Hartz-IV-Kinder: Reisen gibt’s nicht

Kinder von Hartz-IV-Empfängern müssen ständig auf viele Dinge verzichten – das ist nicht wirklich überraschend. Dass die Kinder aber selbst für Kindergartenreisen keine Zuschüsse bekommen und zu Hause bleiben müssen, ist es denn doch. Die Erlebnisse des Kinderladens „Tüdelband e.V.“ mit Kinderreisen und Zuschüssen der ARGE haben die Abgeordneten Carola Veit (SPD) und Kersten Artus (LINKE) zum Anlass genommen, den Senat in zwei nahezu gleichlautenden Anfragen um Auskunft zu bitten.

So erklärt sich der Kinderladen Tüdelband e.V.:

Der Kinderladen Tüdelband e.V. ist ein Elternverein im Schanzenviertel, der eine Kita mit drei Kindergruppen betreibt. Seit Jahren bietet der Kinderladen Tüdelband e.V. Kinderreisen für Kinder im Elementaralter an. Diese Reisen gehören zum Regelangebot unserer Einrichtung und sind in ein von uns selbst konzipiertes Umweltprojekt „Woher kommt unsere Nahrung?“ eingebettet. Das Angebot ist in unsere Konzeption verankert.

Auch in diesem Jahr haben wir vom 13. – 15. Mai eine Kinderreise auf einen Hof in Fedderingen (Schleswig-Holstein) durchgeführt. Die Fahrt kostete 100 €, wovon der Verein 20 € Fahrtkosten übernommen hat. Das restliche Geld für Unterkunft und Verpflegung wurde von den Eltern getragen. In diesem Zusammenhang haben Hartz 4 Eltern Anträge beim Spezialfond und bei der ARGE gestellt und 10 € erhalten. Für Janika S., ein Mädchen aus unserer Elementargruppe, wurde ein Antrag auf Kostenübernahme bei der Hamburger Arbeitsgemeinschaft SGB II gestellt. Dieser wurde mit der Begründung abgelehnt, dass für Kinderreisen grundsätzlich keine Kostenübernahme erfolgt. (§ 23 SGB II) Für Schulkinderreisen erfolgt eine Kostenübernahme einmal in drei Jahren.

Im Ergebnis heißt das:

Hartz 4 Kinder sind von der Teilnahme an Kinderreisen ausgeschlossen. In der Schule nehmen sie alle drei Jahre an Kinderreisen teil.

Daraus folgt, dass Kinder von Hartz 4 Familien keine gleichen Bildungschancen erfahren, obwohl selbst in den Bildungsempfehlungen des Hamburger Senats angemahnt wird auch bei unterschiedlichen Voraussetzungen gleiche Bildungschancen zu garantieren.

An anderer Stelle heißt es, dass Kindergärten dafür Sorge zu tragen haben: …dass jedes einzelne Kind gleiche Rechte und gute Chancen für eine lebenswerte Perspektive in dieser Gesellschaft hat, gleich welchen Geschlecht es angehört, in welcher sozialen und ökonomischen Situation seine Eltern leben oder welcher ethnisch-kulturellen Gruppe es angehört.“

Auch an anderer Stelle der Hamburger Bildungsempfehlungen wird darauf hingewiesen, dass Kinder sich ein Bild von der Welt machen sollen, dass Kinder das Weltgeschehen erleben, die Welt erkunden sollen. Bildung wird als sinnliche Erkenntnistätigkeit beschreiben. Zitat Bildungsempfehlungen: „Kinder lernen dann erfolgreich, wenn sie möglichst vielfältige Sinneswahrnehmungen für die Aufnahme und Verarbeitung von komplexen Eindrücken einsetzen können.“

Aus unserer Sicht ist damit folgerichtig, Kinderreisen im Elementaralter anzubieten. Die Stadt muss sich um die Finanzierung kümmern. Da die Stadt eine fachliche Weisung für die Schulen erstellt hat, kann sie dies auch für die Kindergärten. Dies ist auch die Haltung der Bundesbehörde, die sich nach Aussage des Bundesministers für Arbeit und Soziales Olaf Scholz für nicht zuständig hält.

Auch der Hinweis auf den „Spezialfond“ der Sozialbehörde führt hier nicht weiter, da dieser momentan nicht auskömmlich ist. Ein Hartz 4 Vater beantragte dort im Mai 2008 Gelder für eine Kinderreise und bekam 10 €.

