Immer mehr Arbeit auf Abruf

Der Deutsche Gewerkschaftsbund Nord (DGB Nord) fordert die Unternehmen in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern auf, ihren Beschäftigten sichere, tariflich entlohnte Beschäftigung zu bieten und extrem ungesunde „Arbeit auf Abruf“ zu beenden.

Mindestens fünf Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Norden haben überhaupt keine feste Arbeitszeit, sondern werden von ihrem Chef nach Bedarf angefordert. Mögliche Dunkelziffern berücksichtigt, dürfte die Zahl sogar noch höher liegen.

„Immer mehr Menschen in Norddeutschland werden atypisch beschäftigt, stundenweise, befristet, in Leiharbeit, in unfreiwilliger Teilzeit, auf Abruf, in Minijobs. Arbeit auf Abruf ist eine besonders prekäre Form, weil die Arbeitnehmer fast wie Tagelöhner ohne gesicherte Perspektive tätig sind: keine feste Arbeitszeit, kein festes Einkommen, aber allzeit bereit. Die Arbeitgeber erwarten totale Flexibilität bei in der Regel geringem Einkommen. Das wird auf Dauer die Gesellschaft belasten: Angst und persönliche Unsicherheit gefährden den sozialen Frieden, der Stress führt zu steigenden Gesundheitskosten und immer mehr Sozialhilfe. Die Unternehmen dürfen sich nicht aus ihrer sozialen Verantwortung stehlen, hier herrscht Handlungsbedarf“, sagte Uwe Polkaehn, Vorsitzender des DGB Nord.

„Arbeit auf Abruf“ ist im Norden nach Untersuchungen des DGB besonders im Hotel- und Gaststättengewerbe, im Einzelhandel, im Verkehrsgewerbe, im verarbeitenden Gewerbe und auch im Gesundheitswesen verbreitet. In der Gastronomie und bei personenbezogenen Dienstleistungen ist sogar etwa jeder dritte bis vierte Beschäftigte in Arbeit auf Abruf tätig. „Diese Form der Ausbeutung ist besonders perfide, weil den Beschäftigten viele Arbeitnehmerrechte vorenthalten werden, etwa die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubstage, Urlaubsgeld. Und viele Beschäftigte sind auch nicht gewerkschaftlich organisiert, so fehlt ihnen die Gegenmacht und auch der Rechtsschutz. Seit etwa 30 Jahren steht im Gesetz, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, mindestens vier Tage vorher die Arbeit anzukündigen. Aber daran halten sich immer weniger Firmenchefs. Der Arbeitnehmer ist aber überhaupt nicht verpflichtet, einem Arbeitgeberaufruf zur Arbeit zu folgen, wenn er erst am Vortag oder noch später erfolgt. Es besteht in diesem Fall ein Leistungsverweigerungsrecht. Hier sind auch Arbeitsschutz und Gewerbeaufsicht gefordert, Missbrauch zu beenden. Nicht nur wegen des Mindestlohns ist daher die Dokumentation von Arbeitszeiten so wichtig. Ein Verbandklagerecht würde helfen, hier auch die Gewerkschaft besser einschalten zu können“, so Polkaehn. Wenn Arbeitgeber Arbeitszeitmodelle verändern wollten, müssten sie Neuregelungen mit den Gewerkschaften in einem Tarifvertrag verbindlich vereinbaren.

Die gesetzlich vorgeschriebene Vier-Tage-Frist wird von den Arbeitgebern oft unterlaufen: Jeder Dritte wird erst am selben Tag kontaktiert, ein weiteres Drittel ein bis drei Tage im Voraus. Rund 13 Prozent aller Betriebe mit mehr als zehn Beschäftigten nutzen Arbeit auf Abruf. Hinzu kommen die Beschäftigten mit Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst. Auch wenn diese Formen arbeitsrechtlich klar voneinander abzugrenzen sind, sind diese Unterschiede den Beschäftigten selbst nicht immer bewusst. So könnte es sich erklären, dass sogar 17 Prozent der Beschäftigten laut Selbsteinschätzung angeben, von Arbeit auf Abruf betroffen zu sein.

Kleinere und mittlere Betriebe können Arbeit auf Abruf leichter einführen, da sie seltener mitbestimmt sind. Existiert ein Betriebsrat, unterliegt die Entscheidung des Arbeitgebers, ob der Teilzeitbeschäftigte zu festen oder nach Bedarf mit Abrufarbeit beschäftigt werden soll, dem Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmervertretung.

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