbst gesetzten Ziel von 5000 bis 6000 neuen Wohnungen jährlich näher zu kommen. „Mit dem Regierungswechsel 2001 hat im Hamburger Wohnungsbau eine Dekade des Stillstands begonnen“, sagte Grote, der am Montag auf Basis aktueller Zahlen eine ausführliche Auswertung zur Wohnungsbaupolitik in Hamburg vorlegte.

Grote warf dem Senat insbesondere vor, verantwortlich für den Einbruch bei den Wohnungsfertigstellungen zu sein. Die aktuelle Zahl von rund 3200 fertig gestellten Wohnungen im Jahr entspreche nicht einmal der Hälfte dessen, was Hamburg in den 90er Jahren gebaut hat, sagte der SPD-Stadtentwicklungsexperte mit Hinweis auf aktuelle Zahlen des Senats. Die amtierende Stadtentwicklungssenatorin Herlind Gundelach (CDU) habe zwar Fehler in der grünen Wohnungsbaupolitik erkannt, habe den Kurs ihrer Vorgängerin in der Stadtentwicklungsbehörde aber ohne jede Veränderung fortgesetzt. Das betreffe etwa die ökologischen Standards in der Förderung oder die Verhandlungen über neue Klimaschutzverordnung für Hamburg. „Senatorin Gundelach ist eine reine Nachlassverwalterin ohne jede eigene Initiative“, sagte Grote.

Die Zahl der Baugenehmigungen sei im Jahr 2009 gegenüber 2008 zwar leicht gestiegen. Alle Indikatoren wiesen aber auf einen erneuten Rückgang im vergangenen Jahr hin. Während im Jahr 2009 nur Baugenehmigungen für rund 3600 neue Wohnungen erteilt wurden, liege die Zahl im Jahr 2010 noch darunter. So hat es bis einschließlich Oktober 2010 Senatsangaben zufolge lediglich 2804 Genehmigungen gegeben – deutlich weniger als im Vorjahreszeitraum. Im geförderten Wohnungsbau seien die Realisierungen von 1047 im Jahr 2009 auf 771 im Jahr 2010 zurück gegangen.

Grote warf den politisch Verantwortlichen im Senat vor, die Dimension und die Auswirkungen der Wohnungsmisere unterschätzt und schöngeredet zu haben. Es sei entlarvend, dass im letzten Wohnungsbauentwicklungsplan aus dem Mai 2009 auf 80 Seiten weder neue Ideen noch wesentliche, konkrete Handlungsansätze zu finden seien. „Die CDU-geführten Senate haben beim Thema Wohnungsbau jahrelang auf der Stelle getreten“, sagte Grote.

Wo der Senat sich engagiert hat, seien Erfolge meist ausgeblieben. So seien die Senatsinitiativen zur Wohnungsbauförderung gescheitert. Die tragenden Säulen der Förderung – die so genannten Wohnungsbauoffensiven und die Zielvereinbarungen mit den Bezirken – seien wirkungslos geblieben, bedauerte Grote.

Als „Tiefschlag für Menschen, die eine Wohnung suchen“ bezeichnete Grote die Tatsache, dass das städtische Wohnungsunternehmen SAGA/GWG im vergangenen Jahr erstmals keine einzige Wohnung fertig gestellt hat. „Der Senat verfügt über das mit Abstand größte Wohnungsunternehmen der Stadt. SAGA/GWG gehört jede sechste Hamburger Wohnung. Aber selbst über diesen schlagkräftigen Akteur hat der Senat die nötige Trendwende nicht hinbekommen – entweder aus Unfähigkeit oder aus Unwilligkeit. Beides ist inakzeptabel“, sagte Grote. Die groß angekündigte Neubauoffensive – für rund 1300 Wohnungen sollte in drei Jahren der Bau beginnen – falle in sich zusammen, sagte Grote mit Blick auf die jüngsten SAGA-Zahlen. Begonnen wurde im Jahr 2010 nur mit der rund der Hälfte der angekündigten Wohnungen – 112 von 230. „Im doppelten Zeitraum hat der Senat nur ein Drittel seines ursprünglichen Ziels erreicht“, sagte Grote.

Die im Jahr 2010 zwischen SAGA und Stadt getroffene Vereinbarung, über drei Jahre mit dem Bau von durchschnittlich 410 Wohnungen im Jahr zu beginnen, reiche bei weitem nicht aus – zumal dabei zum Teil vor dem Bau neuer Wohnungen alte Wohnungen abgerissen würden. Im „Weltquartier“ in Wilhelmsburg zum Beispiel stünden 272 neu zu bauenden Wohnungen 270 Abrisse gegenüber. Der Nettoeffekt dieser Maßnahme für den Wohnungsmarkt sei gleich Null. Auch dass die SAGA künftig nur noch Passivhäuser bauen soll, bezeichnete Grote als „kontraproduktiv“.

Zu einem großen Problem werde – verursacht durch einen sich über Jahre erstreckenden Abbau – das knappe Angebot an Sozialwohnungen. Während es in Hamburg im Jahr 2001 noch 153.000 preisgebundene Wohnungen gegeben habe, seien heute nur noch knapp 100.000 übrig. „Hamburg hat in den drei Legislaturperioden seit 2001 rund ein Drittel seiner Sozialwohnungen verloren“, kritisierte Grote. Aktuellen Planungen des Senats nach soll die Zahl bis 2020 auf 60.000 Sozialwohnungen sinken – wobei vor allem der Sozialwohnungsbestand von SAGA/GWG noch einmal mehr als halbiert würde.

