Krümmel: Bei Unfall nicht einmal Jod

So sieht Unfall-Vorsorge für einen Reaktor-GAU in Krümmel aus: 1.728.000 Jodtabletten liegen in Hamburg bereit, um für die ersten Stunden die Aufnahme von strahlendem Jod zu verhindern. Schönheitsfehler: Sie sind nicht bei den Menschen, die sie brauchen, sondern sie müssten im Un-Fall erst verteilt werden – und zwar schneller, als der Wind radioaktiv verseuchten Staub o.ä. verbreitet.

1.728.000 Kaliumjodidtabletten werden in Hamburg für den Fall eines kerntechnischen Unfalls beim An- und Abschaltmonster Krümmel vorgehalten. Dies antwortete der Senat auf eine Kleine Anfrage der SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Ole Thorben Buschhüter und Dr. Monika Schaal. „Durch diese Vorsichtsmaßnahmen werden einem die Gefahren der Atomenergie einmal mehr vor Augen geführt. Von einem Super-GAU im AKW Krümmel wären alle Hamburgerinnen und Hamburger betroffen“, sagt Buschhüter. Als ungenügend erweist sich allerdings die Vorverteilung der Tabletten an die im unmittelbaren Umfeld Krümmels lebende Bevölkerung.

Die Umgebung des Kraftwerks ist in unterschiedliche Gefahrenzonen eingeteilt. In der so genannten Mittelzone (bis 10 Kilometer um das AKW Krümmel, in Hamburg Teile von Altengamme und Borghorst) sollen die Jodtabletten an die Haushalte vorverteilt werden, damit sie im Ernstfall sofort griffbereit sind. Deshalb wurden im Oktober 2005 Berechtigungsscheine ausgegeben, mit denen die Tabletten in einer Apotheke abgeholt werden konnten. Wie der Senat jedoch einräumte, wurden von den 350 ausgegebenen Scheinen nur 149 eingelöst. „Von einer flächendeckenden Vorverteilung in der Mittelzone kann also keine Rede sein“, kritisiert Buschhüter. Als problematisch empfindet er zudem, dass an Personen, die nach Oktober 2005 in die Mittelzone gezogen sind, keine Vorverteilung erfolgt. „Im Ernstfall geht wertvolle Zeit verloren, wenn hier die Jodtabletten erst noch verteilt werden müssen. Hier muss unbedingt nachgebessert werden“, fordert Buschhüter, ergänzt jedoch: „Noch besser wäre es, wenn Krümmel nie wieder ans Netz geht.“

Die 1.728.000 Jodtabletten, die die Stadt lagert, sind für die im Umkreis bis 25 Kilometer um Krümmel (Außenzone) lebende Bevölkerung Hamburgs vorgesehen. Dies gilt auch für Einsatzkräfte. Darüber hinaus werden für die Bevölkerung in der weiteren Umgebung von 25 bis 100 Kilometern (Fernzone) um jedes Atomkraftwerk an mehreren zentralen Lagern im Bundesgebiet Jodtabletten bereitgehalten.

Die Strahlenschutzkommission und die Weltgesundheitsorganisation empfehlen, nach kerntechnischen Unfällen 130 mg Kaliumjodid zur Blockade der Schilddrüse einzunehmen (sogenannte Jodblockade). So könne das Risiko von Schilddrüsenkrebs deutlich verringert werden. Denn kurz nach einem Reaktorunfall aufgenommenes nichtradioaktives Jod sättigt die Schilddrüse und verhindert dadurch die Speicherung von radioaktivem Jod, das in großer Menge bei einem Unfall freigesetzt und von der Bevölkerung über die Atemwege aufgenommen wird. An Haushalte vorverteilt wurde das Präparat Kaliumjodid „Lannacher“ in 65 mg Tabletten. Die Kosten für die vorverteilten und bevorrateten Tabletten tragen die Kernkraftwerksbetreiber.

Kaliumjodidtabletten sind ohne Vorlage einer ärztlichen Verschreibung auch für jedermann in Apotheken erhältlich. Allerdings befindet sich in Deutschland zurzeit kein zugelassenes Arzneimittel mit den Stärken 65 mg oder 130 mg Kaliumjodid im Verkehr, so dass für die empfohlene freiwillige Eigenbevorratung Apotheken für einzelne Personen das Präparat aus dem Ausland importieren müssen. Eine Packung Kaliumjodidtabletten (20 Stück) kostet 3,01 Euro. Für den Import kommen zusätzliche Kosten hinzu.

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