Energiewende – auch Kohle macht sie möglich

Die Versorgungssicherheit des Standortes Deutschland und die Energiewende können nur gelingen, wenn ausreichend flexible thermische (Kohle-)Kraftwerke am Netz bleiben und modernisiert werden: Das ist ein Ergenis der neuen Prognos-Studie.

Einige Aussagen der Studie:

– Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, fehlen bereits
bis 2020 etwa 9 % gesicherte Erzeugungsleistung.
– Thermische Kraftwerke werden im Jahr 2020 fast drei Viertel der
gesicherten Leistung (59 GW) abdecken müssen.
– Auch 2050 stellen thermische Kraftwerke mit 46 GW noch weit über
die Hälfte der gesicherten Leistung.
– Dabei ist der Weiterbetrieb moderner Bestandskraftwerke um 600
Millionen Euro pro Jahr günstiger als der Bau neuer Kraftwerke.
Im Zeitraum bis 2050 fallen die Stromerzeugungskosten bei
Nutzung der Bestandsanlagen so insgesamt um 24 Milliarden Euro
niedriger aus als im Neubauszenario.

Die Versorgungssicherheit des Standortes Deutschland sei unter den aktuellen Energiemarktbedingungen erheblich gefährdet. Die Energiewende könne nur gelingen, wenn ausreichend flexible thermische (Kohle-)Kraftwerke am Netz bleiben, die die stark fluktuierende Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien mit regelbaren Kraftwerkskapazitäten absichern: So fehlten aufgrund des von der Bundesregierung beschlossenen Atomausstiegs bereits im Jahr 2020 mindestens 8 GW gesicherte Erzeugungskapazität, um die Stromversorgung in Deutschland im Moment der Höchstlast zu sichern. Das entspreche etwa 9 % der prognostizierten Höchstlast. Bis 2025 erhöhe sich dieser Wert auf 19 GW oder 22 % und bereits 2030 droht eine Versorgungslücke von 27 GW oder 32 % der notwendigen Höchstlast (inkl. 10 % Sicherheitsreserve). Das sind zentrale Ergebnisse der aktuellen Studie „Bedeutung der thermischen Kraftwerke für die Energiewende“, die von der Prognos AG im Auftrag des Vereins der Kohlenimporteure (VDKi) durchgeführt und heute veröffentlicht wurde:

„Die Situation könnte zusätzlich durch eine vorzeitige Stilllegung von fossil befeuerten Bestandskraftwerken verschärft werden. Diese lassen sich unter den aktuellen Marktbedingungen kaum noch wirtschaftlich betreiben und werden daher möglicherweise von ihren Betreibern noch vor dem Ablauf der technischen Lebensdauer vom Netz genommen. „Die Studie zeigt, dass der Standort Deutschland unter den aktuellen Marktbedingungen mittel- bis langfristig auf eine erhebliche Kapazitätslücke bei der Stromversorgung zusteuert“, so Wolfgang Cieslik, Vorstandsvorsitzender des VDKi. „Vor diesem Hintergrund werden Bestandskraftwerke bzw. Maßnahmen zur Verlängerung der Lebensdauer dieser Kraftwerke für die Versorgungssicherheit immer wichtiger. Hier ist die Politik gefordert. Wir benötigen ein Strommarktdesign, das Investitionen in Bestandskraftwerke attraktiv macht und deren Weiterbetrieb wirtschaftlich ermöglicht.“

Steinkohlekraftwerke können eine geringe Mindestlast und hohe Laständerungsgeschwindigkeiten bereitstellen. Deshalb bieten sie die notwendige Flexibilität, um Lastspitzen abzufedern und Leistungsreserven sowie Blind- und Regelleistung bereitstellen zu können. Allerdings sind durch die vorrangige Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren die für die Betreiber notwendigen Preise in den Peakstunden (8 bis 20 Uhr, wochentags) stark gesunken. Besonders ältere Steinkohlekraftwerke ohne Kraft-Wärme-Kopplung sind stark von einer vorgezogenen Stilllegung bedroht. Wegen der wirtschaftlichen Unsicherheit und der niedrigen Börsen-Strompreise werden derzeit auch keine Investitionsentscheidungen für zusätzliche Kraftwerkskapazitäten getroffen. Sie kämen wegen langer Genehmigungsverfahren von fünf bis zehn Jahren voraussichtlich auch zu spät, um die drohenden Kapazitätslücken zu schließen. Zudem erhöhen Restriktionen im Übertragungsnetz die Gefahr von regionalen Engpässen.

