Im Schatten der Leuchttürme wächst die Armut

LEUCHTTURM.jpegIn Hamburg werden die Reichen immer reicher, die Zahl der Armen nimmt zu, und ganze Stadtbezirke drohen „umzukippen“. Forscher malen bereits das Bild einer „Patchworkstadt“ aus. Heute debattierte die Bürgerschaft darüber: Die CDU hält alles für Schwarzmalerei, GAL und SPD belegen das Elend mit handfesten Beispielen.

LEUCHTTURM.jpeg„Hamburg profitiert von der Globalisierung, doch gleichzeitig wächst die Armut in der Stadt“, sagte der stadtentwicklungspolitische Sprecher der GAL Bürgerschaftsfraktion Claudius Lieven heute in der Bürgerschaft. Die GAL hatte unter dem Titel ‚Im Schatten der Leuchtturmprojekte – die vergessenen Stadtteile Hamburgs’ – die soziale Spaltung der Stadt zum Thema der Aktuellen Stunde gemacht.

Derzeit ist Hamburg die „reichste Stadt Deutschlands“. Hamburg wird von anerkannten Wissenschaftlern jedoch auch als die Stadt „mit der größten sozialen Polarisierung“ in Deutschland bezeichnet. Die soziale Schere geht auseinander, weil die Wachstumseffekte nicht durchsickern und sich die Situation der sozial benachteiligten Schichten nicht verbessert.

„Vor wenigen Monaten sagte Ole von Beust, dass die Stadt nicht menschlich und sozial auseinanderdriften darf, doch genau das geschieht. Im Schatten der Leuchttürme wächst die Armut“, sagt Lieven.

Auf der Basis einer oberflächlichen Analyse hat der Senat in 13 Stadtteilen „besondere soziale Problemlagen“ eingeräumt, unter anderem in Billstedt und Wilhelmsburg, Jenfeld, Lurup, Dulsberg und Steilshoop. In diesen 13 Stadtteilen leben 337.538 Menschen, das sind 20 Prozent der Hamburger Bevölkerung. „Bei einer genaueren Analyse kann sich durchaus zeigen, dass dies längst nicht alle Problemgebiete sind. Deshalb verweigert der Senat einen detaillierten Armutsbericht“, kritisiert Lieven.

Gleichzeitig ist die soziale Stadtteilentwicklung ist in den vergangenen Jahren um 25 Prozent zurückgefahren worden. Der Senat hat die lokale Wirtschaft in den Stadtteilen und die dortigen Bewohner zugunsten von Leuchtturmprojekten wie der Hafencity vernachlässigt. In den sozialen Brennpunkten gibt es selten gute Schulen und kaum noch Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten. Damit verfestigt sich die Armut dauerhaft, so dass diese Quartiere zur Falle werden. Hamburg investiert in die sozial schwachen Viertel in vier Jahren
39 Millionen Euro, „weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Lieven.

Die Vorbereitung einer Internationalen Bauausstellung und einer Internationalen Gartenschau in Wilhelmsburg, die beide noch von der rot-grünen Vorgänger-Regierung eingeleitet wurden, könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass es allein nach Auskunft des Senates zwölf weitere soziale Brennpunkte gibt, in denen 289.216 Menschen leben. Die Politik des Senates hat nach Ansicht der GAL in den letzten fünf Jahren maßgeblich zu dieser Situation beigetragen.

Gegenwärtig erarbeite eine Staatsräterunde hektisch ein sozialpolitisches Feuerwehrprogramm, das im November vorgestellt werden solle. Es sei geplant, in sechs Gebieten verschiedene Themen zu bearbeiten. In Billstedt Jugendangebote, in Wilhelmsburg Bildung, in Altona familienfreundliches Wohnungen usw.. – alles haarscharf ein Jahr vor der nächsten Bürgerschaftswahl.

„Ich fürchte, das wird soziale Alibipolitik ohne übergreifendes Konzept und kaum das Papier wert, auf dem es steht“, erklärt Lieven.

