Ringen um ein „Sterben in Würde“

Abgeordnete der SPD, CDU und CSU wollen eine ärztliche Sterbehilfe zivilrechtlich absichern.

Die SPD-Politikerinnen Eva Högl und Kerstin Griese lehnen ein solches Gesetz ab und plädieren für den Erhalt der bestehenden Regelungen. In einem aber sind sich beide Gruppen einig: Palliativmedizin und Hospitzarbeit müssen weiter ausgebaut werden.

„Zu einem menschenwürdigen Leben gehört ein menschenwürdiges Sterben.“ Mit diesem Satz eröffnete der Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) am Donnerstag in Berlin die Präsentation des Gruppenantrags, der ein „Sterben in Würde“ ermöglichen soll. Mehrere Abgeordnete der Großen Koalition, darunter die SPD-Politiker Karl Lauterbach und SPD-Fraktionsvizin Carola Reimann sowie die CSU-Abgeordnete Dagmar Wöhrl, sprechen sich darin für eine zivilrechtliche Regelung eines ärztlich assistierten Suizids aus.

Bislang regeln die Landesärztekammern die assistierte Sterbehilfe. Je nach Bundesland besagt das ärztliche Standesrecht, dass Ärzte Beihilfe zum Suizid entweder nicht leisten sollen oder nicht leisten dürfen. Im Falle einer Zuwiderhandlung müssen Ärzte mit hohen Geldstrafen bis hin zum Verlust ihrer Approbation, also einem Berufsverbot, rechnen.
Gesetzlich erlaubte Sterbehilfe

Voraussetzung für eine rechtmäßige ärztliche Sterbehilfe sollen dem Gruppenantrag nach sieben Kriterien sein. Demnach müsse der Patient:

1. volljährig sein.
2. voll einwilligungsfähig sein.
3. an einer unkehrbar zum Tode führenden Erkrankung leiden.
4. einen extremen Leidensdruck verspüren.
5. ausführlich über mögliche Behandlungen und palliativmedizinische Möglichkeiten beraten worden sein.
6. Es muss das Vier-Augen-Prinzip gewahrt bleiben, d. h. ein zweiter Arzt muss die Diagnose bestätigen.
7. Der Suizid muss durch die Person selbst erfolgen.

Die Regelung richtet sich vor allem an Patienten, denen durch palliativmedizinische Maßnahmen nicht mehr hinreichend geholfen werden kann. Ein Verbot der assistierten Sterbehilfe könne hier „schnell zu einem qualvollen Sterben führen“, warnte der SPD-Politiker Burkhard Lischka in diesem Zusammenhang. Zu enge medizinische Vorgaben zum assistierten Suizid soll es keine geben. „Das soll eine subjektive Gewissensentscheidung zwischen Arzt, einem weiteren Arzt und dem Patienten sein“, stellte Lauterbach klar. Psychisch Kranke sollen hingegen einen ärztlich assistierten Suizid nicht in Anspruch nehmen können.

Von organisierter Sterbehilfe indes distanzierte sich die Gruppe. „Wir halten ein Verbot von organisierter Sterbehilfe für richtig“, erklärte Hintze und bezog sich damit beispielsweise auf Sterbehilfe-Vereine. Lauterbach kritisierte in diesem Zusammenhang die fehlende medizinische Begleitung in solchen Einrichtungen. Würde der Gruppenantrag angenommen, würde es „einen Bedarf an organisierter Sterbehilfe nicht mehr gegeben“, so Lauterbach.

Zudem geht die Parlamentariergruppe davon aus, dass ihr Vorschlag suizidpräventiv wirke. Das „sichere Wissen“, auf die Möglichkeit des assistierten Suizids zurückgreifen zu können, könne schwer leidenden Menschen helfen, „von einer tatsächlichen Inanspruchnahme dieser Möglichkeit abzusehen“, heißt es in dem Antrag. Insgesamt würden jährlich weit unter 1000 Patienten eine solche Regelung in Anspruch nehmen, schätzt Lauterbach.
„Palliativmedizin ist Schlüssel für würdevolles Sterben“

Gegen organisierte Sterbehilfe sprachen sich auch die SPD-Abgeordneten Eva Högl und Kerstin Griese aus, die vergangene Woche ein Positionspapier zum Thema Sterbehilfe veröffentlichten. Sie fordern, „organisierte Förderung und Unterstützung des Suizids durch Vereine und Einzelpersonen unter Strafe“ zu stellen.

Entgegen der Parlamentariergruppe um Hintze und Lauterbach sind Högl und Griese gegen neue zivil- wie strafrechtliche Regelungen, die assistierten Suizid zu einem „Normalfall“ machen könnten. Ein Verbot der Beihilfe zum Suizid lehnen sie ebenfalls ab. Högl und Griese plädieren stattdessen für den Erhalt der „legalen Möglichkeiten der Hilfe am Ende des Lebens“. In Anbetracht der unterschiedlichen Regelungen in den Landesärztekammern seien die Ärzte „gefragt, ihr Standesrecht klar zu regeln“.

Beide Gruppen wollen zudem eine Ausweitung der palliativmedizinischen Möglichkeiten und den Ausbau der Hospitzarbeit. „In sehr vielen Fällen ist eine gute Palliativversorgung, ambulant wie stationär, der Schlüssel für würdevolles Sterben“, betonte Reimann am Donnerstag. „Der Ausbau von Hospitzarbeit und Palliativmedizin steht für uns an erster Stelle“, so Högl und Griese in ihrem Papier.

Mitte November wird der Bundestag eine erste Debatte über Sterbehilfe führen. Eine Entscheidung wird Ende 2015 erwartet.

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