Offener Brief an Beust und Goetsch

Mit einem Offenen Brief haben sich Hamburger Elternräte an Bürgermeister Ole von Beust und Schulsenatorin Christa Goetsch gewandt. Einen Tag vor der Fortsetzung der „Verhandlungen“ mit der Scheuerl-Initiatve fordern die Eltern, an der Reform festzuhalten und sie nicht zu verwässern.

Offener Brief an Christa Goetsch und Ole von Beust
Hamburg, 20. Januar 2010

Sehr geehrte Frau Goetsch, sehr geehrter Herr von Beust,

wir sind Eltern schulpflichtiger Kinder in Hamburg und unterstützen Sie bei der Umsetzung der Schulreform.

Mit Sorge beobachten wir, dass bei den Verhandlungen mit der Initiative ‚Wir wollen lernen‘ immer weitere Inhalte des Reformvorhabens aufgeweicht werden. Wir möchten, dass die Schulreform in vollem Umfang erhalten bleibt, weil sie aus unserer Sicht bereits jetzt einen Kompromiss darstellt.

Auf jeden Fall müssen jedoch die verbindliche Einführung der 6-jährigen Primarschule, des zweigliedrigen weiterführenden Schulsystems mit Gymnasium und Stadtteilschule, die Verbesserung der Qualität des Unterrichts durch Individualisierung und die Abschaffung des Sitzenbleibens durchgesetzt werden.

Wir meinen, dass der geplante schulbegleitende Rückmeldungsprozess von Klasse 1 bis 6 zu einer zwischen Schülern, Eltern und Lehrern einvernehmlichen Wahl der weiterführenden Schule führen wird und halten ein Elternwahlrecht nach Klasse 6 wegen der damit verbundenen Probleme bei der praktischen Umsetzung für nicht sinnvoll. Wir wissen aber auch, dass viele Eltern nur wegen des Wegfalls des Elternwahlrechts der Schulreform kritisch gegenüberstehen. Wir wehren uns deshalb nicht gegen einen Kompromiss in diesem Punkt.

Allerdings verwehren wir die Zustimmung zu weitergehenden Zugeständnissen gegenüber der Initiative „Wir wollen lernen“ und bitten Sie daher:

– Halten Sie an den ursprünglichen Zielen der Schulreform fest!
– Lassen Sie sich nicht auf faule Kompromisse ein.
– Lassen Sie nicht die Initiative um Herrn Scheuerl über die Zukunft unserer Kinder entscheiden.

Mit freundlichen Grüßen,

PROSchulreform Hamburg e.V.
www.proschulreform.de

10 Gedanken zu „Offener Brief an Beust und Goetsch“

  1. Ein lächerlicher Brief, vor allem der letzte Satz. Als würde die Kleinpartei GAL das Recht haben über die Zukunft unserer Kinder entscheiden zu dürfen. Nur mal die Fakten:

    Wahlergebnis GAL 2008: 74.472 Stimmen = 9,6 %

    Volksbegehren WWL 2009: 184.500 Stimmen = 24 %

    Hamburg unterwirft sich nicht dem Diktat einer radikalen Minderheit!

  2. @Karl Ventarius:

    Wobei man auch als Gegner der Schulreform bei allem Überschwang zwei Punkte nicht außer Acht lassen sollte:

    1) Die 74.472 GAL-Stimmen sind gezählt, die 184.500 WWL-Stimmen nur behauptet.

    2) Auch 24 % sind noch sehr, sehr weit von einer Mehrheit entfernt.

  3. @ Dagobert (warum kein Klarname?)

    zu 2) dürfen Ihrer Meinung nach also nur Gruppierungen mit über 50%-Mehrheiten politische Entscheidungen treffen? Oder reden sie dem Mehrheitswahlrecht das Wort? Dann wäre die GAL aber fix ganz weg vom Fenster…

    Aber egal, die Legitimität von WWL ergibt sich aus der hamburgischen Verfassung (Artikel 50):

    „… können die Volksinitiatoren die Durchführung eines Volksentscheides beantragen“ und „Ein Volksentscheid über eine andere Vorlage bindet Bürgerschaft und Senat.“

    Zur Erinnerung: es war die GAL, die das in die Verfassung schreiben ließ!

