„Neue Datenwelten – Innovationen, Risiken, Verantwortung“

Mediendialog Hamburg 2017 mit John Podesta, Leiter der Präsidentschaftskampagne von Hillary Clinton

Anlässlich des Senatsempfangs zum diesjährigen Mediendialog diskutierten am Dienstagabend rund 300 Gäste aus der Medien- und Kreativbranche im Rathaus über die Zukunft einer zunehmend datengetriebenen Medienwirtschaft. Auch für Medienunternehmen entwickeln sich Daten zu wesentlichen Treibern innovativer Geschäftsmodelle – mit Folgen für die öffentliche Kommunikation: Digitale Mittler wie Social Media ergänzen die klassischen Medien zunehmend als relevante Diskussionsforen. Die Folgen dieser Entwicklung für die öffentliche Meinungsbildung und den politischen Diskurs standen im Mittelpunkt des diesjährigen Senatsempfangs. Als Keynote Speaker sprach der Gründer des Center for American Progress, Berater von Präsident Obama und Leiter der Präsidentschaftskampagne von Hillary Clinton, John Podesta im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses über die Erfahrungen in den USA.

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz eröffnete den Senatsempfang mit einer Grundsatzrede. Darin betonte er mit Blick auf die Erfahrungen in den USA die Bedeutung einer an Tatsachen orientierten Politik und Berichterstattung. „Der US-Wahlkampf des vergangenen Jahres hat mögliche Verwerfungen demokratischer Öffentlichkeit aufgezeigt, die uns zu Recht beunruhigen und deren Überschlagen in unseren eigenen demokratischen Diskurs wir verhindern müssen.“ Zurückhaltend äußerte er sich zu Forderungen nach strengeren Gesetzen: „Viele von denen, die jetzt unter Verweis auf social bots, fake news oder hate speech mehr Regulierung fordern, drohen dabei bisweilen das Kind der freien Rede mit dem Bade auszuschütten.“

Scholz forderte vielmehr die Rolle unabhängiger Medien zu sichern: „Es geht darum, Bürgerinnen und Bürger durch Information und Orientierung zum aufrechten Gang in einer freien und offenen Gesellschaft zu verhelfen.“ Dazu ist eine verantwortliche politische Gestaltung notwendig: „Wir brauchen eine medienpolitische Gesamtkonzeption, die ein ganzheitliches Bild der gesellschaftlichen Kommunikationsordnung unter den Bedingungen digitaler Technologien entwickelt. Nur wenn wir die Verbreitungswege und Plattformen möglichst offen und demokratisch gestalten, wird es gelingen, Meinungsfreiheit auch im Digitalen sicherzustellen. Öffentliche Kommunikation lebt von Bürgerinnen und Bürgern, die kompetent an ihr teilnehmen und akzeptierte Institutionen, die sie organisieren. Dafür brauchen wir Journalisten, Medienschaffende und Kreative, die sich in der Verantwortung für das gesellschaftliche Gespräch sehen.“

Scholz sagte weiter: „Wenn wir sicherstellen wollen, dass wir in all unserer unberechenbaren Verschiedenheit zu einem gemeinsamen gesellschaftlichen Gespräch finden, dann benötigen wir auch in Zukunft eine ‚baseline of facts‘, auf die wir vertrauen können. Dafür müssen wir die Institutionen stärken, die nicht nur das Zustandekommen des Gesprächs, sondern auch seine kommunikative Vernunft gewährleisten können. Das sind in erster Linie all diejenigen Inhalteproduzenten, die sich für den durch sie geschaffenen kommunikativen Raum und Rahmen verantwortlich fühlen. Die Journalistinnen und Kreativen, die jene Produkte schaffen, die unserem gesellschaftlichen Miteinander Information und Orientierung, bisweilen sogar Sinn geben können.“

Die folgende Keynote hielt John Podesta, Gründer des Think Tanks „Center for American Progress“, Counselor von Präsident Barack Obama und Chairman der Clinton-Kampagne im jüngsten Präsidentschaftswahlkampf. Während des Wahlkampfs wurde Podesta Ziel eines russischen Hackerangriffs. Er betonte die Notwendigkeit, im digitalen Zeitalter grundlegende demokratische Werte zu bewahren: „Der Einzug von ‚Big Data‘ fordert uns heraus zu überdenken, wie wir nicht nur die Privatsphäre der Menschen, sondern auch allgemeinere Werte wie das Gleichgewicht der Kräfte schützen, wenn bestimmte Stellen, ob Behörden oder private Unternehmen, Zugriff auf sensible Informationen haben, von deren Existenz Online-Nutzer womöglich nicht einmal wissen.

Wie in Hamburg vor vielen Jahrzehnten geschehen, tritt die Welt gerade in ein neues Informationszeitalter ein. Jeden Tag werden Menschen Zugang zu großen Mengen an Informationen von verschiedenen Seiten des politischen Spektrums haben, die beständig ihre Sichtweisen und ihr persönliches und politisches Verhalten beeinflussen werden. Es liegt in unserer Verantwortung, demokratische Institutionen und Normen zu schützen, während wir in diese neue Phase der Geschichte eintreten.”

Die anschließende Diskussion zwischen Scholz und Podesta über die Entwicklung einer zunehmend digital vermittelten Öffentlichkeit und den Wahlkampf moderierte SPIEGEL-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer.

Der Mediendialog Hamburg besteht aus drei Teilen: Der traditionelle Senatsempfang fand am Dienstagabend, 2. Mai, im Großen Festsaal des Rathauses statt. Am Nachmittag trafen sich bereits ausgewählte Führungs-Nachwuchskräfte zum Nachwuchsdialog. Auch dort drehte sich alles um das Thema Daten. Marco Maas, Datenjournalist und Geschäftsführer von Datenfreunde, einem auf mediale Datenaufbereitung spezialisierten Unternehmen, eröffnete die Diskussion. Die Moderation übernahm Jennifer Lachman, Chefredakteurin von XING. Am Mittwoch, 3. Mai, kommt schließlich eine exklusive Runde von Top-Entscheidern der Medien- und der Kommunikationsbranche zusammen, um über den ökonomischen Wert von Daten, aber auch über gesellschaftliche Risiken zu diskutieren.

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