Das durchschnittliche Brutto-Inland-Produkt (BIP) pro Einwohner liegt in Hamburg mit rund 45.000 Euro um 72 Prozent über dem Bundesdurchschnitt und bundesweit an der Spitze. Mit 9,2 Millionären pro 10.000 Einwohner hat Hamburg auch den bundesweit höchsten Wert. Ein Teil der Hamburger profitiert von der Globalisierung, während ein beachtlicher Sockel der Bevölkerung von diesem Wachstum abgekoppelt ist, denn das Durchsickern zu den sozial Schwächeren, findet nicht statt.

Viele Menschen müssen mit geringem Einkommen aus prekären Arbeitsverhältnissen, Mini-Jobs, Zweitjobs und Zeitjobs, abhängiger Selbstständigkeit usw. auskommen. Hinzu kommt die stabil hohe Quote von langzeitarbeitslosen Menschen in Hamburg. Etwa 180.000 Menschen in Hamburg leben von Hartz IV in 101.000 „Bedarfsgemeinschaften“, davon 32.000 Haushalte mit Kindern. 23 Prozent aller Kinder (52.0000 Kinder) leben in Hamburg in Armut, das sind 8 Prozent oder 18.000 Kinder mehr als 2003. Dies bedeutet für diese Kinder geringere Bildungschancen, weniger Freizeitmöglichkeiten und einen schlechteren Gesundheitszustand.

Der Senat habe mit seiner Politik in den letzten Jahren vor allem die Bildungskosten in die Höhe getrieben – von Vorschulgebühren über Büchergeld bis zur Mittagessenpauschale. Bereits 3.500 Eltern könnten die Kita–Kosten für ihre Kinder nicht mehr zahlen und in einem sozialen Brennpunkt wie Wilhelmsburg würden 20 Prozent der Kinder die Schule ohne einen Abschluss verlassen.

Lieven: „In keinem OECD-Land ist der Bildungserfolg so stark von der materiellen Situation der Eltern abhängig wie in Deutschland. Offenbar gilt dies in besonderem Maße für Hamburg“.

Für die SPD warnte Jan Quast vor einem Auseinanderdriften der Hamburger Stadtteile. „Wir haben nichts gegen Leuchtturmprojekte. Aber wir werfen dem Senat vor, dass er einseitig auf Leuchtturmprojekte setzt und gleichzeitig viele Stadtteile vernachlässigt“, sagte Quast. „Diese Stadtteile rutschen aus dem Blickfeld des Senats. Denn das Senatsleitbild der wachsenden Stadt ist ein Leitbild für die Starken“, kritisierte Quast.

Die weniger begüterten Stadtteile würden vom Senat ausgeplündert: „Gerade in den Problemstadtteilen schließt der Senat Schulen, Schwimmbäder, Bücherhallen und Beratungsstellen“, sagte Quast. Gleichzeitig würden Mittel für Spielplätze und Grünanlagen zusammengestrichen. Statt in den Schulen für kleine Klassen zu sorgen, statt in die Kitas, Bücherhallen oder die Infrastruktur zu investieren, habe der Senat die soziale Stadtentwicklung in den letzten Jahren auf 7,5 Millionen Euro halbiert und die Sanierungsausgaben von 10- auf sieben Millionen Euro zusammengestrichen.

„Gleichzeitig ist aber Geld da – zumindest für die Leuchtturmprojekte des Senats“, sagte Quast: „30 Millionen für das Tamm-Museum, 14 Millionen für das Science-Center, neun Millionen für den Jungfernstieg.“ Quast forderte den Senat zum Umsteuern auf. „Die soziale Schere geht immer weiter auf. Die ,Metropole wachsende Stadt´ ist längst eine ,Metropole wachsende Spaltung`“, sagte der SPD-Stadtentwicklungsexperte.

In die gleiche Kerbe schlug die Abgeordnete Carola Veit (SPD), die der Regierungspartei zum wiederholten Mal vorhielt: „Noch nie hat ein Senat so viele Grausamkeiten für Familien beschlossen wie der jetzige. Sie machen Politik für das reiche Drittel der Gesellschaft, aber der wachsende Teil der ärmeren Menschen fällt bei Ihnen durch das Rost.“

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