Schule für Alle nur verschoben

Der Verein „Eine Schule für Alle“ hat nach dem Volksentscheid gegen die Primarschule Bilanz gezogen und will sich weiter für ein Schulsystem einsetzen, das allen Kindern gerecht wird, ohne sie durch Abschulungen und Ausgrenzung zu beschämen.

Karen Medrow, 1. Vorsitzende des Vereins: „Die Gründe, warum wir uns gegründet haben, bestehen leider unverändert. Nun haben wir es mit einer Schulstruktur zu tun, die nach der Klasse 4 die Kinder noch schärfer sortieren wird. Allein die Tatsache, dass der sogenannte freie Elternwille nach der 6. Klasse des Gymnasiums durch die Klassenkonferenz korrigiert werden kann und ein Kind bei nicht erbrachter Leistung runter auf die Stadtteilschule muss, zeigt, dass es nicht zwei gleichwertige Schulformen geben wird, sondern weiterhin ein konkurrierendes und hierarchisiertes Schulsystem. Die soziale Ungerechtigkeit, die in Deutschland, also auch in Hamburg besonders hoch ist, nämlich die Koppelung von Herkunft und Bildungserfolg, bleibt bestehen: hier die 2. Säule, die Stadtteilschule für die `praktisch Begabten`, dort die 1. Säule, das Gymnasium für die `kognitiv Begabten`. Welch ein Unsinn.“

Die Mitgliederversammlung hat sich dafür ausgesprochen, all denjenigen in der Stadt, die sich für längeres gemeinsames Lernen einsetzen, auch in Zukunft eine Stimme zu geben. Immerhin haben 218.000 Hamburgerinnen und Hamburger für die Einführung der Primarschule gestimmt.

Weiterhin haben die Mitglieder dem sogenannten „Schulfrieden“ eine klare Absage erteilt. Christiane Albrecht, 2. Vorsitzende des Vereins: „Dieser Begriff ist eine Leerformel ohne inhaltliche Unterfütterung. Es gibt keinen Krieg an den Schulen, wohl aber eine große soziale Ungerechtigkeit bei der Förderung bestimmter Kinder und Jugendlichen. Solange diese Ungleichbehandlung nicht aufgehoben und durch neue Lernformen ohne Sortieren und Ausgrenzen ersetzt wird, wird es auch keinen Frieden im Sinne von Todschweigen vorhandener Ungerechtigkeiten in unserem Schulsystem geben. Hier werden wir weiter den Finger in jede Wunde legen und unverdrossen die Strukturfrage in den Vordergrund stellen. Struktur und inhaltliche Weiterentwicklung des Unterrichts bedingen sich einander und sind keine Gegensätze. Leistung und soziale Gerechtigkeit sind zwei Seiten einer Medaille.“

Um die Hintergründe, die zum Scheitern des Volksbegehrens der Initiative „Eine Schule für Alle“ und des Volksentscheids zur Einführung der Primarschule geführt haben, zu untersuchen, wird der Verein in Zusammenarbeit mit Vertreterinnen und Vertretern der Erziehungswissenschaften eine wissenschaftliche Expertise auf den Weg bringen.

2 Gedanken zu „Schule für Alle nur verschoben“

  1. Zitat:
    „Nun haben wir es mit einer Schulstruktur zu tun, die nach der Klasse 4 die Kinder noch schärfer sortieren wird“
    Wieso „noch schärfer?“ Frau Medrow sollte sich erst einmal informieren!
    … „runter auf die Stadtteilschule muss“
    Durch solche Äußerungen werden erst scheinbare Minderwerte und somit Druck erzeugt. Immerhin steht auch bei der Stadtteilschule der Weg zum Abitur offen!

  2. „Eine Schule für Alle“ hat es nicht kapiert. Statt zu akzeptieren, dass eine Einheitsschule in der Bevölkerung eindeutig keine Mehrheit findet und somit illusorisch ist, mokieren sie sich wieder einmal über verschiedene Pfade durch die Schule. Die Crux: So wird die Stadtteilschule schlecht geredet, bevor sie überhaupt ordentlich etabliert ist.

    Die Ironie an solcher Argumentation ist: Es geht den genannten Damen um Verbesserung der Chancengleichheit. Was sie aber tatsächlich schaffen, ist eine Verschlechterung der Chancengleichheit, indem sie Stadtteilschule als Schule zweiter Klasse brandmarken.

    Die Damen argumentieren somit breitseitig gegen ihre eigenen Ziele. Schade!

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