Hamburg rutschfest machen

Schnee, Eis, Glätte, Knochenbrüche: Dass der Senat es bisher nicht geschafft hat, die Stadt insbesondere für Fußgänger und Radfahrer gefahrlos passierbar zu machen, bestreitet eigentlich niemand. In der Bürgerschaft gingen die Parteien dennoch unterschiedlich mit dem Thema um. Die GAL sagt, das „Sofortprogramm“ zeige bereits Wirkung, die SPD sieht den Senat im Tiefschlaf, und für die LINKE geht es um „öffentliche Verwahrlosung“.

Gregersen: „Lehren aus Eiswinter ziehen“

Das Sofortprogramm des Senats gegen eisglatte Fußwege zeigt bereits Wirkung, meint die GAL. Dennoch muss Hamburg künftig auf harte Winter noch besser vorbereitet sein. Deshalb haben die Fraktionen von GAL und CDU zur heutigen Sitzung einen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht, der genau dies sicherstellen soll (Drucksache 19/5326).

Martina Gregersen, die verkehrspolitische Sprecherin der GAL-Bürgerschaftsfraktion, erklärte dazu:

„Die Sofortmaßnahme werden die Situation auf eisglatten Fußwegen zügig verbessern. Mit unserem Antrag wollen wir zusätzlich dafür sorgen, dass Hamburg künftig bestmöglich für harte Winter gerüstet ist. Die Erfahrungen aus diesem Extremwinter müssen gesammelt und ausgewertet werden.“

Daher ersuchen GAL und CDU den Senat, gemeinsam mit den Bezirken Konzepte für rutschfeste Eiszeiten in Hamburg zu entwickeln. „In den Planungen sollen alle Verkehrsteilnehmer und Altersgruppen berücksichtigt werden – auch die Radfahrerinnen und Radfahrer“, betonte Gregersen.

Der Senat im Winterschlaf
Schneechaos: Resultat von Kürzungen bei Stadtreinigung und Bezirken

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat in der Debatte zum aktuellen Winterchaos den Senat aufgefordert, die Defizite und Ausfälle bei der Schneeräumung schnell und unbürokratisch aufzuarbeiten. „Als die ganze Stadt schon unter den Auswirkungen des Winter litt, war der Senat offensichtlich noch im Winterschlaf“, sagte die SPD-Abgeordnete Anne Krischok.

Sie warf dem Senat vor, dieser habe „die Dramatik auf den Straßen und Gehwegen wochenlang verschlafen“. Die SPD-Politikerin forderte den Senat auf, nach nunmehr sechs Wochen Wintereinbruch endlich die Gehwege und öffentlichen Plätze begehbar zu machen. „Es ist unentschuldbar, dass Tausende von Hamburgerinnen und Hamburger kaum ihre Häuser verlassen können ohne die Gefahr schwerster Verletzungen fürchten müssen“ sagte Krischok.

Krischok verwies darauf, dass Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sich bereits beim Hamburger Presseball vor rund zwei Wochen für die Zustände auf den öffentlichen Wegen und Straßen entschuldigt hat. Dass er in diesem Zusammenhang auf eine Aufarbeitung der Schwachstellen im Sommer hingewiesen hatte, ohne am aktuellen Zustand etwas ändern zu wollen. Krischok sagte, die angespannte Situation für Fußgänger in Hamburg sei auch Folge von Kürzungen und Streichungen bei Stadtreinigung und Bezirken.

Krischok verwies darauf, dass die finanzielle und personelle Ausstattung der Bezirke derzeit nur die Bewältigung eines milden Winter ermögliche. Zudem müsse die Stadtreinigung bei den Haushaltseinsparungen künftig mit einer Millionen Euro auskommen. „Ist das nun eine Belohnung für diejenigen, die nun bei klirrender Kälte mit Streuen und Schneeschaufeln täglich die öffentliche Sicherheit gewährleisten?“, fragte Krischok.

Winter 2010 in Hamburg: öffentliche Verwahrlosung!

