Nicht auf die AfD reinfallen

Dass die AfD ihr Petzportal schönredet, verwundert nicht. Eher schon, dass sie damit in Teilen der Öffentlichkeit durchkommt, kritisiert die GEW.

Nach einem Jahr Petzportal zog die AfD bei einer Pressekonferenz am 26. September 2019 Bilanz und bezeichnete dieses als eine „Erfolgsgeschichte“. Zugleich verbreitete sie eine Meldung, nach der die Schulbehörde bei der Max Brauer Schule eingeschritten sei, da es dort zu Verstößen gegen die Grundsätze politischer Bildung an Schulen gekommen sei.

Zwar entspricht beides nicht den Tatsachen, wie sich schnell herausfinden lässt, dennoch wurden diese Meldungen der AfD von Teilen der Presse teilweise unhinterfragt übernommen, und somit der Anschein erweckt, die AfD decke Verstöße gegen die Grundsätze politischer Bildung an Schulen auf.

Dass die AfD dermaßen Politik betreibt verwundert nicht. Eher schon, dass Teile der Medien diese rechtspopulistischen Fake News unhinterfragt übernommen haben. Wie schon im „Fall“ Ida Ehre deutet sich eine  Diskursverschiebung nach rechts an: Aussagen, die hinterfragt werden sollten, werden übernommen und damit Positionen der AfD zunehmend gesellschaftsfähig gemacht – in diesem Fall ein Verdacht gegen Lehrkräfte, sie würden einseitig unterrichten. Das Gegenteil ist der Fall, wie im Folgenden dargestellt wird.

Das sagt die AfD zum Portal: „Eine Erfolgsgeschichte, die fortgeschrieben wird“

Auf der Pressekonferenz gab die AfD-Fraktion bekannt, dass sie auf Grundlage von Verdächtigungen, die bei ihrem Portal eingegangen seien, 22 Parlamentarische Anfragen und acht Dienstaufsichtsbeschwerden gestellt und die Schulbehörde in „zahlreichen Fällen […] Neutralitätsverstöße bestätigt und gegen verantwortliche Lehrkräfte oder Schulleitungen interveniert“ (1) habe. Diese Behauptung einer „Erfolgsgeschichte“ – es decke viele Verstöße auf – wurde unhinterfragt von Teilen der Medien, so von der Welt (2) und der SHZ (3) übernommen – und somit der Eindruck erweckt, es gäbe eine Vielzahl von über die AfD aufgedeckten Verstößen gegen die Grundsätze politischer Bildung an Schulen. Doch ist das so?

…aber: Die Quote „aufgedeckter“ Fälle tendiert gegen Null

22 Anfragen sowie acht Dienstaufsichtsbeschwerden – das klingt nach einer großen Anzahl, doch das ist sie nur bezogen auf den Fleiß, der dahinter steht, Verdächtigungen aufzuschreiben, und hat nichts mit der Erfolgsquote zu tun. Diese ist erschütternd, denn von den 8 Dienstaufsichtsbeschwerden wurden nach Wissen der GEW alle eingestellt, sofern sie nicht erst kürzlich gestellt wurden. Also viel Lärm um – nichts.

Die 22 von der AfD benannten Anfragen stellen keine Zahl von Verstößen, sondern nur von Verdächtigungen dar, die nach Wissen der GEW bis auf den „Fall“ Ida Ehre nicht zu behördlichem Eingreifen führten. Dass nach Aussage der AfD die Behörde in einer Mehrzahl der Fälle eingriff, ist auf Grundlage der Senatsantworten nicht nachzuvollziehen und somit Fake News. Stattdessen führte kaum eine der über 50 Verdächtigungen der AfD seit 2015 unter dem Titel „politische Indoktrinationen an Schulen“ zu einem behördlichen Eingreifen (4). Kein Wunder, will die AfD doch alles verbieten, was ihr nicht gefällt – eine Haltung, die nichts mit dem Konsens zur politischen Bildung an Schulen zu tun hat. Stattdessen hat die AfD wiederholt bewiesen, dass sie nicht verstanden hat, was die Grundsätze politischer Bildung an Schulen (auch) bedeuten (5).

Der Erfolg des Portals besteht somit keinesfalls in einer hohen Quote von erfolgreichen Beschwerden. Eher besteht besteht er darin, dass die Aussagen der AfD zunehmend als „normal“ gelten, von Teilen der Öffentlichkeit unhinterfragt übernommen werden, und somit leider auch Auswirkungen an Schulen haben und ein Klima der Einschüchterung begünstigen.

