Hamburg sagt: ‚Tschüss, Vattenfall!‘

Nun muss sich beweisen, was die grünen Versprechungen und der Koalitionsvertrag wert sind: Hamburgs neuer stadteigener Stromversorger „Hamburg Energie“ hat heute den Startschuss gegeben. In zwei bis drei Monaten soll Strom an die ersten Kunden geliefert werden – und zwar kohle- und atomfrei.

Im Rathaus wurde die Gründung – welch Überraschung! – mit unterschiedlichen Reaktionen aufgenommen. Der Senat – vertreten durch Bürgermeister und Umwelstaatsrat – sah gewissermaßen eine historische Stunde heraufziehen, für die GAL begrüßte Jenny Weggen den Start, Monika Schaal /SPD) sieht immerhin noch einen „Schritt in die richtige Richtung“ und Dora Heyenn (LINKE) nannte den heutigen ersten Schritt ein Schrittchen und forderte „Klotzen statt kleckern“.

Hier die Stellungnahmen:

Zum Markteintritt von HAMBURG ENERGIE sagte die umweltpolitische Sprecherin der GAL-Bürgerschaftsfraktion, Jenny Weggen:

„Wir freuen uns darüber, dass HAMBURG ENERGIE jetzt als Energieversorger in den Markt einsteigt. So wird der Grundstein für eine neue zukunftsweisende Energieversorgung Hamburgs gesetzt: kohle- und atomfrei, dezentral und auf Basis erneuerbarer Energien.

Wer sich für HAMBURG ENERGIE entscheidet, stärkt so auch das stadteigene Unternehmen, das sich Klimaschutz als erstes und zentrales Ziel gesetzt hat. Jeder Wechsel zu HAMBURG ENERGIE hilft dabei, in neue regenerative Energieanlagen in Hamburg und Umgebung zu investieren. Alle Hamburgerinnen und Hamburger sind somit dazu aufgerufen mitzumachen und Hamburg im Klimaschutz gut aufzustellen.

Auf Bundesebene brauchen wir von allen Parteien und der Wirtschaft ein klares Ja zum Atomausstieg. Daran darf nicht gerüttelt werden. Wir wollen für Hamburg eine klimaschonende und risikofreie Energieversorgung! Deshalb muss der Bund endlich gesetzlich klar machen, dass der Kohlendioxidausstoß von Kraftwerken ein Schadstoffausstoß ist, damit keine weiteren Kohlekraftwerke gebaut werden können.

Dass wir mit dem Ziel einer zukunftsweisenden Energieversorgung nicht alleine sind, zeigte auch die größte Anti-Atom-Demonstration seit 23 Jahren am vorigen Samstag in Berlin. 50 000 Menschen sind auf die Straße gegangen, um gegen Atomkraft und für neue Arten der Energieerzeugung zu demonstrieren. Wir Grüne waren dabei und nehmen dieses Ziel für Hamburg in Angriff.“

Hamburg Energie: kleckern statt klotzen

Mit viel Aufwand zelebrierte der Senat heute den Markteintritt seines Trostpflasters für die Genehmigung des Kohlekraftwerks Moorburg. Dora Heyenn, Fraktionsvorsitzende und umweltpolitische Sprecherin, kritisierte das Konzept, Finanzvolumen und Preisgestaltung von Hamburg Energie scharf: „Der Senat bewegt sich offensichtlich auf unsere Forderungen nach mehr öffentlichen Investitionen zu. Allerdings wird hier nach dem Motto ‚kleckern statt klotzen‘ verfahren. 25 Millionen Euro wirken im Vergleich zu den Milliardengewinnen, die durch den Verkauf der Hamburgischen Electricitäts-Werke AG (HEW) erzielt und anschließend verjubelt wurden, eher wie ein laues Lüftchen.

Was es letztendlich bringen soll, den bereits bestehenden Ökostromanbietern einen weiteren hinzuzufügen, bleibt offen. Zudem kann man es drehen und wenden wie man will: Selbst der typische GAL-Wähler bezieht längst seinen Strom von Lichtblick oder Geenpeace Energy. Für einkommensschwache Haushalte aber kommen beide Tarife von Hamburg Energie nicht in Frage: Hartz IV-Empfänger finanzieren ihren Energieverbrauch aus dem Regelsatz und der reicht vorne und hinten nicht aus. Wer hier von einer Möglichkeit für alle Hamburgerinnen und Hamburger spricht, denkt nicht an diese Menschen. DIE LINKE hingegen fordert den Zugang zu erneuerbaren Energien für alle Bevölkerungsschichten.

Die bislang dramatisch schlechte Bilanz des Senats in Sachen Klima und Umwelt lässt sich mit dem mageren Trostpflaster Hamburg Energie jedenfalls nicht nennenswert aufpolieren. Ob Moorburg oder Krümmel, der Senat möchte den Atomkonzernen nicht weh tun. Hamburg hat mit den Atomkonzernen Vattenfall und E.ON insgesamt über 450 laufende Verträge und allein im Jahr 2008 für rund 42 Millionen Euro bei Vattenfall Strom bezogen, die öffentliche Beleuchtung noch nicht einmal mitgerechnet.“

Ein Schritt, dem weitere folgen müssen
Hamburg Energie: Patriotismus als Geschäftsidee reicht nicht

„Die Gründung von Hamburg Energie ist ein Schritt in die richtige Richtung. Damit ist der Anfang getan, um die Energieversorgung der Hansestadt wieder in die eigenen Hände zu nehmen. Klar ist aber auch: Ein paar Windmühlen allein machen noch keine Stadtwerke.“ – Mit diesen Worten hat SPD-Umweltexpertin Monika Schaal auf die heutige Pressekonferenz von Hamburg Energie reagiert.

Langfristig sei wichtig, dass Hamburg Energie zu einem starken Anbieter auf dem ohnehin vollen Energieanbieter-Markt wird. Hamburg Energie müsse stark genug werden, um sich auch gegen die etablierten Konzerne auf dem Strommarkt behaupten zu können. „Es steht heute bereits eine große Zahl von Bewerbern auf dem Energiemarkt im Kampf um die Kunden. Das neue Unternehmen muss sich also gut überlegen, mit welchen Leistungen, Angeboten und Tarifen es einsteigt. Allein der Appell an den Patriotismus der Hamburgerinnen und Hamburger dürfte zumindest bei denen nicht reichen, die auch bei der Versorgung mit Energie auf den Euro sehen müssen“, sagte Schaal.

Sie vermisse in der bisher erkennbaren Konzeption zusätzliche Beratungsangebote und Unterstützungsmaßnahmen beim Energiesparen. „Ökostrom kann ich auch bei anderen Hamburger Unternehmen kaufen“, betonte Schaal. Außerdem lasse ein Bekenntnis der Stadt und ihrer Unternehmen auf sich warten, künftig Strom von Hamburg Energie zu beziehen. Dazu gehörten Großabnehmer wie die Verwaltung, Hochbahn, Hamburg Wasser oder Bäderland und viele andere Hamburger Unternehmen. „Dadurch könnten ihre Zahlungen für Strom in Hamburg bleiben und in den Aufbau der erneuerbaren Energien fließen statt nach Schweden“, sagte Schaal.

Hier kann man sich selbst ein Bild über das neue Unternehmen machen.

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