    Man kann sich natürlich nach einer ungenehmen Volksentscheidung ein anderes Volk wählen, wie Berthold Brecht es 1953 der SED vorschlug.

    Anm.d.Red.: Wir haben diesen Kommentar veröffentlicht, weil er sehr schön deutlich macht, wie es aussieht, wenn man nicht zuhört (oder liest). Dagobert ist unseren Lesern als Schulreform-Gegner bekannt, niemand hat irgendetwas von „mehr als 50% und von „Mehrheitswahlrecht“ gesagt, und es muss erlaubt sein, darauf hin zu weisen, dass behauptete 24 % keine Mehrheit sind. Die gewählte Mehrheit hat jedenfalls in der Bürgerschaft, dem dafür vorgesehenen Parlament, bisher anders entschieden.

  4. erklären Sie doch mal den Unterzeichnern des Begehrens, warum ihre Unterschrift nur behauptet sein soll.
    Hier wird sich angemaßt, die Wahrheit gepachtet zu haben.
    Nochmals: Wir sind für Reformen aber gegen eine zwangsweise eingeführe Gleichmacherei

    Anm.d.Red.: Weil die Überprüfung der Unterschriften bisher bei jedem Volksbegehren eine Quote zwischen 12 und 21 % ungültiger Stimmen ergeben hat und es keinen erkennbaren Grund gibt, warum das hier anders sein sollte. Übrigens finden wir es eher anmaßend, mit behaupteten 24 % der Stimmen anzutreten und dann zu behaupten, für „die Hamburger Eltern“ zu sprechen.

  5. Mit der Macht eines Millionenbetrages und mit

    – 1600 Plakaten,

    – 2000 Unterschriften-Sammler, von denen wohl 95 % einen bezahlten Job ausführen (1 Euro pro Unterschrift),

    – Dauer-Präsenz an 63 „Hotspots“ (u.a. Gänsemarkt, EKZ, Bahnhof Altona) und den Wochenmärkten,

    – einem eigens angemieteten Büro in teuerster Innenstadtlage

    – einem hoch dotierten Team von Anwälten, PR-Managern und professionellen Öffentlichkeitsarbeitern

    – bezahlten Werbespots im Radio

    ist es unmöglich. dieses Ziel nicht zu erreichen.

    In dem Moment, in dem Leute dafür bezahlt werden, Listen einzureichen, auf denen Daten von Bürgern erfasst sind, die im Telefonbuch zu finden sind, versehen mit „Unterschriften“, die nicht nachgeprüft werden, ist es völlig gleichgültig, was auf diesen Listen steht. Unter diesen Bedingungen können Sie auch genügend Listen produzieren, die sich dafür aussprechen, dass die Erde eine Scheibe ist oder die Polizei abgeschafft werden soll. Mit diesem finanziellen Einsatz ist das natürlich gar kein Problem.

    WWL weiss selbst, dass Sie ohne Täuschung keine 10.000 Unterschriften bekommen hätte. Warum sonst hat sie sich „Wir wollen lernen“ benannt?

  6. Ich möchte anmerken, dass die Eltern, die sich bei Proschulreform engagieren, den offenen Brief geschrieben haben.
    Er ist keine verbindliche Aussage aller Hamburger Eltern mit schulpflichtigen Kindern.
    Die Initiative rund um Herrn Scheuerl wird sicherlich nicht über die Zukunft der Kinder entscheiden, sondern die gewählten Vertreter der Hamburger und die Bürger im Volksentscheid, an dem alle wahlberechtigten Hamburger ihr Votum abgeben können.
    Warum sollte es aber z.B. ein fauler Kompromiss sein, die Primarschule als freiwillige Institution einzuführen? Dann könnten die Verfasser des obigen Briefes ihren Überzeugungen folgen und die Kinder dorthin geben. Die Menschen, die das Volksbegehren unterstüzt haben, könnten ihre Kinder weiterhin auf 4jährigen Grundschulen anmelden. Die höchst erfolgreichen Langzeitformen von 1-10 könnten auch weiter bestehen. Es würde eine große Bildungsvielfalt geben. Nach Evaluierung könnten man dann die verschiedenen Formen nebeneinander beurteilen und in einen Jahren diese Erfahrungen nutzen.

