Halb voll oder halb leer?

Kommt alles auf die Sichtweise an: Jens Kerstan (GAL) ist stolz darauf, dass Hamburg 52 Steuerfahnder pro eine Million Einwohner hat – das ist Spitze. Dr. Joachim Bischoff (LINKE) hingegen sieht Hamburg als Schlusslicht – und hat auch Recht: Nur 5 % aller Einkommensmillionäre werden von der Steuerfahndung in Hamburg überprüft.

So sieht es Jens Kerstan, dessen Fraktion die Daten erfragt hat:

Die Steuerpolitik der Bundesregierung wird von vielen Menschen als ungerecht empfunden. Wenig beachtet ist dagegen der Vollzug der Steuergesetze. Die Grüne Bundestagsfraktion hat mit den Landtagsfraktionen einen Vergleich der Steuerverwaltungen in den Ländern durchgeführt. Ein Ergebnis: Hamburg ist mit 52 Steuerfahndern pro eine Million Einwohner bundesweit Spitze. Bayern hat pro eine Million Einwohner lediglich 27 Fahnder.

Jens Kerstan, der Fraktionsvorsitzende und haushaltspolitische Sprecher der GALBürgerschaftsfraktion,
erklärte dazu: „Die Untersuchung zeigt, dass der Zustand der Steuerverwaltung in Hamburg keinen Vergleich mit anderen Ländern scheuen muss. Bei den Steuerfahndern je eine Million Einwohner liegt Hamburg sogar ganz vorn. Die Erhebung macht auch deutlich, wo es in Hamburg noch Nachholbedarf gibt. Aber Hamburg handelt bereits: Wir Grüne haben bereits in den letzten Haushaltsberatungen einen Antrag eingebracht, der eine Aufstockung der Betriebsprüfung vorsieht. So wurden seit 2009 auf unsere Initiative hin 48 zusätzliche Finanzanwärter/-innen eingestellt. Zudem hat der Senat in der aktuellen Haushaltsplanung sieben zusätzliche Prüfer vorgesehen, die sich vor allem um Privatvermögen kümmern sollen. Für uns ist es wichtig, dass der Steuervollzug für alle Steuerzahler-Gruppen nachvollziehbar und gerecht organisiert wird.“

Und das sagt die LINKE:

Steuervollzug: Senat lässt Einkommensmillionäre in Ruhe und möchte Straftäter abkassieren

Nach einer Erhebung der Grünen in sechs Bundesländern, geht Hamburg besonders schonend mit seinen Einkommensmillionären um. Während nämlich in Sachsen 38,7% der Einkommensmillionäre in 2009 geprüft wurden, in NRW 30% und in Bayern 18%, waren es in Hamburg nur sagenhafte 5%.

Dazu erklärt der haushaltspolitische Sprecher der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, Dr. Joachim Bischoff: „Es ist zu begrüßen, dass der schwarz-grüne Senat beim Thema Steuergerechtigkeit endlich aufwacht. Die Bevorzugung von Unternehmen und Vermögenden beim Steuervollzug ist angesichts der Notlage im Hamburger Haushalt nicht länger hinnehmbar. Allerdings ist das, was der Senat jetzt anbietet, nämlich die Anstellung von sechs zusätzlichen SteuerprüferInnen, die sechs Mio. Euro in die Staatskasse bringen sollen, nicht mehr als ein schlechter Scherz. Von einem ernsthaften politischen Willen, die Vermögenden wieder stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens zu beteiligen, ist der schwarz-grüne Senat also noch immer meilenweit entfernt.“

Würde die Prüfungsintensität der Einkommensmillionäre nur auf das bayrische Niveau (18%) angehoben, ergäben sich dadurch Mehreinnahmen von ca. 22 Mio. Euro gegenüber 2009 (31 Prüfungen durchschnittlich je 275.000 Euro). Dazu müssten allerdings erheblich mehr SteuerprüferInnen eingestellt werden.

Statt der Einkommensmillionäre nimmt der Senat lieber Straftäter ins Visier. Hier will man statt bisher etwa 1,2 Mio. Euro zukünftig über fünf Mio. Euro „Vermögen abschöpfen“, wie das in der Behördensprache heißt. Dazu wurden bei der Staatsanwaltschaft zwei Wirtschaftsreferenten eingestellt.

„Nichts gegen verstärkte Aktivitäten von Polizei und Staatsanwaltschaft gegenüber Straftätern. Für die Staatskasse hätte allerdings die Einstellung von 100 zusätzlichen SteuerprüferInnen, wie von der LINKEN und Gewerkschaften gefordert, deutlich größere Effekte. In welchem Umfang der Steuervollzug verbesserbar ist, belegen nicht zuletzt die CDs mit Steuersündern“, schließt Bischoff.

Hintergrund

Die Grüne Bundestagsfraktion hat mit der koordinierten Abfrage durch die Grünen Landtagsfraktionen erstmals vergleichbare Zahlen zum Steuervollzug der Länder erhoben. Bisher liegen die Antworten für die Länder, Hamburg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein vor.
Betrachtet man das Personal der Steuerverwaltung pro 10.000 Einwohner, so belegt Hamburg mit 20,7 Stellen (2008) den Spitzenplatz. Der Bundesdurchschnitt lag bei 12,6. Von den untersuchten Ländern landet nur Bayern mit 11,8 unter diesem Durchschnitt. In allen Ländern, mit Ausnahme von Schleswig-Holstein, ist das Personal seit 2005 zurückgegangen. Lediglich in Hamburg wurde der Rückgang im letzten Jahr gestoppt und wieder Personal aufgebaut.
Im Bereich der Betriebsprüfung hat Hamburg mit 32 Betriebsprüfern auf 100.000 Einwohner ebenfalls einen Spitzenwert. Auch hier ist Bayern mit weniger als 15 Beschäftigten auf 100.000 Einwohner Schlusslicht. Dabei erwirtschaftet jeder bayrische Prüfer ein Mehrergebnis von 2,43 Millionen Euro im Jahr, was bundesweit Rekord ist. Hamburg kommt mit 1,73 Millionen auf den zweiten Platz.

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