Nutzung bestehender Kraftwerke entlastet Stromkunden gegenüber Neubau um 600 Millionen Euro jährlich

Volkswirtschaftlich am günstigsten kann die drohende Kapazitätslücke durch die Nutzung von bestehenden thermischen Kraftwerken geschlossen werden. Hierunter nehmen die Steinkohlekraftwerke mit 30 % die wichtigste Rolle ein. Gegenüber dem Neubau von Kraftwerken führt der Weiterbetrieb von Bestandskraftwerken zu ökonomischen Vorteilen von etwa 600 Millionen Euro pro Jahr. Bis 2020 würden die Kosten der Stromerzeugung so um mehr als 4 Milliarden Euro niedriger ausfallen, bis 2050 sogar um insgesamt 24 Milliarden Euro. Dies eröffnet Handlungsspielräume zur finanziellen Entlastung der Stromkunden. „Thermische Kraftwerke werden auch langfristig für die Versorgungssicherheit in Deutschland eine wichtige Rolle spielen“, so Jens Hobohm, Marktfeldleiter Energiewirtschaft und verantwortlicher Studienautor der Prognos AG. „Neben der Inbetriebnahme der im Bau befindlichen Kraftwerke sind daher vor allem der Weiterbetrieb und die Modernisierung von bestehenden Kraftwerken notwendig.“ Diese Situation wird dadurch verschärft, dass Ausbau und Anschluss der Offshore-Windparks stocken. Zudem fehlen bisher sowohl die notwendigen Übertragungsnetze als auch wirtschaftliche Speichertechnologien. „Auch Stromimporte aus dem Ausland können diese Lücke nur zum Teil füllen, da die Spitzenlast in Mitteleuropa meist gleichzeitig auftritt und unsere Nachbarländer selbst keine großen Leistungsreserven besitzen“, so Hobohm. Nach den von Prognos berechneten Szenarien sind zur Leistungsabsicherung unter Berücksichtigung der erneuerbaren Energien, des Lastmanagements, des internationalen Netzausbaus sowie des Ausbaus von inländischen Speichern mindestens 59 GW (2020), 52 GW (2030) bzw. 46 GW (2050) an regelbarer gesicherter Kraftwerksleistung nötig. Diese wird auch langfristig im Wesentlichen durch konventionelle thermische Kraftwerke gewährleistet. Im Jahr 2050 werden sie in Spitzenlastzeiten immer noch über die Hälfte der gesicherten Leistung bereitstellen.

VDKi fordert Knappheitspreise oder alternativ einen für Altanlagen diskriminierungsfreien und marktbasierten Kapazitätsmechanismus

Die Studienergebnisse unterstreichen den politischen Handlungsdruck in diesem Bereich: Nur wenn jetzt die Rahmenbedingungen zur Aufrechterhaltung der Versorgung durch thermische Steinkohlekraftwerke geschaffen werden, kann die mittel- und langfristige Versorgungssicherheit am Standort Deutschland sichergestellt werden. Eine volkswirtschaftlich sinnvolle Lösung, um den entstehenden Kapazitätsengpässen entgegenzuwirken, kann bei einer Beibehaltung des heutigen Energy-Only-Marktdesigns kurzfristig nur durch die Einführung einer diskriminierungsfreien und marktbasierten strategischen Reserve erfolgen. Die Finanzierung der notwendigen Retrofits bei Bestandskraftwerken kann mittelfristig durch das Zulassen von Knappheitspreisen erfolgen – oder alternativ durch einen marktbasierten Kapazitätsmechanismus, der für Altanlagen diskriminierungsfrei ist. „Schließlich besitzen die meisten Steinkohlebestandsanlagen die notwendige Flexibilität, um die dringend erforderlichen Leistungsreserven für fluktuierende regenerative Stromeinspeisung sicher, umweltschonend und wirtschaftlich liefern zu können. Zudem erbringen sie notwendige Systemdienstleistungen wie Blindleistungsbereitstellung und Regelleistung zur Sicherung der Stabilität im Stromsystem. Das sind wichtige Grundlagen für das Gelingen der Energiewende“, so Ciesliks Fazit.“

Zur vorliegenden Untersuchung

In der Studie „Bedeutung thermischer Kraftwerke für die Energiewende“ ist die Prognos AG der Frage nachgegangen, welche Rolle thermische Kraftwerke für die Versorgungssicherheit der Stromerzeugung in Deutschland vor dem Hintergrund der Energiewende spielen können. Da der Brennstoff (Erdgas, Braun- und Steinkohle sowie Biomasse) speicherbar ist, haben thermische Kraftwerke den Vorteil, dass sie im Durchschnitt zu etwa 90 Prozent der Zeit verfügbar sind und damit auch langfristig den größten Beitrag zur gesicherten Leistung erbringen. Die Studie legt die Ziele der Bundesregierung im Hinblick auf das Ausbautempo der erneuerbaren Energien zu Grunde. Weitere Informationen zur Studie unter www.prognos.de.

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