Schul-Verhandlungen: So sind sie (wohl) verlaufen

Demokratie ist – im Idealfall – eine Staatsform, in der „das Volk“* bestimmt, was geschieht. Jahrzehntelang hat eine Mehrheit des Volkes dies an gewählte Repräsentanten übertragen, in Hamburg an die Bürgerschaft. Seit 1996 (und danach mehrfach verändert) darf „das Volk“ im Rahmen der Volksgesetzgebung seine selbst gewählten Repräsentanten auch überstimmen. Voraussetzung ist aber, dass „das Volk“ möglichst umfassend darüber informiert wird, was denn nun wirklich besprochen wird. Wir geben uns Mühe.

Mehrere professionelle Journalisten äußern inzwischen die Befürchtung, dass nach den Verhandlungen zur Schulreform derzeit nicht „die ganze Wahrheit“ veröffentlicht wird. Ob Geheimverhandlungen am Ende zum viel beschworenen Schulfrieden führen, sei dahingestellt. Wir dokumentieren, was uns zugänglich ist, weisen aber darauf hin, dass wir nicht wissen, ob das nun wirklich alles ist, worüber geredet wurde.

Zunächst die offizielle Erklärung der CDU nach der heutigen Verhandlungsrunde:

So berichtet Wolfgang Beuß (CDU/MdHB):

Ich möchte Ihnen auf diesem Wege mitteilen, dass die dritte Runde der Gespräche der Koalitionsfraktionen mit der Initiative noch kein Ergebnis gebracht hat.

Wir haben der Initiative ein sehr weitreichendes Angebot gemacht, mit dem eine der zwei Forderungen der Initiative vollständig erfüllt wird: Die Eltern entscheiden über die Form der weiterführenden Schule für ihr Kind. Darüber hinaus wird eine Entschleunigung angeboten sowie eine Qualitätsgarantie und eine Qualitätssicherung unter Einbeziehung unabhängiger Wissenschaftler und der Initiative WWL.

Das Gesamtpaket:

– Elternwahlrecht über die weiterführende Schule am Ende von Klasse 6.

– Einführung der Primarschule in drei Stufen. Mit den Starterprimarschulen wurde bereits begonnen. In der nächsten Stufe zum Schuljahr 2010/11 starten alle Grundschulen, die dies mit einem Beschluss der Schulkonferenz wünschen. Alle anderen folgen im Schuljahr 2011/12. Ende der Einführungsphase ist dann das Schuljahr 2013/14.

– Qualitätsgarantie für kleine Klassen mit 25 bzw. 20 Schülerinnen und Schülern, die Fortbildung der Lehrkräfte, die Ausstattung der Primarschulen mit Lehrern aus den weiterführenden Schulen und die Raumausstattung. Qualitätssicherung durch die Verpflichtung zur Nachbesserung bei Abweichen von den Standards.

– Regelmäßige und öffentliche Beratung über die Umsetzung der Schulreform und die Standards im Sonderausschuss Schulreform der Bürgerschaft mit der Initiative.

– Zusätzlich wird eine unabhängige Expertenkommission eingerichtet, die das Erreichen der Qualitätskriterien überprüft und in festzulegenden Abständen dem Senat berichtet. Der Sonderausschuss der Bürgerschaft kann die Expertenkommission ebenfalls für seine Beratungen anhören. Die Ernennung der Kommission erfolgt durch den Senat. Auch die Initiative kann Experten vorschlagen.

Nun liegt es bei der Initiative, sich zu bewegen.
Ein weiteres Gespräch wird am kommenden Dienstag stattfinden.