Das sagt die AfD: „Schulbehörde schreitet gegen Max-Brauer-Schule ein“

In einer ihrer Anfragen zu angeblichen Verstößen gegen die Grundsätze politischer Bildung an Schulen, deren Ergebnis von der AfD zeitgleich mit der Portal-„Erfolgsmeldung“ veröffentlicht wurde, monierte die AfD insbesondere eine Veranstaltung der GEW-Betriebsgruppe an der Max-Brauer-Schule, bei der unter dem Titel „Wie gefährlich ist die Antifa“ eine Diskussion mit Antifaschist*innen organisiert wurde. Aus Sicht der AfD sei eine solche Veranstaltung ein Verstoß und zu verbieten. Die Behörde sah das jedoch anders und stellte fest, dass diese Veranstaltung gegen keine Gebote oder Gesetze verstieß und völlig korrekt war (6). Dennoch behauptete die AfD in einer Pressemitteilung, dass „die Schulbehörde aufgrund zahlreicher Neutralitätsverstöße an der Max-Brauer-Schule (Bezirk Altona) eingeschritten“ sei (7). Auch diese Aussage wurde unhinterfragt von einigen Medien, wie der Welt (8) und dem Abendblatt (9), aber auch DPA übernommen, obwohl sie nicht den Tatsachen entsprach, was wir als GEW auch zeitnah vermeldeten (10).

…aber: Die BSB schritt doch überhaupt nicht ein

Statt irgendwelche Verstöße festzustellen, wird in der Senatsantwort die starke Stellung gewerkschaftlicher Betriebsgruppenarbeit gesetzlich begründet und deutlich gemacht, dass „Schulleitungen den an der Schule vertretende[n] Gewerkschaften Gelegenheit zur Ansprache der Kollegenschaft einräumen“ muss und „schulische Räume an Lehrkräfte für andere als schulische Zwecke zur Verfügung stellen“ kann (Drucksache 21/18377, Vorbemerkung der Antwort, S. 25). Die GEW begrüßte die klaren Worte der Schulbehörde und  hat sich hinter das Kollegium der Max Brauer Schule und insbesondere die GW-Betriebsgruppe gestellt (11).

In der Senatsantwort heißt es darüber hinaus, man habe die Schulleitung gebeten, „für den Fall, dass Material in der Schule aushinge, das mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag nicht zu vereinbaren wäre“, dieses zu entfernen. Dieser Konjunktiv fiel jedoch in der Berichterstattung häufig weg. „Es gab keine konkrete Anweisung der Behörde an die Schule, etwas zu entfernen“, bestätigte ein Behördensprecher auf Nachfrage der taz (12), doch da waren die Falschmeldungen schon geschrieben und veröffentlicht.

Fazit: Nicht auf die AfD reinfallen!

Worin besteht der Erfolg des Petzportals? Sicher nicht im „Aufdecken“ angeblicher Verstöße gegen die Grundsätze politischer Bildung, auch wenn die AfD dies glauben lassen will, sondern im Unfrieden stiften an den Schulen sowie einer zunehmenden Verschiebung des Diskurses. Aussagen der AfD werden zunehmend übernommen, ohne ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen, womit die Grenzen des Sagbaren immer weiter nach rechts verschoben werden, wie es sich auch im „Fall“ Ida Ehre andeutete.

Spiegel Online beschreibt treffend diese AfD-Masche, sich als „Hüter“ von Grundsätzen politischer Bildung zu inszenieren, und die Gefahr, darauf reinzufallen: „Die Partei wendet eine alte Masche von Extremisten an: Sie konstruiert ein Problem, ohne nachzuweisen, dass dieses Problem existiert – und bietet sich selbst als Problemlöser an. Zunächst werden Allgemeinplätze formuliert, denen jeder zustimmen kann – Unterricht soll politisch neutral sein, wer würde dem widersprechen? Dann wird so getan, als würde immer wieder gegen diese Regel verstoßen und niemand schenke den Opfern dieser Regelverstöße Gehör – in diesem Fall angeblich politisch indoktrinierten Schülern. Auftritt AfD: Meldet Euch bei uns! Gemeinsam sorgen wir für Gerechtigkeit und stellen die Ordnung wieder her. Tatsächlich jedoch verfolgt die Partei mit dieser populistischen Strategie nicht die Interessen von Schülern, sondern ihre eigenen. Sie eröffnet eine Scheindebatte, mit der sie sich Aufmerksamkeit verschafft, inszeniert sich als Retter gesellschaftlicher Werte – und erzeugt gleichzeitig Druck, um in den Schulen Kritik an den eigenen Positionen zu verhindern. Also im Kern das zu verhindern, was sie ausdrücklich selbst einfordert: freie Meinungsäußerung im Unterricht. Niemand darf darauf hereinfallen – weder Schüler, Eltern, Lehrer, noch irgendjemand sonst“.

Mit ihren haltlosen Vorwürfen und dem Herbeireden von Erfolgen verfolgt die AfD nicht das Ziel, die politische Bildung zu stärken, wie sie ja vorgibt, sondern will Lehrkräfte einschüchtern, die engagiert ihren Job machen und für die Bildungs- und Erziehungsziele eintreten. Die GEW stärkt diese Lehrkräfte und weist die Versuche der AfD zurück.

Mit ihren Anfragen hat die AfD wiederholt nachgewiesen, dass sie überhaupt nicht verstanden hat, was an Schulen erlaubt und erwünscht ist, und was nicht. Sie will verbieten, was AfD-kritisch ist, und gebraucht bewusst ein falsches Verständnis von politischer Bildung und ‚Neutralität‘. Damit darf sie nicht durchkommen, wofür auch eine kritischere Haltung in Teilen der Öffentlichkeit vonnöten ist.

Fredrik Dehnerdt, stellvertretender Vorsitzender der GEW Hamburg

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