Propaganda im Schuhkarton

„Gut verpackte Propaganda“ sei die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“, heißt es in einem sorgfältig recherchierten taz-Artikel. Auch die Hamburger Diakonie rät Weihnachts-Spendern zu anderen Adressen.

Alle Jahre wieder: An vielen Orten in Deutschland werden Aufrufe veröffentlicht, für „Kinder in Not“ doch kleine Schuhkartons mit „Geschenken der Hoffnung“ zu packen – die zentral aus Berlin gesteuerte Kampagne wird von den Organisatoren als „globales Weihnachtsprojekt“ und „weltweit größte Geschenk-Aktion für bedürftige Kinder“ angepriesen. Acht Millionen Pakete seien 2010 auf die Reise gegangen.

In Wahrheit sei das „ein ziemlich undurchdringliches Geflecht von Projekten, Organisationen, Posten und Lizenznehmern, das sich um „Weihnachten im Schuhkarton“ spinnt – ein Geflecht, das den missionarisch-evangelikalen Kern des Ganzen kaum noch erkennen lässt“, befand die taz. Die in den USA entwickelte Aktion gehöre in Wirklichkeit zur Missionsarbeit christlich-fundamentalischer Evangelikaler. Die Hilfe sei nicht nachhaltig, dem Verein gehe es um die Akquirierung von Spenderadressen, werden Kritiker zitiert.

Die Evangelische Kirche in Baden warnte ausdrücklich in einem Informationsbrief:

„Seit einigen Jahren läuft die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ in Deutschland. Auch Sie haben vielleicht schon in Ihrem Umfeld von dieser Aktion gehört. Bei dieser Aktion werden besonders Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter, aber auch Erwachsene gebeten, einen Schuhkarton mit Weihnachtsgeschenken für ein Kind in Osteuropa oder in islamischen Ländern zu füllen.

Die Aktion wird veranstaltet vom Verein „Geschenke der Hoffnung e. V.“, der 2001 aus der „Billy Graham Evangelistic Association Deutschland“ hervorgegangen ist. Der Verein „Geschenke der Hoffnung“ ist bei der Durchführung der Aktion an die Vorgaben seines amerikanischen Lizenzgebers „Samaritan’s Purse“ gebunden.

Die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ wird in Deutschland so durchgeführt, dass zusätzlich zu den Geschenken noch um eine Geldspende in Höhe von sechs Euro zur Deckung von Verwaltungs- und Transportkosten gebeten wird. Die Schuhkartons werden zu zentralen Sammelstellen gebracht, wo diese auf verderbliche Ware und ungeeignetes Spielzeug durchgesehen werden. Die Geldeinlage wird herausgenommen und die Anschriften der Spenderinnen und Spender werden in eine Spenderdatenbank gegeben.

Die Verteilung der Kartons in den Zielländern (Irak, Israel, Bulgarien, Kroatien, Polen, Ukraine…) erfolgt oft in Verbindung mit missionarischen Ansprachen und der Verteilung der Weihnachtsbotschaft, wenn die lokalen Rechtsbestimmungen dies erlauben. Ziel der Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ ist erklärtermaßen, einmal „einem Kind eine unvergessliche Freude zu machen“ und nicht die Entwicklungsarbeit zur nachhaltigen Förderung dieser Kinder und deren Familien.

WEIHNACHTEN IM SCHUHKARTON ist k e i n e Aktion der Evangelischen Landeskirche in Baden, keine Aktion der evangelischen Kirchen in Deutschland und auch keine der römisch-katholischen Kirche oder einer anderen Kirche, die der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) angehört und auch k e i n e der kirchlichen Hilfswerke „Brot für die Welt“ oder „Misereor“.“

Das Diakonische Werk Hamburg weist auf die Vorzüge seiner Spendenaktion „Brot für Welt“ hin:

„Wir bestimmen nicht selbst, was anderen, in dem Fall Kindern hilft, sondern fragen immer, was hilft (Kindern) wirklich? Wir fragen dies die Verantwortlichen vor Ort, unsere einheimischen Partnerorganisationen, und die sind im Gespräch mit den Menschen vor Ort. Wir fragen erstens, was hilft nicht nur für den Moment, sondern nachhaltig und grundlegend; zweitens was genau fehlt Kindern in einem Dorf, in einer Region, in einem Land? Auf diese Weise erfahren wir, was Kindern fehlt, was sie brauchen, was ihnen hilft in ihrer Entwicklung, und darin, gute Lebenschancen zu bekommen. Und dann organisiert eine Spendenorganisation wie „Brot für die Welt“ diese Hilfe möglichst professionell, effektiv und effizient.

Kinderaktionen von „Brot für die Welt“ zielen darauf, dass Kinder aus unterschiedlichen Erdteilen voneinander lernen, erfahren, wie die jeweilige Lebensumwelt aussieht. Keinesfalls soll dabei ein paternalistisches Bild von „Helfer und Opfer“ transportiert werden.

Es ist eine schöne Geste, aus dem Herzen heraus zu schenken; es tut dem Schenkenden gut. Dieses Schenken im Schuhkarton geht jedoch über Kultur- und Religionsgrenzen hinweg, geht in total andere Lebensumstände hinein, in für uns z.T. unvorstellbare Lebensbedingungen. Da lohnt es sich darüber nachzudenken, was hilft wirklich, was kommt wie bei den Beschenkten an?

Dazu kommt, dass der Versand von Tausenden kleinen Päckchen aufwändig und kostenintensiv ist. Zudem beziehen die Projektpartner von „Brot für die Welt“ Produkte, die für ihre Projekte benötigt werden, aus der jeweiligen Region. So wird auch die Wirtschaftskraft vor Ort gestärkt.

„Brot für die Welt“ sieht als wichtigstes Kriterium zum Handeln die Notlage der Menschen und verbindet dies nicht mit einer missionarischen Forderung. D.h. wir benennen unsere christlichen Motive, aus denen heraus wir helfen, fordern die Empfänger aber nicht zur Religionskonversion auf. Das wäre im Sinne des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter nicht mit unserer Ethik zu vereinbaren.“

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