Scholz: Wende in der SPD-Schulpolitik

In der taz von heute (04.11.09) gibt es ein Interview mit Arbeitsminister a.D. Olaf Scholz, den die Hamburger SPD auf einstimmigen Vorschlag ihres amtierenden Vorstands Freitag zum neuen Vorsitzenden wählen will. Für viele Sozialdemokraten die wichtigste Botschaft: Scholz kündigt eine Wende in der Schulpolitik an.

Dass er sich mit Ex-Parteichef Mathias Petersen darauf geeinigt hat, die Vorgänge um den Stimmzettelklau vor zweieinhalb Jahren noch einmal aufzuarbeiten, ist nicht neu. Neu aber sind Scholz‘ Äußerungen zur Schulpolitik der SPD: Da sei die derzeitige Position der SPD schwer vermittelbar. Weil so viele, die sich über die Aktivitäten der Scheuerl-Initiative geärgert haben, so lange darauf warten mussten, hier die beiden entscheidenden Fragen und Antworten im Original-taz-Zitat:

Die SPD steht mit ihrer Blockade des längeren gemeinsamen Lernens isoliert da – wird es einen Kurswechsel geben?

Die SPD hat hier eine Position, die zugegeben schwer erklärbar ist. Wir haben im Prinzip nichts gegen eine längere gemeinsame Schulzeit und auch nichts gegen eine sechsjährige Primarschule. Aber wir weisen darauf hin, dass die soziale Spaltung in der Stadt so weit gegangen ist, dass es am Ende der Grundschule Lerndifferenzen von einem Jahr gibt und dass die sechs Jahre nur dann funktionieren, wenn sie viel besser sind als die vier Jahre, die wir heute haben. Sonst bedeutet das eine Verstärkung der Segregationstendenzen. Gute Schulen in allen Quartieren sind der wichtigste Beitrag des Staates zu einer integrativen Gesellschaft und zu guter Stadtentwicklung.

Im Klartext: Die SPD wird die jetzige Schulreform nicht wieder umkehren wollen?

Die Bürgerschaft hat die Entscheidung für diese Reform getroffen. Niemand von uns hat vor, die Primarschulen wieder abzuwickeln, wenn sie erst mal entstanden sind. Schüler und Eltern sind schon jetzt vom Hin und Her in der Schulpolitik völlig genervt. Aber wir werden die Umsetzung der Reform kritisch begleiten und die Punkte benennen, über die wir weiter diskutieren müssen. Damit meine ich etwa die törichte Abschaffung des Elternwahlrechts, die Qualität der Hortversorgung und die Frage, ob wirklich an allen Stadtteilschulen dass Abitur erreicht werden kann. Wir müssen aufpassen, dass es den Schulen nach dieser Reform nicht schlechter geht als vorher.

O.k., man kann die Formulierung „törichte Abschaffung des Elternwahlrechts“ sicher noch hinterfragen: Wie soll wohl ein Gymnasium funktionieren, wenn man einerseits Abschulung und Sitzenbleiben mit der Schulreform abschafft, dann aber trotzdem den Eltern ermöglicht, jedes Kind auf diese Schulform zu schicken? Das wäre dann „Eine Schule für Alle“ in noch extremerer Form, als die entsprechende Initiative dies einst forderte. Aber davon abgesehen, ist die Aussage doch klar: Sechs Jahre gemeinsam sind o.k., und die Bedingungen müssen die besten sein, die man dafür nur haben kann.

Insbesondere sozialdemokratische Eltern dürften sich freuen – sie können jetzt endlich dem SPD-Bundesprogramm, dass sich klar für längeres gemeinsames Lernen ausspricht, folgen, ohne sich in Gegensatz zur Position der Hamburger Partei zu stellen. Wie Olaf Scholz diese Position zu Hause bei seiner Ehefrau Britta Ernst, die vor einem halben Jahr noch bei der Kundgebung der Scheuerl-Initiative auftrat, erklärt – das wird er selbst wissen.

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