Griechenland: DGB fordert weitere Verhandlungen

Der geschäftsführende DGB-Bundesvorstand hat heute diese Erklärung zu Griechenland beschlossen:

Die griechische Bevölkerung hat mit großer Mehrheit mit Nein gestimmt. Mit einem Nein gegen die Fortsetzung der Austeritätspolitik, die das Land eben nicht aus der Krise geführt hat. Die soziale Lage hat sich mit der einseitigen Sparpolitik dramatisch verschlechtert. Millionen Menschen sind von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen. In den letzten Monaten sind Fehler gemacht worden. Syriza hat Wahlversprechen gemacht, die kaum zu halten waren. Auch das Verhandlungsgeschick des griechischen Finanzministers war nicht durch Fortune und Takt gekennzeichnet. Man beschimpft – bei aller Differenz in den Positionen – seine Verhandlungspartner nicht als Terroristen. Aber auch die „Institutionen“, vormals Troika genannt, haben die Chancen für erfolgreiche Verhandlungen in den letzten Wochen nicht genutzt. Dabei waren die Differenzen beim letzten Verhandlungsstand vom 25. Juni offensichtlich überbrückbar. Der Kabinettschef des Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker hatte (endlich) eingeräumt, dass Griechenland in den letzten Jahren bereits mehr geleistet hat als die meisten Euro-Länder. Weitere Strukturanpassungen seien „unrealistisch und nicht ausgewogen“. Selbst der IWF räumte ein, dass Griechenland bereits einen hohen Preis bezahlt hat. Und, so der IWF (!), die Annahmen des fiskalischen Multiplikators hätten sich als nicht zutreffend erwiesen. Bei so viel Einsicht ist erschreckend, wie mit der sozialen Lage der griechischen Bevölkerung umgegangen wird. So wird dem Ansehen der Europäischen Union schwerer Schaden zugefügt.

Schuldzuweisungen helfen in dieser Situation keinen Zentimeter weiter. Mut und Verantwortungsbereitschaft sind jetzt gefordert! Das klare Votum der griechischen Bevölkerung ist auch eine Chance. Sie sollte nicht dafür abgestraft werden, dass sie von ihrem demokratischen Recht eines Referendums Gebrauch gemacht hat. Natürlich gilt es, auch die Interessen der anderen 18 Mitgliedstaaten zu respektieren, die allesamt durch demokratisch gewählte Regierungen repräsentiert sind. Die nationalen Interessen aller Mitgliedstaaten der Währungsunion müssen Berücksichtigung finden. Denn: scheitert der Euro, scheitert die Europäische Union. Und: es wird der deutschen Bevölkerung auf Dauer nicht gut gehen, wenn es den Menschen in den Krisenländern auf Dauer schlecht geht. Es ist doch gerade Deutschland, das in erheblichem Maße von der EU und der Währungsunion profitiert. Stellen wir uns nur vor, wir würden die D-Mark wieder einsetzen und die EZB durch die Deutsche Bundesbank ersetzen. Die Exporte würden sich drastisch verteuern und die Zinsen für die deutsche Schuldenlast würden nicht mehr bei nahezu null Prozent liegen, sondern rasant nach oben gehen. Uns in Deutschland muss stärker bewusst sein, welche erheblichen ökonomischen Vorteile gerade wir als Exportland haben. Daher müssen wir mutig und ohne Zögern Verantwortung übernehmen. Ein Grexit wäre eine Kapitulation vor den anstehenden Herausforderungen. Die möglichen mittel- und langfristigen negativen Folgen kann heute keiner überschauen.

Das Votum der Griechen war keines gegen die Europäische Union und es war nicht gegen den Euro gerichtet. Es war ein Nein zur Fortsetzung der Austeritätspolitik, die die Menschen in Verzweiflung und Not getrieben hat. Natürlich wissen die Griechen, dass ihr Land Strukturreformen braucht. Beispielsweise, wenn es um den Aufbau einer effizienten Steuerverwaltung geht. Natürlich sollen langfristig die Schulden getilgt werden. Und natürlich müssen sich in einer Währungsunion alle an Spielregeln halten. Wir sollten nicht vergessen, dass alle Vorgängerregierungen es versäumt haben, solide Grundlagen zu legen, für das Rentensystem oder für eine funktionsfähige Arbeitsmarktpolitik. Ganz zu schweigen von der Fahrlässigkeit, dass die Reichen immer noch nicht gezwungen sind, ordentlich Steuern zu bezahlen und sich an den Krisenkosten zu beteiligen. Auch die Tsipras-Regierung hätte an dieser Stelle beherzter vorgehen müssen. Nur kann nicht in wenigen Wochen das korrigiert werden, was über Jahre versäumt wurde. Dafür braucht es Zeit und die sollte den Griechen gegeben werden. Dann wird aus dem Nein zur Austerität ein Ja für ein zukunftsfähiges Europa.

Jetzt müssen die Verhandlungen wieder aufgenommen werden. Die Griechen müssen deutlich machen, wie sie langfristig als verlässlicher Partner in der Währungsunion bleiben können. Der Rücktritt des griechischen Finanzministers ist ein geeignetes Signal, dass Vertrauen wieder hergestellt werden kann. Die Gläubiger müssen ihrerseits zu zielführenden Verhandlungen bereit sein. Eine weitere Destabilisierung des Bankwesens muss kurzfristig verhindert werden. Dafür muss die EZB die Notkredite verlängern und wenn notwendig aufstocken. Griechenland braucht jetzt eine Brückenfinanzierung oder Umschuldung, die die langfristige Zahlungsfähigkeit wieder herstellt. Notwendig sind kurz- und mittelfristige Perspektiven für Wachstum, Investitionen und damit für Beschäftigung. Nur so wird langfristig die Zukunftsfähigkeit für ein Europa der Bürger gesichert.

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