Erb­schaft­steu­er: Ent­wurf ver­fas­sungs­wid­rig?

Gewerkschaften erheben Einspruch gegen Reformmodell: DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell sagt, Erben größerer Unternehmen würden zu großzügig behandelt

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat erhebliche Bedenken gegen den Vorschlag zur Reform der Erbschaftsteuer von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). In Teilen sei der Entwurf, der nach der bisherigen Planung der Regierung am Mittwoch dem Kabinett vorgelegt werden soll, verfassungswidrig, sagte das DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell dem Tagesspiegel. Ob sich das Kabinett wirklich am Mittwoch mit der Vorlag befassen wird, wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unlängst angekündigt hat, war am Wochenende unklar – vor allem CSU-Chef Horst Seehofer hatte verlangt, den Entwurf von der Tagesordnung zu nehmen und ihn erst im Herbst nach weiteren Korrekturen zu behandeln. Auch in der SPD gibt es Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Dezember eine Reform der Steuer bei Betriebsübergaben gefordert.

Am Sonntag bemühten das Finanzministerium und führende Fraktionspolitiker um einen Kompromiss. Auch Gerda Hasselfeld, Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, hatte am Samstag vor einer Sitzung des CSU-Vorstands in München gesagt, Ziel sei es, die Reform am Mittwoch ins Bundeskabinett zu bringen. Es gebe aber noch einige „Knackpunkte“. Als Beispiel nannte Hasselfeldt die Ausgestaltung der Regeln beim Vererben von Familienunternehmen. Die CSU besteht hier weiterhin auf Korrekturen an den bisher bekannten Entwürfen: „Ich schlage nicht ein um jeden Preis“, sagte sie.

Körzell vom DGB lehnt vor allem die aus seiner Sicht zu großzügige Behandlung von Erben größerer Unternehmen ab. Schäuble wollte die Bedürfnisprüfung bei solchen Erben (sie ist eine Forderung des Bundesverfassungsgerichts) zunächst zur Pflicht machen, gab dann jedoch Druck aus der CSU und von Unternehmerverbänden nach. Er schlägt nun ein Wahlrecht zwischen zwei Möglichkeiten vor: eine mit Bedürfnisprüfung, eine ohne – das so genannte Verschonungsabschlagsmodell. „Dass die Steuerpflicht überhaupt davon abhängig sein soll, ob Erben und Beschenkte gerade flüssig sind, ist bereits ein völlig unverhältnismäßiges Privileg“, sagte Körzell dazu. „Man stelle sich das nur mal bei der Einkommensteuer vor.“ Wenn manche dieses Privileg nun auch noch als Einführung der Vermögensteuer durch die Hintertür bezeichneten, „ist das einfach nur dreist“. Wer so argumentiere, dem sei Verteilungsgerechtigkeit völlig gleichgültig, so Körzell. Die von Schäuble vorgesehene Möglichkeit des Verschonungsabschlags unter bestimmten Bedingungen sei eindeutig verfassungswidrig. „Hier soll nämlich auch nur dann sehr geringfügig besteuert werden, wenn Erben und Beschenkte förmlich im Geld schwimmen“, sagte Körzell. „Dass das nicht verfassungskonform ist, haben die Karlsruher Richter unmissverständlich klargemacht.“

Stundungsregeln denkbar

Für „schwierige Einzelfälle“ schlägt der DGB vor, über großzügigere Stundungsregeln nachzudenken. Dort wo Erben gezwungen seien, fast alle Gewinne zu reinvestieren und ihre Anteile nur deutlich unter Wert an andere Anteilseigner veräußern dürfen (das ist vor allem bei größeren Familienunternehmen mit vielen Anteilseignern der Fall), „da kann man in bestimmten Fällen auch über eine niedrigere Steuer nachdenken“, so Körzell.

Auch die so genannte Lohnsummenregelung bei kleineren Unternehmen mit vier bis zehn Beschäftigten hält Körzell für verunglückt. Sie gibt vor, wie viele Arbeitnehmer nach der Betriebsübergabe für mehrere Jahre beschäftigt werden müssen, um von der Steuer verschont werden zu können. Vorgesehen sind bisher 250 Prozent der Ausgangslohnsumme nach fünf Jahren – dann müssen nur noch 15 Prozent der Steuerschuld beglichen werden. Wer in der Addition über sieben Jahre auf 400 Prozent der Ausgangslohnsumme kommt, wird ganz von der Steuer befreit. Körzell reagiert darauf mit Unverständnis: „Wenn in einem Unternehmen nach Erbe oder Schenkung nur noch die Hälfte der ursprünglichen Löhne und Gehälter gezahlt wird, dann ist das eine Katastrophe. Ganz gewiss ist das kein Nachweis erfolgreicher Unternehmensfortführung, den man noch mit Steuergeschenken belohnen muss.“

Aus dem Tagesspiegel vom 5. Juli 2015

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