Hamburger Vergabegesetz – Sterben auf Raten?

BAUARBEIT.jpegBei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge muss der Staat darauf achten, dass den Beschäftigten der Bewerber die in Hamburg verbindlichen Tariflöhne gezahlt werden. Wer z.B. Osteuropäer zu Dumpinglöhnen beschäftigt, erschleicht sich damit einen illegalen Wettbewerbsvorteil und muss von der Vergabe ausgeschlossen werden. Das regelt das Hamburger Vergaberecht. Der DGB fürchtet, dass der Senat dabei ist, es abzuschaffen.

BAUARBEIT.jpegUm Dumpinglöhne auf Hamburger Baustellen zu verhindern, muss das Vergabegesetz in Hamburg konsequent angewandt und vor allem auch durchgesetzt werden, fordert der DGB Hamburg.

Gegen den Willen der CDU – besonders Wirtschaftssenator Uldall war dagegen – wurde das Vergabegesetz Anfang 2004 in der Phase des Zusammenbruchs der Koalition aus CDU, FDP und Schillpartei durchgesetzt. Damit sollte sichergestellt werden, dass bei öffentlichen Aufträgen die Beschäftigten den in Hamburg geltenden Tariflohn für ihre Arbeit erhalten – egal woher sie oder die ausführenden (Sub)Unternehmen kommen.

Vor gut einem Jahr begann der Senat das Rad zurückzudrehen und beschloss das Gesetz zur sog. Vereinfachung des Hamburgischen Vergaberechts.

„Das bedeutet eine Aufweichung des bisherigen Gesetzes und könnte der erste Schritt zur kompletten Abschaffung des Vergabegesetzes sein“ befürchtet Erhard Pumm, Vorsitzender des DGB Hamburg. „Denn das Gesetz wurde bis 2008 befristet, und sein Fortbestand hängt auch vom Ergebnis der Evaluation ab, die derzeit stattfindet. Der Eindruck der Gewerkschaften ist, dass das Vergaberecht mit seltsamen Kriterien und Maßstäben gerade ,kaputt evaluiert‘ werden soll.“

Für einen fairen Wettbewerb seien gleiche Bedingungen für alle notwendig, wie sie ja auch sonst von den Unternehmen gefordert werden, sagte Hamburgs DGB-Vorsitzender heute in einem Hintergrundgespräch. Es wäre nachteilig und wettbewerbsverzerrend für mittelständische Hamburger Unternehmen, die sich vornehmlich an das Vergabegesetz halten müssen, wenn sich Großfirmen, die überwiegend Kontingent-Arbeitnehmer zu Dumpinglohn beschäftigen, herausstehlen könnten.

Erhard Pumm: „Das Vergaberecht ist nur dann richtig umgesetzt, wenn auch alle Firmen, die mehrheitlich in Hamburger Hand sind wie GWG/SAGA, HHLA GmbH, Messebau GmbH und die Flughafen GmbH, uneingeschränkt in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen und nicht durch fadenscheinige Ausreden des Senats von der Anwendung ausgenommen werden.“

So beruft sich der Senat auf das Argument der Politiker-Kollegen aus Niedersachsen, wonach es angeblich nicht EU-konform sei, wenn Firmen, die im Wettbewerb stehen, unter das Vergaberecht fallen. Erhard Pumm: „Mit dieser Argumentation würde das Tariftreuegesetz zur Makulatur, weil dann fast kein Unternehmen mehr in den Anwendungsbereich fiele. Wir fordern: Das Gesetz muss auch für Firmen gelten, mit denen die Stadt eine sog.
public-private-partnership eingegangen ist. “

Andreas Suß, Geschäftsführer der IG Bauen-Agrar-Umwelt: „Ohne Tariftreuegesetz wären noch mehr Arbeitnehmer bei der Vergabe öffentlicher Aufträge der Konkurrenz der Billiganbieter ausgesetzt, erhielten kein tarifliches Entgelt und verlören in der Folge ihren Arbeitsplatz.“

In den vergangenen Jahren fielen deswegen bereits 500 bis 1000 Arbeitsplätze im Bausektor weg, und trotz anziehender Baukonjunktur sind in Hamburg rund 2500 Kollegen aus dem Bauhauptgewerbe arbeitslos (30 Prozent!). Auf eine freie gemeldete Stelle in Bauberufen kommen je zwei Arbeitslose.

„Nun haben wir das Vergaberecht, doch man kann den Eindruck gewinnen, dass von Senat-Seite bewusst lasch damit umgegangen wird. Die Tariflohnkontrolle der Baubehörde müsste viel konsequenter eingesetzt und vorgesehene Sanktionen – wie Ausschluss der gesetzesbrüchigen Baufirmen von künftigen Aufträgen – stringent angewandt werden“, fordert Andreas Suß. „Bislang wurden gerade mal in rund zehn Fällen kleinere Geldstrafen verhängt – ,Peanuts‘ für die Firmen, die über Dumpinglöhne von z.T. drei bis fünf Euro pro Stunde enorme Gewinne erzielen.“

Bei der Firma Max Hoffmann, die vor allem Bauaufträge für die SAGA/GWG durchführen, wurde wegen scheinbarer Wettbewerbsgründe allen Beschäftigten statt wie bisher 17 Euro/Stunde übertariflicher Leistungslohn nur noch der Bau-Mindestlohn in Höhe von 12, 40 Euro/Stunde gezahlt – dabei darf dieser nur für Kontingentarbeitnehmer zur Anwendung kommen. Nicht einmal der gültige Tarifstundenlohn von 14,56 Euro/Stunde sollte den Beschäftigten mehr gewährt werden.

„Das Vergaberecht stellt für die Gewerkschaften eine mühsam erstrittene Errungenschaft dar, deren Nutzen für Arbeitnehmer und auch mittelständische Hamburger Firmen der Senat nicht aufs Spiel setzen darf“, so Erhard Pumm.

Für die Evaluation und den Umgang mit dem Vergaberecht fordert der DGB Hamburg, dass:

* Daten über die Beschäftigungsentwicklung/ -abbau und die Auswirkungen der
Vergabepraxis auf Steuern und Sozialleistungstransfers ermittelt werden

* bei der Datenerhebung auch die Betriebsräte einbezogen werden

* Öffentliche Unternehmen, die das Vergabegesetz nicht anwenden müssen, benannt und die Begründungen für die Ausnahme transparent gemacht werden.

* das Vergaberecht bei allen Firmen uneingeschränkt angewandt wird, die mehrheitlich in städtischer Hand sind

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.