Schwarz-Grün: „Ohne Plan für die Stadt“

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat den Senat zu einem spürbaren Umsteuern in der Stadtentwicklungspolitik aufgefordert. „Wir brauchen dringend Korrekturen – insbesondere beim Thema Wohnungsbau. Nicht nur hier, sondern in der gesamten Hamburger Stadtentwicklungspolitik hat der schwarz grüne Senat bislang nichts Entscheidendes bewegt“, sagte der SPD-Stadtentwicklungsexperte Andy Grote.

Zwar habe der Senat in zuletzt „zaghafte Korrekturen“ angekündigt. „Die verbleibende Zeit dieser Legislaturperiode wird aber kaum reichen, um noch konkrete Verbesserungen erzielen zu können“, sagte Grote. In der Stadtentwicklungspolitik könne man schon jetzt von einer verlorenen Legislaturperiode sprechen. Als zentrale Forderung zur Bekämpfung der Wohnungskrise nannte Grote die Gründung einer behördenübergreifenden „Task Force Wohnungsbau“. In ihr sollen Wohnungsbaubeauftragter, Stadtentwicklungsbehörde, Immobilienmanagement der Finanzbehörde und Bezirksamtsleiter zusammen arbeiten, um Wohnungsbauvorhaben zu koordinieren und zu beschleunigen.

Grote bezeichnete die Krise im Hamburger Wohnungsbau als „eines der zentralen politischen Themen in den kommenden zwei Jahren“. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum treibe die Mieten immer weiter nach oben. Schwarz-Grün habe versäumt, die für diese Entwicklung ursächlichen Fehler der CDU-Vorgängersenate zu korrigieren. Die Wohnungskrise verschärfe sich, und der Senat bleibe mit rund 3700 Fertigstellungen weit hinter dem selbst gesetzten Ziel von 5000 bis 6000 neuen Wohnungen jährlich zurück. Schon seit dem Regierungswechsel 2001 stagniere der Wohnungsbau auf dem Niveau von 3700 fertig gestellten Wohnungen im Jahr. Dies entspreche nur der Hälfte dessen, was Hamburg in den 90er Jahren durchschnittlich gebaut hat, betonte Grote.

Die Senatsinitiativen zur Wohnungsbauförderung seien gescheitert: Die tragenden Säulen der Förderung – die so genannten Wohnungsbauoffensiven und die Zielvereinbarungen mit den Bezirken – seien wirkungslos geblieben, bedauerte Grote. Der Senat selbst verfüge über das mit Abstand größte Wohnungsunternehmen Hamburgs – „doch selbst über die SAGA, der jede sechste Hamburger Wohnung gehört, bekommt der Senat die dringend nötige Trendwende nicht hin“, sagte der SPD-Stadtentwicklungsexperte. Die SAGA habe sich aus dem Neubau weitestgehend zurückgezogen. Gleichzeitig habe der Senat SAGA/GWG verpflichtet, jährlich 100 Millionen Euro an den Haushalt der Stadt abzuführen – Geld, mit dem dann die Leuchtturmprojekte des Senats finanziert werden.

Grote warf der grünen Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk vor, die Brisanz der Wohnungsmisere in Hamburg unterschätzt zu haben. Der bereits überholte Wohnungsbauentwicklungsplan aus dem Mai 2009 enthalte auf 80 Seiten keine einzige neue Idee und kaum konkrete Handlungsansätze. „Die Senatorin, die sonst gern das Image der Macherin pflegt und insbesondere beim Klimaschutz mit Herzblut bei der Sache ist, muss ihr Herz für das Thema Wohnungsbau wohl erst noch entdecken“, sagte Grote.

Als dramatisch bezeichnete er den Rückgang an Sozialwohnungen. Von 153.000 preisgebundenen Wohnungen im Jahre 2001 seien nur noch knapp 100.000 übrig, Hamburg habe damit seit 2001 1/3 seiner Sozialwohnungen verloren. „Jährlich laufen rund 6000 Sozialbindungen aus, während nur rund 1000 neue entstehen.“

Der von der SPD seit Jahren geforderte Wohnungsbaubeauftragte – vor Monaten als „Wohnungsbaukoordinator angekündigt – lasse weiter auf sich warten. Offenbar gelinge es angesichts der angespannten Lage nicht, eine erfahrene und profilierte Persönlichkeit für den Job zu finden. „Ob das ganze mehr als ein symbolischer Akt ist, werden wir sehen.“, sagte Grote.

Senatorin Hajduk orientiere sich in der Wohnungsbaupolitik an so genannten „Zielzahlen“, die mit der Realität regelmäßig wenig zu tun hätten. Dies gelte für die Zielzahl von 5000 bis 6000 neuen Wohnungen jährlich wie für die Zielvereinbarungen mit den Bezirken und die Zielzahlen der Wohnungsbauoffensiven, die 1000 Wohneinheiten auf städtischen Grundstücken anpeilten. Fragwürdig seien auch die jüngst bekannt gegebenen Zielzahlen für den Wohnungsneubau der SAGA. So solle nach Aussagen von Stadtentwicklungsbehörde und SAGA im Jahr 2010 für 230, im Jahr 2011 für 450 und im Folgejahr für 550 städtische Wohnungen Baubeginn sein. „Hierzu gehört das Projekt ,Weltquartier´ in Wilhelmsburg mit 206 neuen Wohneinheiten. Die Senatorin verschweigt aber, dass für das Projekt an gleicher Stelle 250 Wohnungen abgerissen werden. Dieses Neubau-Projekt wird also zu weniger Wohnungen führen“, sagte Grote.

