Selbsthilfe gegen illegale Videokameras

Eine Kleine Anfrage von Christiane Schneider, rechtspolitische Sprecherin der LINKS-Fraktion, hatte den Überwachungsskandal aufgedeckt: Staatliche Stellen betreiben in Hamburg 397 Videokameras zur Überwachung des öffentlichen Raums. Auch nach Auffassung des Hamburger Datenschutzbeauf¬tragten weitgehend ohne Rechtsgrundlage und verfassungswidrig. Heute gab es einen symbolischen „Anschlag“ auf die Kameras, die bei team.arbeit installiert sind.

Weil sich allein 19 illegale Videokameras in und an Gebäuden des „team.arbeit.hamburg – Hambur¬ger Arbeitsgemeinschaft SGB II“ befinden, besuchten Wolfgang Joithe, sozialpolitischer Sprecher der Bürgerschaftsfraktion und Spitzenkandidat der LINKEN Jan van Aken die ARGE und deckten die Kamera im Eingangsbereich ab um der illegalen Überwachung symbolisch ein Ende zu setzen. Der Leiter der ARGE, Frank Pichlmeier, wollte gegenüber Wolfgang Joithe nichts zu der Anzahl der Kame¬ras im Hause sagen und kritisierte, dass die Aktion seine „Kunden verunsichern würde“.

Kurz danach schritten Jan van Aken und Wolfgang Joithe in der Martha-Muchow-Bibliothek der Fakul¬tät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft gegen drei der ins¬gesamt 73 Kameras an Hochschulen und Universitäten zur Tat.

„Für Hartz IV-Betroffene scheint der Senat alle Grundrechte außer Kraft setzen zu wollen“, kom¬men¬tiert Bundestagsspitzenkandidat Jan van Aken, der auch an der Aktion teilnahm. „Wenn CDU und Grüne die Verfassung missachten, dann nehmen wir die Sache eben selbst in die Hand. Wir würden uns freuen, wenn alle Hamburgerinnen und Hamburger unserem Beispiel folgen und die illegalen Kameras in Schulen, Unis, Museen und in den Behörden verhüllen würden – damit Deutschland nicht schleichend zum totalen Überwachungsstaat wird.“

Wolfgang Joithe, der einzige Erwerbslose in der Bürgerschaft, kritisiert die ARGE scharf: „Jeder Gang in die ARGE ist für Hartz IV-Geschädigte mit Erniedrigungen verbunden. Schon mit dem ers¬ten Antrag müssen die Betroffenen viel von sich preisgeben. Dass jeder der hier ein- und ausgeht gefilmt wird, setzt dem ganzen die Krone auf und ist eine weitere Verletzung der Würde der Hartz IV-Geschädigten. Die ARGE demonstriert einmal mehr ihren rechtlich und menschlich fragwürdigen Um¬gang mit den Betroffenen.“

Christiane Schneider: „Der Senat muss umgehend die Konsequenz aus der illegalen Videoüberwa¬chung ziehen und veranlassen, dass alle illegalen Anlagen abge¬schaltet und alle illegal erworbenen Daten gelöscht werden. Solange das nicht geschieht, ist leider davon auszuge¬hen, dass die massen¬haft rechtswidrige Praxis fortgesetzt wird, als ob nichts geschehen ist. Das Grundrecht auf informa¬tionelle Selbstbestimmung muss auch vom CDU/GAL-Senat respektiert werden. Der GAL scheint das Verständnis dafür, dass Grundrechte gelten und durch öffentliche Institutionen ohne Wenn und Aber zu achten sind, in der Koalition zunehmend abhanden zu kommen.“

Hintergrund:

Laut der Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 19/3945 betreiben staatliche Stellen in Hamburg 397 Videokameras, unter anderem in und an Gebäuden der „team.arbeit.hamburg – Hamburger Arbeitsgemeinschaft SGB II“ (19), an Schulen (46), Hochschu¬len und Universitäten (73), in Museen und bei öffentlich-rechtlichen Stiftungen (41) sowie an Dienstge¬bäuden – auch der Gerichte – der Freien und Hansestadt Hamburg (90).

Zusätzlich nimmt die Überwachung durch private und andere nicht hoheitliche Betreiber in Bahnhö¬fen, Flughäfen, Verkehrsbetrieben, Kreditinstituten, Tankanlagen, Parkhäusern, Einkaufszentren und Warenhäusern, Hotels, großen Sportanlagen usw. dramatisch zu. Dem Senat sind 7.076 Kameras solcher Kameras bekannt, die Kameras der Deutschen Bahn AG sind dabei nicht mit eingerechnet.

Der Hamburger Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Prof. Dr. Caspar, hat vor dem Hintergrund der Anfrage der LINKEN festgestellt, dass „die gegenwärtige Praxis der Videoüberwa¬chung durch öffentliche Stellen der Freien und Hansestadt zu einem erheblichen Teil mit dem ver¬fassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt für Eingriffe in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger nicht vereinbar ist.“ Anders formuliert: die Videoüberwachung ist!

Der Datenschutzbeauftragte hat den Senat aufgefordert, die „von öffentlichen Stellen ohne hinrei¬chende gesetzliche Ermächtigung betriebenen Kameras, soweit sie auf den öffentlichen Raumge¬richtet sind, abzubauen – hierzu gehören auch Behördenräume, die im Rahmen des Besuchsverkehrs von Bürgern genutzt werden.“

Bereits im Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten aus den Jahren 2006 und 2007 wird fest¬ge¬stellt, dass der Senat ersucht wurde, eine hinreichend klare Rechtsgrundlage für die Videoüberwa¬chung öffentlicher Orte – insbesondere von Schulräumen – zu schaffen.

Auch das Bundesverfassungsgericht hat zur Videoüberwachung festgestellt, dass die Videoüberwa¬chung ein schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Bürgerinnen und Bürger ist, in die nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden darf. Dass es bis heute keine Gesetzesgrundlage gibt, offenbart die Geringschätzung und Missachtung der Grundrechte durch den CDU-GAL-Senat.

DIE LINKE unterstützt deshalb alle Menschen, die von illegalen Videokameras observiert werden oder wurden und die gegen diese Observation vor dem Verwaltungsgericht klagen wollen.

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