Es bleiben zwei Wege:

Entweder die Gelder für den Spezialfond werden so weit aufgestockt, dass es Hartz 4 Familien ermöglicht, an Kinderreisen teilzunehmen oder eine fachliche Weisung der ARGE ermöglicht die Teilnahme dieser Kinder an den Reisen, indem die Kosten der Fahrt übernommen werden.

Nicht in Frage kommen aus unserer Sicht Vorschläge aus der Hamburger Politik, unsere Konzeption zu ändern, keine Hartz 4 Kinder mehr aufzunehmen oder die Familien in einen Streit über die Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern verhungern zu lassen.

Diese Erklärung wurde auf einer Initiativensitzung des Dachverbandes SOAL besprochen und abgestimmt.

Kleine Anfrage der Abgeordneten Carola Veit (SPD), nahezu wortleich mit der der Abgeordneten Kersten Artus (LINKE):

Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Carola Veit (SPD)

Lässt der Senat Hartz IV-Kinder im Stich?

Der Kinderladen Tüdelband e.V. in der Lippmannstraße bietet Kinderreisen als pädagogisches Regelangebot an. Die Reise, die vom 13. bis 15. Mai zum Umweltthema „Woher kommt unsere Nahrung“ für Kinder im Elementarbereich angeboten wurde, kostete 100 Euro. Die Fahrtkosten in Höhe von 20 Euro wurden vom Kinderladen übernommen. Die Kostenübernahme in Höhe von 80 Euro wurde für ein Elementarkind, deren Eltern Hartz IV-Empfänger/-innen sind, bei der ARGE beantragt und abgelehnt, obwohl es einen Spezialfonds gibt, der für derartige Aufwendungen Geld zur Verfügung hat.

Gemäß § 23 SGB II (abweichende Erbringung von Leistungen) ist es möglich, im Einzelfall von der Regelleistung abweichende Leistungen für Hilfsbedürftige zu erbringen. Hierunter können auch Kinderreisen fallen, vor allem wenn sie als pädagogisches Regelangebot stattfinden. Sie können zur seelischen Stabilität von Kindern beitragen, deren Eltern auf Hartz IV angewiesen sind. Sie können zur Erholung beitragen, wenn es eine familiäre Belastungssituation gibt. Es ist unverzichtbar, dass unabhängig vom Geldbeutel der Eltern Kinder an diesen Reisen teilnehmen können.

Gemäß den Bildungsempfehlungen des Senats soll in Hamburg garantiert werden, dass Kinder bei unterschiedlichen Voraussetzungen dennoch gleiche Bildungschancen garantiert bekommen. Auch die weiteren Ausführungen der Bildungsempfehlungen geben Aufschluss darüber, dass pädagogische Kinderreisen im Elementaralter von der Stadt übernommen werden müssen.

Dies vorweg gestellt, frage ich den Senat:

1. Wie viele Anträge haben die Argen in den vergangenen acht Jahren bearbeitet, in denen Geld für Kinderferienreisen beantragt wurde?

2. Wie viele dieser Anträge wurden genehmigt, wie viele abgelehnt?

3. Welche Kriterien legen die Argen für Zuschüsse dieser Art zu Grunde?

4. Wie läuft konkret das Antragsverfahren?

5. Wer ist antragsberechtigt?

6. Welche konkreten Auswirkungen haben die Bildungsempfehlungen, wenn sie nicht dazu führen, dass Kinderreisen als pädagogisches Regelangebot durch den Spezialfond der Argen übernommen werden?

7. Zieht der Senat die Möglichkeit in Betracht, den Spezialfond aufzustocken, damit Kinder, deren Eltern Hartz-IV-Emfänger/-innen sind, an diesen Kinderreisen teilnehmen können?

8. Wenn ja, wann wird der Fonds aufgestockt?

9. Welche Höhe hat der Spezialfonds in den letzen Jahren jeweils gehabt? Bitte die letzten fünf Jahre angeben.

10. Wie viele Schulreisen/Klassenfahrten wurden bei den Argen in den letzen acht Jahren beantragt, wie viele davon genehmigt?

3 Gedanken zu „Hartz-IV-Kinder: Reisen gibt’s nicht“

  1. Hi, neulich habe ich einen Ausflug nach Gelsenkirchen gemacht. Wollte mich im Internet informieren und bin auf diese Seite gestoßen. Gelsenkirchen Sehenswüdigkeiten. Hier kann man eine Reihe Berichte über die verschiedene Sehenswürdigkeiten, Geschichte, Hotels etc lesen. Für Leute die sich besonder gut auskennen können auch Kommentare, Tipps und Empfehlungen abgeben. Sehr interressantes Portal für Städtereisende.
    LG, Ana

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