Opposition warnt vor neuer Wohnungsnot

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat den Senat zu einer spürbaren Korrektur seiner Wohnungsbaupolitik aufgefordert und vor einer Entwicklung hin zu einer neuen Wohnungsnot gewarnt. In der Bürgerschafts warb SPD-Stadtentwicklungsexperte Grote für einen Antrag, der bis zum Jahr 2020 den Bau von 5000 bis 6000 neuen Wohnungen jährlich zum Ziel hat.

„Besonders bei preisgünstigen Mietwohnungen gibt es ein Defizit“, sagte Grote. In ihrem Antrag fordert die SPD-Bürgerschaftsfraktion den Senat weiter auf, ein ausreichendes Angebot an Wohnungsbauflächen zu planungsrechtlich und finanziell günstigen Konditionen zur Verfügung zu stellen. „Hamburg wächst. Das Angebot an Wohnraum muss genau so wachsen“, sagte Grote. Er warnte vor Verdrängungstendenzen durch höhere Mieten. „Es darf nicht länger sein, dass sich Menschen mit wenig Geld ein Leben in ihrer Stadt nicht mehr leisten können.“

Seit die CDU regiert, baue Hamburg nur noch die Hälfte der benötigten Wohnungen, betonte Grote. „Schwarz-Grün hat bislang nicht annähernd die 5000 bis 6000 Wohnungen geschafft, auf die man sich im Koalitionsvertrag geeinigt hat, und das wird auch in den kommenden beiden Jahren so sein. Diese Legislaturperiode ist eine verlorene Legislaturperiode für Hamburgs Mieterinnen und Mieter“, sagte Grote. Zwar verweise die CDU gern darauf, dass die Mieten in rund 20 kleineren Städten der Bundesrepublik noch höher sind als in Hamburg. „Wenn allerdings auf St. Pauli die Neuvermietungsmieten in nicht einmal fünf Jahren um 40 Prozent steigen, interessiert dort niemanden, dass es in Baden-Baden noch schlimmer ist.“

Der SPD-Stadtentwicklungsfachmann betonte, auch nach Einschätzung des Senats brauche Hamburg jährlich zwischen 5000 und 6000 neue Wohnungen. Während zwischen 1991 und 2001 durchschnittlich 7000 Wohnungen gebaut worden seien – davon 3500 mit öffentlicher Förderung – sei der Neubau 2002 auf ein Niveau von rund 3700 Wohnungen eingebrochen und stagniere seitdem auf diesem zu niedrigen Stand. Pro Jahr fielen gleichzeitig zwischen 1000 und 2000 Wohneinheiten durch Abriss weg. Bei neuen Wohnungen handele es sich meist um Eigentumsobjekte oder Mietwohnungen im oberen Preisbereich. „Das zeigt: Die ohnehin zurückhaltenden Initiativen des Senats zur Wohnungsbauförderung sind weitgehend ohne Wirkung geblieben“, sagte Grote.

Gleichzeitig gebe es einen deutlichen Rückgang an Sozialwohnungen. Von 265.000 preisgebundenen Wohnungen im Jahre 1990 seien nur noch rund 100.000 übrig. „Jährlich laufen rund 6000 Sozialbindungen aus. Aber es entstehen jährlich nur rund 100 neue. Hier bahnt sich eine sozialpolitisch brisante Entwicklung an“, sagte Grote. Er bedauerte, das städtische Wohnungsunternehmen SAGA/GWG – dem rund ein Sechstel des Hamburger Wohnungsbestandes gehört – habe den Wohnungsneubau nahezu eingestellt. So stellte das Unternehmen im Jahr 2007 nur 36 Wohneinheiten und im Jahr 2008 lediglich 82 fertig. Damit werde nicht einmal der Verlust durch Abriss kompensiert.

Als „wesentliches Problem der Hamburger Stadtentwicklungspolitik“ bezeichnete Grote das geringe Ausmaß verfügbarer Wohnungsbauflächen. Bei der Vergabe städtischer Flächen werde immer noch zu häufig nach dem Höchstgebotverfahren vorgegangen. „Die hohen Preise werden über höheren Mieten an die Nutzer weitergereicht“, sagte der SPD-Stadtentwicklungsfachmann. Kaltmieten von 15 Euro pro Quadratmeter seien bei Neubauten selbst auf städtischen Baugrundstücken mittlerweile die Regel.

Der Senat habe inzwischen zwar eine Reihe von Forderungen der SPD aufgegriffen – allerdings nur verwässert und halbherzig. „Obwohl wir in Hamburg für den Patienten Wohnungsbau inzwischen einen Operationssaal brauchen, kommt der Senat nur mit einem Arztköfferchen angelaufen. Wir brauchen nicht 1000 geförderte Mietwohnungen sondern 2000; nicht 100 angekaufte Belegungsbindungen sondern 1000“, sagte Grote. Der Senat könne nicht einerseits von der SAGA mehr Wohnungsbau verlangen, das Unternehmen aber gleichzeitig immer wieder durch Kapitalentziehung ausplündern.

Die SAGA GWG hat in den letzten Jahren hunderte Millionen Euro an den Haushalt abgeführt, statt sich auf die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zu konzentrieren, bemängelt die LINKE und fordert deshalb in ihrem Antrag (Drs. 19/4989) einen Kurswechsel der SAGA GWG.