So berichtet die Initiative WWL:

Dritte Verhandlungsrunde im Rathaus aus Sicht der WWL (WWL-Homepage 27.01.2009)

Die dritte Runde der Gespräche zwischen Vertretern der Fraktionen von CDU und GAL, Vertretern von „Wir wollen lernen!“, Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL), Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und Dr. Michael Otto, am Mittwoch, den 27. Januar 2010, war erneut durch Tischvorlagen geprägt:

Die Runde begann mit dem Themenkomplex Elternwahlrecht. Wir haben dabei deutlich gemacht, dass wir im Rahmen unseres schon am 21. Januar 2010 vorgelegten Vorschlags für den Bildungskonsens und Schulfrieden für Hamburg auch in den freiwillig einzurichtenden Primarschulen ein Elternwahlrecht insbesondere in Klasse 4 zu einem Wechsel auf eine weiterführende Schule ab Klasse 5 aufnehmen können.

Interessant wurde es im zweiten Teil der insgesamt gut 4 Stunden dauernden Verhandlungsrunde, die sich um die Qualitätskriterien drehen sollte, die Eingangs- bzw. Start-Voraussetzung für die Einrichtung einer (aus unserer Sicht: freiwilligen) Primarschule sein müssen. Senatorin Goetsch begann hier zunächst, eine längere Liste von Kriterien vorzulesen. Erst auf unsere Nachfrage hin, ob wir diese Liste auch schriftlich haben können, wurde die Sitzung unterbrochen. Etwa 10 Minuten später brachte dann Senatorin Goetsch die Tischvorlage von 10:10 Uhr in den Raum (Tischvorlage von 12:15 Uhr).

Diese befasst sich mit dem schon am 22. Januar 2010 von Schwarz-Grün als Tischvorlage präsentierten Vorschlag einer parlamentarischen Sonderkommission und sieht zusätzlich eine „Expertenkommission“ vor. In der anschließenden Diskussion über diese nun insgesamt bereits dritte Tischvorlage wurde deutlich, dass sich Schwarz-Grün bei der Sonderkommission gegenüber ihrem Vorschlag vom 22. Januar 2010 deutlich zurückbewegt hat, da Schwarz-Grün „Wir wollen lernen!“ nun nicht mehr das am 22. Januar noch angebotene Recht einräumen möchte, ein Institut zu benennen, das den Untersuchungsauftrag übernimmt. Dies solle zwar, so die GAL-Vertreter, durch die Expertenkommission aufgefangen werden. Auch hier wurde jedoch
schon beim ersten Lesen der Tischvorlage deutlich, dass diese Kommission lediglich eine beratende Funktion für den Senat haben solle und die Volksinitiative nicht einmal ein verbindliches Benennungsrecht für Experten in einer solchen Kommission erhalten solle, sondern insoweit nur ein Vorschlagsrecht eingeräumt erhalten solle. Wir haben deutlich adressiert, dass dies weit hinter der Forderung der Handelskammer und von Herrn Dr. Otto
zurückbleibt, eine externe „wirklich unabhängige Evaluierung“ vorzusehen. Dies hat daraufhin der Erste Bürgermeister aufgegriffen und angekündigt, dass wir einen neu überarbeiteten Vorschlag hierzu in den nächsten Tagen erhalten sollen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es zwar bei der Besprechung der Qualitätskriterien als Voraussetzung für die (aus unserer Sicht: freiwillige) Umstellung einer Grundschule in eine Primarschule Annäherungen gegeben hat, dass aber insbesondere die Vertreter der GAL einer echten Freiwilligkeit der Einführung von Primarschulen in Stufen mit echter externer Evaluierung bisher nicht näherzutreten bereit sind.

Eine nächste Verhandlungsrunde ist für den kommenden Dienstag, den 2. Februar 2010, 11.15 Uhr, vereinbart.

Anmerkungen der Red.:

1. Wir können – wie schon oben gesagt – nicht beurteilen, wie es wirklich gewesen ist. Selbstverständlich würden wir aber auch veröffentlichen, was andere aus dem Gespräch berichten.

2. Soweit es im Vorstand „das Volk“ heißt, sind die Wahlberechtigten Hamburgerinnen und Hamburger gemeint. Nicht an der Entscheidung beteiligt sind die SchülerInnen, die noch nicht wahlberechtigt sind, sowie die Mehrzahl der Hamburgerinnen und Hamburger, die keinen deutschen Pass, dafür aber oft besonders viele (Schul-)kinder haben.

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