Morsal O.: Auch die Freundin wird bedroht

Im Prozess um den Mord an Morsal O. hat heute die beste Freundin des Opfers nicht ausgesagt. Der gerichtlichen Zeugenbetreuerin gegenüber hatte sie glaubhaft vorgetragen, ihr Vater werde sie andernfalls in die Türkei „verbannen“. Die jugendpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Carola Veit hat dazu eine Anfrage an den Senat gestellt. Auch sonst bot der heutige Verhandlungstag Überraschungen: Der psychiatrischge Gutachter wurde wegen Befangenheit ausgeschlossen, gegen die Zweitgutachterin ebenfalls ein Befangenheitsantrag gestellt.

Mit ihren Befangenheitsantrag gegen den psychiatrischen Gutachter Michael Kreißig hatte zunächst die Verteidigung Erfolg. Der Gutachter hatte in einem „Vorgutachten“ im Auftrag der Staatsanwaltschaft Morsals Bruder Ahmad O. volle Schuldfähigkeit bescheinigt. Eine Rauschtat läge nicht vor.

Der Staatsanwalt reagierte prompt, in dem er seinerseits die auf Antrag der Verteidigung bestellte zweite Gutachterin Marianne Röhl ablehnte. In ihrem Vorgutachten hatte sie erwogen, Ahmad O. sei vielleicht nur vermindert schuldfähig. Er habe sich möglicherweise zu der Tat hinreißen lassen, weil er sich durch das Verhalten seiner Schwester „entehrt“ gefühlt habe. Über den Antrag der Staatsanwaltschaft wurde noch nicht entschieden.

Einen Einblick in die Lebensbedingungen mancher junger Frauen mit Migrationshintergrund gab es, als es um die Zeugenaussage der besten Freundin der Getöteten ging. Das Gericht verzichtete auf die Vernehmung der 17-jährigen. Sie hatte die gerichtliche Zeugenbetreuerin Gerda Rose-Guddusch angefleht, nicht aussagen zu müssen, weil ihr Vater gedroht habe, sie in die Türkei abzuschieben, falls sie aussagen würde. So wurden nur die Protokolle der polizeilichen Vernehmung der jungen Frau verlesen. Da hatte sie über die vielfältigen Repressalien berichtet, denen Morsal O. seitens ihrer Familie ausgesetzt war, weil sie leben wollte wie junge deutsche Frauen ihres Alters.

Zuvor sagten verschiedene Polizisten über Einsätze im Zusammenhang mit Misshandlungen der jungen Frau aus. Einen Tag vor der Tat habe Morsal O.’s Vater sie getreten. An einem U-Bahnhof habe sie bei Passanten Schutz gesucht. Damals wurde sie von Polizisten ins Krankenhaus gebracht. Auch schon vorher war sie von ihren Brüdern und ihrem Vater gewürgt und geschlagen worden. Einmal hatte Morsal sich an einem geknoteten Bettlaken aus der Wohnung abgeseilt, wo ihr Vater sie eingesperrt hatte.

Die Nicht-Aussage der besten Freundin beschäftigt jetzt auch die Politik. Die SPD-Abgeordnete Carola Veit will zunächst in einer Kleinen Anfrage vom Senat wissen, welche Hilfen der Minderjährigen angeboten wurden, wie die 17-jährige betreut wird und wie die Behörden sicherstellen wollen, dass sie keiner Gewalt ausgesetzt oder gar gegen ihren Willen in die Türkei verschleppt wird.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.