Misstrauisch im Hinblick auf die Ankündigungen der Senatorin stimme auch, dass die SAGA im Jahr 2009 lediglich Baugenehmigungen für 37 Wohnungen erhalten habe. „Letztlich betreibt die Senatorin hier ebenso Bilanzkosmetik wie bei der Wohnungsbauoffensive“, sagte der SPD-Stadtentwicklungsfachmann. Hajduk habe sich hier angesichts der schlechten Ergebnisse beim städtischen Wohnungsbau mit den Neubauten der Wohnungswirtschaft geschmückt. Diese hätten mit städtischer Förderung aber rein gar nichts zu tun.

Dort, wo es erste zögerliche Schritte in die richtige Richtung gebe – wie bei der Erhöhung der Programmzahlen im geförderten Wohnungsbau – drohen diese gleich wieder ausgebremst zu werden. So sollen die 1200 geförderten Wohneinheiten ab 2012 ausschließlich in Passivhausbauweise errichtet werden, obwohl es in diesem Fördersegment praktisch keine Nachfrage gibt. „Wenn hier nicht Realismus und Augenmaß einkehren, bricht der gerade erst wieder angefahrene geförderte Wohnungsbau wieder zusammen“ so Grote.

Er nannte eine Reihe von Maßnahmen, um der Wohnungsmisere entgegenzuwirken. So müsse das Wohnungsbauförderprogramm im Segment des Mietwohnungsbaus zum Beispiel auf 2000 Wohneinheiten im Jahr aufgestockt werden. Um das Abschmelzen des Sozialwohnungsbestandes zu dämpfen, müssten außerdem für 1000 Wohneinheiten jährlich neue Belegungsbindungen im Bestand angekauft werden.

Ein Umdenken sei auch in der Flächenpolitik des Senats erforderlich: Beim Verkauf städtischer Wohnungsbaugrundstücke müsse durch Preisgestaltung sicher gestellt werden, dass auf den Flächen vorrangig Geschosswohnungen im bezahlbaren Mietpreissegment entstehen. Außerdem müsse mehr und schneller Planrecht für Wohnungsbauflächen geschaffen und hierfür die Bezirke personell besser ausgestattet werden. Auch das städtische Unternehmen SAGA/GWG sei gefordert. Es solle sich wieder auf den Bau von preisgünstigem Wohnraum konzentrieren und sich mit bis zu 1000 Wohnungen jährlich an dem Wohnungsbauprogramm beteiligen.

Mit Blick auf die teilweise deutlich steigenden Mieten sprach Grote von einem Alarmsignal. Insbesondere in den zentrumsnahen Altbauquartieren führen explosionsartige Mietsteigerungen – wie etwa auf St. Pauli in fünf Jahren um 40 Prozent – zur Verdrängung einkommensschwächerer Bevölkerungsschichten. Auch diesen sogenannten „Gentrifizierungsprozessen“ habe der Senat bisher kaum etwas entgegen zu setzen. Die in den Bezirken angeschobenen Sozialen Erhaltungsverordnungen werden in der Stadtentwicklungsbehörde nur schleppend bearbeitet. So wurde der Erlass der Verordnung für St. Georg schon im Dezember 2008 vom Bezirk eingeleitet, seit Juni 2009 liegt die positive Voruntersuchung bei Frau Hajduk auf dem Tisch, das Inkrafttreten der Verordnung ist aber von ihr erst für 2011 angekündigt. „Eine Verfahrensdauer von zwei bis drei Jahren ist unakzeptabel“, so Grote, „soviel Zeit haben die Menschen in den betroffenen Quartieren nicht.“ – Die SPD hat hierzu bereits im November das Maßnahmenpaket „Schutzschirm gegen Verdrängung“ vorgelegt. Es ist Grundlage für eine Expertenanhörung im Stadtentwicklungsausschuss am 7. April.

Ein Umdenken mahnte Grote schließlich auch für die HafenCity an: „Die HafenCity muss von der InvestorenCity zu einem echten Stück Hamburg für alle werden“, forderte er. Weil massive Leerstände in den im Bau befindlichen Büroquartieren drohen, müsse insbesondere für die östliche HafenCity der Wohnungsbauanteil deutlich erhöht werden. Alle Büroplanungen müssten auf den Prüfstand. Damit ein wirklich lebendiger Stadtteil mit gemischter Bevölkerungsstruktur entsteht, müsse auch ein spürbarer Anteil an gefördertem Wohnungsbau entstehen. Die bisher geplanten 70 geförderten Wohneinheiten bezeichnete Grote als „sozialpolitisches Feigenblatt“. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion erwarte, „dass auch die SAGA als städtisches Wohnungsunternehmen an dem neuen Stadtteil mitbaut. Auch sie muss einen Beitrag zu mehr bezahlbarem Wohnen für alle Bevölkerungsschichten leisten“, so Grote.

2 Gedanken zu „Schwarz-Grün: „Ohne Plan für die Stadt““

  1. Die Kritik ist in zwei Punkten falsch. Der Neubau dient natürlich im Wesentlichen dem Ersatz abgängiger Altbauten und damit der Anhebung von Standards, so wie im Weltquartier. Deshalb ist es auch logisch, für Neubauten Standards vorzugeben, die im Bestand nicht erreichbar sind wie Passivhäuser, da andernfalls die Sanierung des Bestandes sinnvoller und wirtschaftlicher wäre. Die Verfügbarkeit hochwertiger Neubauten übt auch im Bestand einen Druck zur Modernisierung oder gegen die Anhebung von Mieten aus, der wünschenswert ist. Daß Neubauquoten unter 1% ungesund sind, ist aber nur zu unterstreichen.

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