  7. Man muss sich schon sehr über die Anm. d. Redaktion wundern. Was für ein Forum ist das denn hier?
    Da hier offensichtlich keine Kommentare gegen die Schulreform zugelassen werden, werde ich es erst gar nicht versuchen. Ich fliege ja ohnehin raus.
    Falschbehauptungen von überwiegend bezahlten Unterschriftensammlern und erkauften Unterschriften lassen sie unkommentiert stehen. Es lohnt sich wirklich nicht hier mitzudiskutieren.

  8. Liebe auch Mutter von 3 Kindern,

    bitte beachten Sie, dass der Kampagnenleiter des Volksbegehrens selbst den Einsatz von bezahlten Kräften einräumte:

    „“ Auf die Frage, ob hier Helfer für das Volksbegehren gesucht wurden, sagt
    Nebelung: „Das stimmt. Wir haben ungefähr 20 Studenten, die für uns
    Unterschriften sammeln gehen.“ Seines Wissens nach hätten alle
    Volksbegehren, die erfolgreich waren, „Studenten dabei gehabt“. “

    http://www.taz.de/1/nord/hamburg/artikel/1/ein-konflikt-erreicht-die-strasse/

    Ich selbst kann Ihnen aus eigener Erfahrung von einem älteren WWL-Sammler berichten, der nicht in der Lage war, mir zu erklären, warum ich seine Liste unterschreiben sollte un die Diskussion sofort abbrach, als deutlich wurde, dass ich anderer Meinung war. Mit Fakten und Zahlen, wie bspw. 43% falsch einsortierter Kinder in den 7. Klassen wollte er gleich gar nichts zu tun haben und brach das Gespräch sofort ab.

    Ist das auch Ihre Einstellung: mit jemandem, der nicht Ihrer Meinung ist, diskutieren Sie nicht?

    Von Frau Wolters wissen wir, dass sie bei ihren Opfern falsche Eindrücke erzeugte: http://www.abendblatt.de/hamburg/schule/article1248991/Volksbegehren-gestartet-Alle-vier-Minuten-eine-Unterschrift.html#kommentarCodeExpired.

    Herr Garrels meinte, dafür zu unterschreiben, dass die Schulnoten beibehalten werden. Das aber steht überhaupt nicht im Volksbegehren.

    Wenn also von „Falschbehauptungen“ die Rede sein kann, dann offensichtlich vor allem von seiten WWLs.

  9. Lieber Vater,

    Sie schreiben:

    >Wir sind für Reformen aber gegen eine zwangsweise eingeführe Gleichmacherei<

    Was genau meinen sie mit „Gleichmacherei“?

    Zu Ihrer Orientierung: derzeit werden die Gymnasien von Schülern mit einer Leistungsdifferenz von 100% bevölkert: die/der Beste erreicht in den Tests _doppelt_ soviele Punkte, wie die/der Schlechteste. (z.B. KESS 7 Lesekompetenz) – In den anderen Schulformen ist diese Diskrepanz noch viel größer (Hauptschule: 400%).

    Nun müssen aber die Lehrer derzeit allen SchülerInnen in allen Fächern am gleichen Tag dasselbe beibringen. Ich frage Sie: wie kann das gehen, wenn solche enormen Leistungsunterschiede bestehen?

    Es ist nicht nur plausibel, es ist sogar nachgewiesen: die LehrerInnen fokussieren sich auf „die Mittelköpfe“ mit dem Effekt, dass die „Schlechten“ verloren gehen und die „Guten“ bei weitem nicht ihr Potenzial ausschöpfen. Letztere kommen auch mit halbem Einsatz zu anständigen Noten. Warum sollten sie sich anstrengen?

    Die Schulreform nun nimmt diese Vielfalt unserer Kinder zur Geschäftsgrundlage und sucht, jedem Kind die ihm gerechten Anforderungen zu finden. Das Stichwort heißt: Individualisierung.

    Deshalb meine Frage: was meinen Sie mit „Gleichmacherei“, wenn nicht das, was derzeit – heute – an unseren Schulen geschieht?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.