Es gäbe kein Konzept für die Wiederaufnahme des Sozialwohnungsbaus. Der soziale Wohnungsbau sei heute in Hamburg ein Auslaufmodell. Hier ticke regelrecht eine Zeitbombe. 1990 seien noch 33,6% aller Wohnungen Sozialwohnungen gewesen, 2008 nur noch 12,3%. „Wird die Entwicklung nicht umgekehrt, dann verliert die Wohnungspolitik vollends ihre soziale Ausrichtung. Dann kapituliert die Stadt vor der Aufgabe, für alle Bevölkerungsgruppen das Grundrecht auf Wohnung sicherzustellen, vor allem für diejenigen, die bei den bestehenden Einkommens- und Vermögensverhältnissen auf einem rein marktwirtschaftlichen Wohnungsmarkt keinen angemessen Wohnraum erhalten können“, kritisiert Christiane Schneider, Mitglied im Stadtentwicklungsausschuss und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE und fordert ein Konzept zur Wiederaufnahme des Sozialwohnungsbaus für den Aufbau von dauerhaft marktfernen Wohnungsbeständen in ausreichender Anzahl zielen.

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat – als Basis für ihren Bürgerschaftsantrag – ein Acht-Punkte-Programm für mehr Wohnungsbau in Hamburg verabschiedet. Die Punkte im Einzelnen:

1. Eine Wohnungsbaukonferenz soll im ersten Halbjahr 2010 zusammentreten und Strategien entwickeln, um bestehende Hemmnisse für den Wohnungsbau in Hamburg abzubauen. „Das ist Voraussetzung für eine Belebung des Wohnungsbaus“, sagte Grote. An der Konferenz teilnehmen sollen unter anderem Stadtentwicklungs- und Finanzbehörde, Bezirksämter, Wohnungswirtschaft (VNW,BFW, SAGA/GWG), Mietervereine, Grundeigentümerverbände, Wohnungsbaukreditanstalt und Architektenkammer.

2. Der Wohnungsbau soll bei der Vergabe städtischer Grundstücke und bei planerischen Entscheidungen grundsätzlich Vorrang etwa vor Büronutzungen bekommen. Die Umwandlung nicht mehr nachgefragter Büroflächen in Wohnungen und die Umwidmung nicht mehr marktgerechter Gewerbeflächen in Wohnungsbauflächen müssten mehr ins Visier genommen werden.

3. Brach liegende private Grundstücke sollen verstärkt angekauft und für Wohnungsbau genutzt werden. Die Bezirke sind dabei zu unterstützen – etwa durch die Einsetzung von Wohnungsbaulotsen, die als Ansprechpartner für Bauherren und als Kontaktperson zu den Fachbehörden dienen. Ein Flächenkataster soll eine systematische Identifizierung von Bebauungsreserven möglich machen.

4. Vor dem Verkauf städtischer Wohnungsbaugrundstücke muss sicher gestellt werden, dass auf den Flächen vorrangig Geschosswohnungen im bezahlbaren Mietpreissegment entstehen. Hierzu sind Abschläge von bis zu 35 Prozent auf den Verkehrswert anzubieten (Festpreisvergabe) und im Gegenzug die Wohnungsunternehmen zu verpflichten, mindestens 30 Prozent der entstehenden Wohnungen im öffentlich geförderten Mietwohnungsbau zu errichten. Für die übrigen Wohnungen sind sozial verträgliche Anfangsmieten von 7,50 – 8,50 Euro pro Quadratmeter vorzusehen.

5. Das Wohnungsbauförderprogramm im Segment des Mietwohnungsbaus ist von 1000 Wohneinheiten jährlich auf 2000 aufzustocken. Schwerpunkte des geförderten Wohnungsbaus müssen in den Quartieren liegen, in denen die Menschen von Verdrängungstendenzen besonders betroffenen sind. Auch für Bauvorhaben auf privaten Grundstücken ist im Bebauungsplan- bzw. Genehmigungsverfahren ein entsprechender Anteil an gefördertem Wohnungsbau anzustreben.

6. Auf Grundlage von § 2 Wohnraumförderungsgesetz soll ein „Programm 1000“ zum Ankauf von jährlich 1000 Belegungsbindungen aufgelegt werden. Auch dieses Instrument soll gezielt dort eingesetzt werden, wo stark steigende Mieten zu einer Verdrängung von Menschen mit geringem Einkommen führen.

7. Das städtische Unternehmen SAGA/GWG muss dem Auftrag wieder verstärkt nachkommen, preisgünstigen Wohnraum zu schaffen und sich mit bis zu 1000 Wohnungen jährlich an dem Wohnungsbauprogramm beteiligen. In Höhe der entsprechenden Investitionen ist das Unternehmen von Zahlungen an den Haushalt zu befreien. „Dass SAGA/GWG ihre Mieteinnahmen nicht in ihre Wohnungen re-investieren, sondern das Geld in Hochglanzprojekte des Senats pumpen müssen, wird kein Mieter verstehen“, sagte Grote.

8. Die Position des angekündigten Wohnungsbaukoordinators soll zu der eines Senatsbeauftragten für Wohnungsbau ausgebaut und mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet werden. Der Wohnungsbaubeauftragte soll im Sinne einer koordinierenden Leitstelle Wohnungsbauvorhaben initiieren, fördern und beschleunigen.

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