Senator Wersich: Freispruch in eigener Sache

Jede Menge wohlverpackte Vorwürfe gegen einzelne MitarbeiterInnen des Bezirksjugendamts, Kritik auch am Rauhen Haus, aber auch nicht ein Hauch von Selbstkritik: So stellte Sozialsenator Wersich seinen „Expertenbericht“ zum Tod der kleinen Lara vor. Dass er vorgelegt wurde und auf 25 Seiten sehr viele detaillierte Fakten enthält, ist erstaunlich genug: Eigentlich wollte man die genauen Umstände von Laras Tod zunächst aufgeklärt wissen (liegt nicht vor). Und die vielen Daten wurden dem zuständigen Bürgerschafts-Ausschuss vorher verweigert – wg. Sozialdatenschutz.

„Auch“ zu viel Routine bei den zuständigen Mitarbeitern ist für den Tod der unterernährten kleinen Lara in verantwortlich, beschreibt der Bericht der Experten aus Wersichs Behörde. „Der Kern des Problems stellt sich dar als fachliche Expertenfalle“, subsumierte der Senator. Routine und Erfahrung habe zu einem „unkritischen Blick“ geführt. Was ja wohl bedeuten soll: Die zuständigen Mitarbeiter haben ihre Arbeit nicht ordentlich gemacht. Ob das auch für den – Wersichs Behörde direkt unterstehenden Kinder- und Jugendnotdienst (KJND) gilt, an den sich Laras Mutter auch hilfesuchend wandte, sagte Wersich nicht.

Während Wersich den Tod der kleinen Lara als eine Art routinemäßigen Betriebsunfall darstellt, macht die Opposition aus ihrer Wut kein Hehl. „Der sogenannte Expertenbericht entpuppt sich als reines Wersich-Papier“, meint Carola Veit (SPD). Hier die vollständige Erklärung:

Als „irreführend“ hat SPD-Familienexpertin Carola Veit die Vorlage eines so genannten „Expertenberichts“ zum Todesfall Lara bezeichnet. „Der im Hause Wersich erstellte Bericht gibt in erster Linie die Sichtweise des verantwortlichen Sozialsenators wieder – ohne dass die Sozialbehörde auch Gegenstand der Kritik wäre. Mit dem so genannten Expertenpapier verschafft sich Wersich auf diese Weise einen Freispruch in eigener Sache“, sagte Veit.

Der Sozialsenator schiebe die Verantwortung nach unten ab. „Am Ende erwischt es das letzte Glied der Kette. Am Ende wird ein Mitarbeiter der Allgemeinen Sozialen Dienste verantwortlich gemacht“, sagte Veit. „Senator Wersich drückt sich um seine Verantwortung. Denn wenn er sie übernehmen würde, müsste er zurücktreten.“

Veit betonte, es habe eine „Kette von Fehlern und Missachtungen von Regeln“ gegeben. Dass dies nicht rechtzeitig aufgefallen ist, sei auch auf Versäumnisse der verantwortlichen Sozialbehörde bei Aufsicht, Dokumentation und Rahmenbedingungen zurückzuführen.

Auch die LINKE hält den Bericht für wenig hilfreiche Schönfärberei:

Zu der Vorstellung des Expertenberichts Fall Lara erklärt Mehmet Yildiz, Fachsprecher für Kinder, Jugend und Familie:
„Ein Bericht von externen Sachverständigen hätte vermutlich mehr zur Aufklärung beitragen können.

Es hat sich gezeigt, dass die besten Anweisungen und Hilfeplanungen nichts helfen wenn nicht ausreichend Personal für die Umsetzung bereitsteht. Deshalb wird auch die neue Fachanweisung nichts ändern, solange die Allgemeinen Sozialen Dienste chronisch personell unterbesetzt sind.

Um das zu ändern müssen die Arbeitsbedingungen wesentlich verbessert werden. Aufgrund der schlechten Bezahlung ließen sich selbst die meisten der 30 neu geschaffenen ASD-Stellen bislang nicht besetzen. Im Bezirk Mitte konnte bislang nur eine von fünf Stellen besetzt werden.

Wir fordern eine bessere Bezahlung der MitarbeiterInnen und die Rücknahme der geplanten Streichung von 23 Millionen für Hilfen zur Erziehung in den kommenden beiden Haushaltsjahren.“

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