GAL-Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk habe sich in ihrer Amtszeit in der Wohnungsbaupolitik an so genannten „Zielzahlen“ orientiert, die mit der Realität regelmäßig wenig zu tun gehabt hätten. Dies gelte für die Zielzahl von 5000 bis 6000 neuen Wohnungen jährlich wie für die Zielvereinbarungen mit den Bezirken und die Zielzahlen der Wohnungsbauoffensiven, die 1000 Wohneinheiten auf städtischen Grundstücken anpeilten, sagte Grote. Es stelle sich die Frage, was von „Ziel“vereinbarungen zu halten sei, die regelmäßig gar nicht oder erst nachträglich mit den Bezirken abgeschlossen würden. So habe der Senat jetzt eingeräumt, lediglich mit fünf der sieben Bezirke für 2010 überhaupt Zielvereinbarungen zu Wohnungsbauflächen abgeschlossen zu haben. Dass ausgerechnet die schwarz-grün geführten Bezirke Altona und Harburg keine Zielvereinbarung abgeschlossen hätten, bezeichnete Grote als Treppenwitz. Zielvereinbarungen für 2011 hätten bis zum 23. Dezember letzten Jahres im Übrigen für keinen einzigen Bezirk auch nur im Entwurf vorgelegen. Auch die zweite Wohnungsbauoffensive sei gescheitert. Statt im Jahr 2009 mit dem Bau von 1000 Wohnungen zu beginnen, wurde selbst bis Ende 2010 gerade mal mit 350 begonnen.

Grote skizzierte gleichzeitig erforderliche Maßnahmen, um der Wohnungsmisere entschlossen entgegenzuwirken. So müsse das Wohnungsbauförderprogramm im Segment des Mietwohnungsbaus zum Beispiel auf 2000 bis 2400 Wohneinheiten im Jahr aufgestockt werden. Um eine weitere Verringerung des Sozialwohnungsbestandes zu verhindern, sollten für 1000 Wohneinheiten jährlich neue Belegungsbindungen angekauft werden.

Er sprach sich gleichzeitig für ein radikales Umsteuern bei Bürogebäuden aus: Alte, leer stehende Bürogebäude sollten im Rahmen des rechtlich möglichen abgerissen und durch Wohnungen ersetzt werden. Grote nannte in der Innenstadt den Bereich Katharinenfleet, wo nach Abriss 150 neue Wohnungen könnten. „Allein ein konsequentes Umsteuern bei dieser erkannten Problematik bietet Hamburg die Chance, rund 5000 neue Wohnungen zu bekommen – 2000 in der Innenstadt, 1000 in der City Süd und 2000 im restlichen Stadtgebiet.“ Generell müssten weitere Büroplanungen auf den Prüfstand – insbesondere in der HafenCity. „Leerstand zu Wohnraum“ sei die Devise der Stunde. Fakt sei, dass in der HafenCity weiterhin kaum bezahlbarer Wohnungsbau geplant ist – weil zu den hohen Grundstückspreisen auch noch hohe energetische Anforderungen (Passivhaus-Stadard) gesetzt würden.

Beim Thema „energetischen Anforderungen“ mahnte Grote zu „Augenmaß und Pragmatismus“. Zusätzlich zu den bestehenden und auf Bundesebene festgesetzten Werten sollten auf Hamburger Ebene keine neuen Anforderungen vorgeschrieben werden. Mit der Wohnungswirtschaft müsse ein Klimaschutzpakt ausgehandelt werden. Das sei sinnvoller, als „von oben eine neue Klimaschutzverordnung mit erhöhten Anforderungen durchzudrücken“. Die Wohnungswirtschaft dürfe nicht länger Gegner, sie müsse wieder Partner der Stadtentwicklungspolitik werden, forderte der SPD-Stadtentwicklungspolitiker.

Auf die Mieter sollen Modernisierungskosten im Zusammenhang mit energetischer Sanierung nur bis zum doppelten der von ihnen erzielten Einsparungen an Energiekosten umgelegt werden dürfen. Heute sind das deutlich mehr: nämlich elf Prozent der tatsächlichen Investitionskosten pro Jahr. Aussagen Gundelachs, Mietsteigerungen belasteten die Mieter nicht, da sie die Erhöhung durch Reduzierung der Energiekosten reduzierten, bezeichnete Grote als „weltfremd“.

Ein Umdenken sei auch in der Flächenpolitik des Senats erforderlich: Beim Verkauf städtischer Wohnungsbaugrundstücke müsse sicher gestellt werden, dass auf den Flächen vorrangig Geschosswohnungen im bezahlbaren Mietpreissegment entstehen. Grote forderte insbesondere SAGA/GWG auf, sich wieder auf den Bau von preisgünstigem Wohnraum zu konzentrieren und sich mit bis zu 1000 Wohnungen jährlich an dem Wohnungsbauprogramm zu beteiligen.

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