Der Schnee hat in diesem Winter die Stadt an ihre Grenzen gebracht und die Folgen von Sparmaß-nahmen und Privatisierung aufgezeigt. Viele Fußwege, Fahrradwege und selbst Bushaltestellen und U-Bahn-Zugänge waren nicht geräumt. Die Folgen treffen vor allem ältere und gehbehinderte Men-schen hart, für die jeder Weg in den letzten Tagen und Wochen zum Abenteuer wurde. Die Hambur-ger Krankenhäuser berichteten von auffallend vielen Patienten mit Knochenbrüchen. Der Bürger-meister braucht mehrere Wochen bis er das Schneechaos bemerkte und die zuständigen Stellen noch einige Zeit länger bis sie „Sofortmaßnahmen“ in die Wege leiteten.

Die Fraktion DIE LINKE hat deswegen ein Antrag (Drs. 19/5211) eingereicht, der den Senat auffordert über sein Winterräumkonzept und dessen Umsetzung, über die Arbeitsteilung zwischen den unterschiedlichsten Akteuren des Winterdienstes und über die zukünftigen Planungen für Fahrradfahrer und Fußgänger Bericht zu erstatten. Auf die Schriftliche Kleine Anfrage (Drs. 19/5213) der Fraktion verweigerte der Senat nahezu jede Auskunft über das Ausmaß, Ursachen und Folgen der gegenwärtigen Lage, unter anderem über die Namen, Leistungen und Kosten der privaten Winterdienste.

„Die Hamburger Krankenhäuser sind überfüllt und Zehntausende Menschen wagen sich seit Wochen nicht aus ihrer Wohnung oder ihrem Haus heraus. Das ist die Auswirkung eines dramatischen Winters, aber auch die Auswirkung einer Verwahrlosung der öffentlichen Ordnung wie sie Hamburg noch nicht erlebt hat. Die Politik dieses Senats geht im wahrsten Sinne des Wortes auf unsere Knochen“, kritisierte Norbert Hackbusch im Rahmen der heutigen Bürgerschaftsdebatte.

Die schlechtesten Zustände finden sich meist auf öffentlichen Gehwegen und Plätzen. Ein schlechter Hintergrund um die privaten Eigentümer auf ihre Streupflichten hinzuweisen. Verantwortlich dafür sind die Bezirke, denen diese Aufgaben zugewiesen wurden aber sie nicht wahrgenommen haben. Da dies in allen Bezirken geschah war es nicht die Schuld der einzelnen Bezirke, sondern durchaus ein durchgängiges Organisationsproblem.

Aus einigen Bezirken ist zu hören, dass gerade die Aufgaben von privaten Firmen nicht ausreichend erfüllt wurden. Hier ist eine genaue Bilanz dieser Vergaben zu ziehen, insgesamt macht es aber den Eindruck als wenn die Stadt und Bezirke einfach nicht in der Lage waren, diese Aufgabe auch nur ansatzweise zu erfüllen. Außerdem gibt es viele Anzeichen dafür, dass in diesen Bereichen gespart wurde auf Kosten der Knochen der Bürger. Und die Ankündigung von weiteren Kürzungen im Bereich der Winterdienste kann wohl nur als Provokation gehandelt werden.

Das Hauptstraßensystem wurde häufig geräumt. Die Behandlung der Fahrradfahrer ist hingegen eine Provokation. Angeblich wollte Hamburg die Anzahl der Radfahrer erhöhen, die Baubehörde steht unter der Leitung einer grünen Senatorin. Auf die Kritik an der mangelnden Räumung der Radwege wurde ausgeführt, dass sei auch gar nicht vorgesehen und nicht wichtig.

„Die Fahrradfahrer konnten jetzt wochenlang nur unter halber Lebensgefahr auf der Straße fahren. Und selbst das wurde ihnen jetzt trotz einmütiger Aufforderung der Bezirksversammlung Nord verboten! Das ist nicht Umwelthauptstadt, sondern tiefste Fahrradprovinz“, so Hackbusch weiter. „Eine solche Verwahrlosung der öffentlichen Ordnung habe ich in Hamburg noch nicht erlebt und sie resultiert aus Kompetenzgewirr, unkontrollierte Privatisierungen, gesetzlichen Vorgaben aus uralten Zeiten und einem Senat, der die Probleme seiner Einwohner erst sehr spät wahrnimmt. Hamburg war und ist mit diesem Senat nicht winterfest.“

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